Kohlekraftwerk würde dabei mehr Emissionen verursachen
als entfernen. Solar- oder Windparks hingegen bedecken
viel Land, das möglicherweise anderweitig benötigt wird.
Der rasche Bau solcher Anlagen wäre zwar vielleicht
wichtig, um zügig Erfahrungen für zukünftige Projekte in
einem viel größeren Umfang zu sammeln. »Aber würden
Sie heute die direkte Entnahme von 20 Millionen Tonnen
CO 2 aus der Luft forcieren, wäre Ihr Geld grundfalsch
angelegt«, mahnt der Energietechnikforscher Roger Aines
vom Lawrence Livermore National Laboratory. »Die dafür
nötige Sonnen- und Windenergie sollte man besser direkt
ans Netz bringen und dafür Kohlekraftwerke abschalten.«
Neue Emissionen zu vermeiden, ist nach wie vor oberste
Priorität.
In ihrer Studie summiert Fuss nicht schlicht das Potenzial
der sieben untersuchten Methoden auf, denn einige von
ihnen konkurrieren um die gleichen Ressourcen. So würde
beispielsweise Aufforstung eventuell Land beanspruchen,
das für den Anbau des Brennstoffs für Bioenergiekraftwer-
ke benötigt wird. Bioenergie wiederum könnte für die
unterirdische Speicherung des entstehenden CO 2 Lager-
stätten benötigen, die dann nicht mehr für die direkte
Abscheidung aus der Atmosphäre verfügbar wären. Wis-
senschaftler zielen deswegen auf ein optimiertes Portfolio
verschiedener Methoden ab.
Für den Anfang rät Peter Smith, Experte für Bodennut-
zung an der University of Aberdeen in Schottland, bereits
bekannte Verfahren hochzuskalieren: »Wir wissen, wie man
Bäume pflanzt. Wir wissen, wie man Moore renaturiert, vor
allem durch Anheben des Grundwasserspiegels.« Torf
bindet Kohlendioxid. »Wir wissen, wie man den Kohlen-
stoffgehalt im Boden erhöht. Das alles ließe sich relativ
einfach und unmittelbar umsetzen. Und es brächte uns
immerhin einen Schritt in die richtige Richtung.«
Eine viel versprechende Strategie ist die Wiederauffors-
tung. Traurigerweise sind die Regenwälder der Erde heute
eher eine Quelle denn eine Senke für Kohlendioxid, weil
Bäume gefällt oder verbrannt werden und verwüstete Flä-
chen zurückbleiben. Die Wälder der Welt wieder zu Gebie-
ten mit negativen Emissionen zu machen, würde tief grei-
kraftwerk betrieben und pumpt das CO 2 gut 700 Meter tief
unter die Erde. Dort reagiert das Gas mit Basalt gestein
und verfestigt sich zu einem Mineral. Der Betreiber, das
Schweizer Start-up-Unternehmen Climeworks, entreißt der
Atmosphäre mit dieser Anlage bescheidene 50 Tonnen Koh-
lendioxid pro Jahr.
Eine solche direkte Abscheidung und Speicherung ist
vielleicht der einfachste Weg zu negativen Emissionen.
Turbinen schaufeln CO 2 aus dem Himmel und vergraben es
regelrecht. Diverse Wissenschaftler meinen, die Technolo-
gie könne bis zum Ende des Jahrhunderts 10 bis 15 Milliar-
den Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entfernen, manche
halten 40 Milliarden Tonnen für möglich. Die Aussicht ist
unter Umständen sogar zu verlockend: Die Menschen könn-
ten in der Hoffnung auf eine spätere technische Lösung die
sofort gebotene Verringerung der Nutzung fossiler Brenn-
stoffe verschleppen.
2018 hat Sabine Fuss vom Mercator Institute mit ihrem
Team die Kosten, die Nebeneffekte, die Umweltverträglich-
keit und weitere Faktoren sieben viel versprechender
CO 2 -Entfernungsmethoden gründlich untersucht. Fuss
schätzt das bis 2050 aufgebaute Potenzial für die direkte
Abscheidung und Speicherung etwas zurückhaltender
ein – auf nur eine halbe bis fünf Milliarden Tonnen pro Jahr.
In diesem Jahrhundert entspricht das insgesamt zwischen
25 und 250 Milliarden Tonnen, bei Kosten von 100 bis 300
US-Dollar pro Tonne. (Zum Vergleich: Ein einzelnes Auto
stößt jährlich mehrere Tonnen Kohlendioxid aus.) Einige
Forscher meinen, die Kosten ließen sich unter 100 Dollar
pro Tonne drücken. Doch Minx befürchtet, bis dahin könne
es zu spät sein. Dazu müsse man sich nur vor Augen führen,
dass es für die Solarenergie mehr als 60 Jahre brauchte,
um von der Anwendung bei Satelliten in den 1950er Jahren
zur heutigen breiten Marktdurchdringung zu gelangen.
Zudem verbraucht die direkte CO 2 -Abscheidung enorme
Energiemengen. Die Entfernung von einer Million Tonnen
Kohlendioxid pro Jahr – nur ein winziger Teil des Ziels von
durchschnittlich 20 Milliarden Tonnen – würde ein 300- bis
500-Megawatt-Kraftwerk erfordern, so Jennifer Wilcox, Ver-
fahrenstechnikerin am Worcester Polytechnic Institute. Ein
In nahe gelegenen Kuppeln wird
das Gas mehr als 700 Meter unter
die Erde gepumpt. Dort reagiert es
mit Basaltgestein zu Karbonaten.
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Diese Minerale
sind als helle Stellen
in einer Basaltprobe
zu erkennen.
LIZ TORMES
LIZ TORMES