Die stehende Rossby-Welle ist dann im Hohlleiter gefan-
gen, der an der nördlichen und südlichen Begrenzung nur
minimal undicht ist – genau wie das Elektron im Behälter. In
der Folge können die Ausschläge der Wellen durch Quasi-
resonanzverstärkung anwachsen. Dadurch entsteht eine
riesige stehende Welle, die in ihren Wellenbergen und
-tälern tagelang andauernde extreme Wetterlagen erzeugt.
Die WKB-Approximation, die sich eigentlich auf Hohlleiter-
probleme in der Quantenmechanik bezieht, hilft also auch,
das Rossby-Hohlleiterproblem zu lösen.
Damit wird klar, wie der Klimawandel die stehenden
Wellen beeinflusst, die uns anhaltende Wetterextreme
bescheren. Petoukhov und seine Potsdamer Mitarbeiter
bauten auf Karolys und Hoskins’ Arbeit auf und zeigten
2014, dass Wellenleiterbedingungen für stehende Rossby-
Wellen vor allem im Sommer entstehen. Denn zu dieser
Jahreszeit manifestiert sich der Jetstream oft nicht als
einziger, starker West-Ost-Wind, sondern alterniert viel-
mehr zwischen zwei Korridoren, die nördlicher beziehungs-
weise südlicher liegen als üblich.
Entspannung – aber nur bis 2050
Anhand der WKB-Approximation bewies Petoukhovs
Gruppe, dass sich die Atmosphäre gerade unter diesen
Bedingungen als Wellenleiter für Rossby-Wellen mit kurzen
Wellenlängen verhalten kann. Deren Amplitude ist im
Allgemeinen klein, ihre Biegungen schlängeln sich also
nicht sehr weit nach Norden oder Süden. Sobald aber eine
erste Kurve entsteht – beispielsweise, wenn eine Luftmas-
se, die sich von Westen nach Osten bewegt, auf die Rocky
Mountains oder die Alpen trifft oder auf starke Temperatur-
unterschiede an der Grenze zwischen Land und Meer –,
wachsen die Ausschläge der Rossby-Wellen durch den
QRA-Mechanismus sehr schnell an.
Ob die Bedingungen für die Quasiresonanzverstärkung
günstig sind, hängt größtenteils davon ab, wie sich die Tem-
peraturunterschiede zwischen Nord und Süd in den tieferen
Schichten der Atmosphäre gestalten. Klimamodelle geben
diesen Zusammenhang gut wieder. Im Jahr 2017 haben mei-
ne Kollegen und ich nachgewiesen, dass QRA-Bedingungen
in den letzten Jahrzehnten häufiger aufgetreten sind. Wie
Klimasimulationen zeigen, werden steigende Treibhausgas-
konzentrationen den Trend mit der Zeit weiter verstärken.
Ebenso spielen natürliche Faktoren wie Schwankungen der
Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüche sowie zusätzli-
che menschliche Einflüsse wie die Schwefeldioxidbelastung
der Luft eine Rolle. Die Simulationen, CMIP5 genannt,
haben mehr als 50 Forschungsgruppen weltweit für den
jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC durchgeführt.
Übereinstimmend mit Temperaturaufzeichnungen an
Wetterstationen kommen die Modelle zu dem Schluss,
dass sich die Arktis durch den Klimawandel schneller
erwärmt als der Rest der nördlichen Hemisphäre – ein
Effekt, der als Arktische Verstärkung bekannt ist. Sinkt der
Temperaturunterschied zwischen mittleren und polaren
Breiten, wird aber der Jetstream insgesamt langsamer, was
lang anhaltende Wetterlagen begünstigt und mit dem
zwischen zwei Korridoren alternierenden Jetstream und der
Quasiresonanzverstärkung in Verbindung gebracht wird.
Dieser zunehmende Trend erklärt, warum sich ausdau-
ernde sommerliche Wetterextreme in den letzten 20 Jahren
auf der Nordhalbkugel häufen. Erst kürzlich haben Wissen-
schaftler bewiesen, dass QRA-Bedingungen mit einer Reihe
von Extremwetterereignissen der vergangenen Jahre in
Verbindung stehen: mit der europäischen Hitzewelle von
2003, den Waldbränden 2010 in Russland und den gleich-
zeitigen Überflutungen in Pakistan, der Dürre in Oklahoma
und anderen Teilen der USA im Jahr 2011 sowie den kalifor-
nischen Waldbränden 2015 und denen in Alberta im Jahr
- Die beispiellosen Waldbrände, die 2018 in Kalifornien
wüteten, können wir dieser Liste nun hinzufügen. Der
menschengemachte Klimawandel hat die Wahrscheinlich-
keit für solche verheerenden Ereignisse in den jüngsten
Jahrzehnten um rund 50 Prozent erhöht.
Einige Faktoren deuten darauf hin, dass extreme Wet-
terphänomene immer heftiger werden: So speichert bei-
spielsweise eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit,
Während der Hitzewelle im Sommer 2018 in
Deutschland vertrockneten Sonnenblumen (oben),
und ihre Samen verkümmerten (unten).
GETTY IMAGES / SEAN GALLUP
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