Täglich aktuelle Nachrichten auf Spektrum.de
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gestreut und dabei in Strahlung niedri
gerer Frequenz umgewandelt.
Bereits 1991 stellten die Physiker
David Seckel, Todor Stanev und Tho
mas Gaisser von der University of
Delaware in den USA die Hypothese
auf, die Sonne könne gleichwohl
Gammastrahlung aussenden – ausge
löst durch die kosmische Strahlung.
Dabei handelt es sich vor allem um
Protonen, also Atomkerne des Wasser
stoffs. Sie werden von den Stoßfron
ten weit entfernter Supernovae oder
anderer explosiver Ereignisse in unser
Sonnensystem katapultiert.
Schleuderfreudiges Magnetfeld
Gelegentlich komme es vor, so damals
das Forschertrio, dass ein Teilchen
aus dem All durch das gewundene,
verdrehte Magnetfeld der Sonne zur
Erde zurückgeworfen werde. »Das
Proton bewegt sich rasant auf die
Sonne zu, ändert in letzter Sekunde
seine Bewegungsrichtung und saust
zu uns zurück«, erläutert John Bea
com, Professor an der Ohio State
University, ein weiterer Autor der
Überblicksarbeit. Auf dem Weg kolli
diere das Proton dann mit Gasmole
külen der Sonnen atmosphäre und
erzeuge dadurch ein ganzes Bündel
von Gammastrahlen.
Seckel und seine Kollegen berech
neten vor einem guten Vierteljahrhun
dert die Effizienz des Prozesses ausge
hend von der Stärke der kosmischen
Strahlung, die in das Sonnensystem
eindringt, der geschätzten Stärke des
solaren Magnetfelds, der Dichte der
Sonnenatmosphäre sowie anderer
Faktoren. Sie sollte bei etwa einem
Prozent liegen. Die Sonne würde
demzufolge im Bereich der Gamma
strahlung nur schwach glimmen.
Doch wie die neuen Daten zeigen,
empfängt das FermiTeleskop im
Mittel siebenmal mehr Gammastrah
len von der Sonne als vorhergesagt.
Jene mit den höchsten Frequenzen
sind sogar 20mal häufiger. »Demnach
wäre der Prozess bei hohen Energien
zu 100 Prozent effizient«, sagt Linden.
»Also würde jedes auf die Sonne
zurasende Teilchen der kosmischen
Strahlung gespiegelt.« Dabei sollte
es eigentlich umso schwieriger sein,
die Bewegungsrichtung eines Teil
chens umzukehren, je höher seine
Energie ist.
Außerdem verrät das Modell von
Seckel, Stanev und Gaisser nichts über
die rätselhafte Lücke im Spektrum der
Gammastrahlung. Seckel kann sich
nicht erklären, wie sich eine tiefe,
schmale Delle bildet, wenn man von
dem gleichmäßig verlaufenden Ener
giespektrum der kosmischen Strah
lung ausgeht. Es sei schwierig genug,
mit den Berechnungen überhaupt eine
Delle zu bekommen: »Höcker sind viel
einfacher zu erhalten. Wenn etwas aus
dem Inneren der Sonne kommt, ist das
schließlich erst einmal eine zusätzliche
Quelle. Aber wie mache ich daraus
eine Strahlungssenke?«
Vielleicht hat die starke Gamma
strahlung ja doch eine andere Ursa
che. Eine Möglichkeit wäre Dunkle
Materie. Diese rätselhafte Substanz
könnte von der Schwerkraft der Sonne
eingefangen werden und sich in ihrem
Zentrum ansammeln. Wird die Dichte
der DunkleMaterieTeilchen hoch
genug, vernichten sie sich vielleicht
gegenseitig und erzeugen dabei
Gammastrahlung. Aber wie sollte die
aus dem Inneren nach außen gelangen,
ohne gestreut und in Strahlung niedri
ger Energie umgewandelt zu werden?
Immerhin weisen einige Aspekte des
Überschusses durchaus in Richtung
kosmischer Strahlung. So registriert
das FermiTeleskop während des
Aktivitätsminimums des elfjährigen
Sonnenzyklus deutlich mehr Gamma
strahlung. In dieser Phase ist das solare
Magnetfeld vergleichsweise ruhig und
geordnet. Dann erreichen mehr kosmi
sche Teilchen das starke Magnetfeld
nahe der Sonnenoberfläche, das sie
reflektiert – und werden nicht bereits in
größerer Entfernung durch verwickelte
Magnetfeldlinien abgelenkt.
Andere Fakten sprechen aber dage
gen: Die Intensität der Gammastrah
lung fällt zwar mit zunehmender Ener
gie ab, allerdings nicht auf die gleiche
Weise wie die kosmische Strahlung.
Würde Letztere die Erstere verursa
chen, dann sollten beide Kurven ähn
lich verlaufen.
Die Vorgänge in der Sonne verraten
etwas über ferne Sterne
Unabhängig von der Ursache erhoffen
sich Sonnenforscher wie Joe Giacalone
von der University of Arizona durch die
Gammastrahlung »fundamentale
Erkenntnisse über die magnetische
Struktur der Sonne«. Die Sonne ist
zwar der am besten untersuchte Stern,
doch ihr Magnetfeld – erzeugt von
einem wogenden Mahlstrom geladener
Teilchen im Inneren – verstehen die
Forscher bislang nicht sehr gut. Des
halb haben sie auch nur ein unklares
Bild davon, wie Sterne allgemein in
dieser Hinsicht funktionieren.
Giacalone verweist beispielsweise
auf die Korona, die dünne Plasmahülle
um die Sonne. Um Teilchen der kosmi
schen Strahlung effizient zu spiegeln,
müsste das Magnetfeld dort seiner
Ansicht nach stärker und anders orien
tiert sein, als Wissenschaftler anneh
men. Andererseits darf das koronale
Magnetfeld nur sehr nah an der Sonne
kräftig ausgeprägt sein. Die Teilchen
würden sonst zu früh abgelenkt und
erreichten nicht die Region der Sonnen
atmosphäre, die dicht genug ist, um die
nötigen Kollisionen zu erzeugen. Be
Gammastrahlung der Sonne ent
steht vermutlich, wenn kosmische
Strahlung im solaren Magnetfeld
abgelenkt wird und mit den Gas
molekülen nahe der Sonnenober
fläche wechselwirkt. Doch uns
erreichen viel mehr dieser ener
giereichen Lichtteilchen, als das
Modell erklären kann.
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