Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1
Angriffspakt gegen Polen
Nr. 34/2019 80 Jahre nach dem Hitler-
Stalin-Pakt rechtfertigen Putin-Getreue
die damalige Aufteilung Osteuropas
zwischen den Diktatoren

Der Zweite Weltkrieg wäre eventuell nicht
ausgebrochen, wenn es den Hitler-Stalin-
Pakt nicht gegeben hätte? Eine recht
eigenwillige Spekulation, denn Hitler woll-
te schon 1938 den Krieg gegen die Tsche-
choslowakei und war sehr ungehalten über
Mussolinis Vermittlung. Nach der Rhein-
landbesetzung, Österreich, München und
der Besetzung der Rest-Tschechei folgerte
Stalin, der Politik des Westens sei zu miss-
trauen, und Hitler, der Westen sei schwach.
Damit waren für ihn die Ziele »Lebens-
raum im Osten« und »Ausmerzung der sla-
wischen Untermenschen« so greifbar, dass
ihn nichts von einem Krieg gegen Polen
abgehalten hätte. Da die Westmächte auch
aufgrund der ideologischen Differenzen
eher zögerlich auf ein Bündnis mit Stalin
hinarbeiteten und Stalin seine Armee ge-
rade enthauptet hatte, schloss er den Pakt
mit Hitler ab, um Raum und Zeit zu ge-
winnen. Rein machtpolitisch war Stalins
Entscheidung richtig, wobei er sicherlich
davon ausging, dass sich das »Dritte Reich«
auf der einen Seite und die Westmächte
auf der anderen aufgrund der Garantien
für Polen in einem Krieg erschöpfen wür-
den und er dann der lachende Dritte wäre.
Michael Graf, Torgelow (Meckl.-Vorp.)

Den Hitler-Stalin-Pakt als singuläres Er-
eignis herauszugreifen und eine Bewer-
tung zu versuchen, greift viel zu kurz. Die
Beziehungen der künftigen Sowjetunion
und Deutschlands beginnen mit dem Son-
derzug durch Deutschland im Jahr 1917,
mit dem Lenin und seine engsten Mitar-
beiter mit Wissen der höchsten deutschen
Stellen nach Finnland gebracht wurden,
und der finanziellen Unterstützung der Re-
volutionäre mit Goldmark in Millionen -
höhe. Die deutsche Strategie war, ein

durch revolutionäre Unruhen geschwäch-
tes Russland würde die deutsche Ostfront
entlasten, um die Kräfte an der Westfront
bündeln zu können. Die Beziehungen
Sowjetrusslands mit Deutschland setzten
sich fort und ermöglichten es Deutschland,
militärische Aufbaupläne unter Umgehung
der Versailler Friedensverträge auf sowjeti -
schem Territorium durchzuführen.
Bernhard Frischhut, Aldrans (Österreich)

Der Hitler-Stalin-Pakt war kein Nichtan-
griffspakt, sondern tatsächlich ein Angriffs-
pakt gegen Polen. Genau so wurde er auch
in die Tat umgesetzt. Am 1. September
1939 überfiel die Wehrmacht Polen von
Westen, drei Wochen später folgte die

Rote Armee und besetzte den Osten Polens
bis zum Bug. Es waren also zwei, näm -
lich Hitler und Stalin, die durch ihre im
Geheimen Zusatzprotokoll vereinbarte
Aufteilung Polens den Zweiten Weltkrieg
ausgelöst haben! Kompliment für diesen
hervorragenden Artikel.
James Siever, München

Die Westmächte wollten, dass Bolschewi-
ken und Faschisten sich zerfleischten, Sta-
lin hoffte auf einen Krieg zwischen West-
mächten und Deutschland. 60 Jahre später
wurde der Molotow-Ribbentrop-Pakt als
Legitimationsstütze für die Nato-Osterwei-
terung gegen Russland benutzt. Wieder
wurde eine Großmacht – diesmal Russ-
land als Verlierer des Kalten Krieges – in
Europa ausgegrenzt. Wieder wurde ein
Cordon Sanitaire von Pufferstaaten, jetzt
die Ukraine und Georgien, um einen ver-
meintlichen Gegner gebildet. Aus Fehlern
der Geschichte muss doch gelernt werden,
und niemand sollte Geschichte als Waffe
nutzen. Polen hätte Putin zum 80. Jahres-
tag des Hitler-Angriffs zu sich einladen
müssen. Und dem russischen Gast wäre
bei dieser Gelegenheit nichts anderes übrig
geblieben, als den Molotow-Ribbentrop-
Pakt entsprechend zu verurteilen.
Alexander Rahr, Deutsch-Russisches Forum, Berlin

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pektlos. Solche Aussagen dienen nicht der
verdienten Wertschätzung und Anerken-
nung der Soldaten.
Dirk Tekath, Recklinghausen (NRW)


Die Bundeswehr umfasst insgesamt
182 832 aktive Soldaten und Soldatinnen,
nicht Hunderttausende.
Oliver Rydzkowski, Hamburg


Mit der Einschätzung, dass die Politik die
Probleme bei der Bahn verursacht, liegen
Sie richtig. Allerdings spricht die flapsige
Oberflächlichkeit Ihrer Meinung nicht da-
für, dass Sie sich gut auskennen. Wer mehr
Wettbewerb für die Lösung hält, hat vom
System Bahn keine Ahnung. Der Wett -
bewerb, Effizienz um jeden Preis, Konkur-
renz um jeden Cent bei der Leistungsver-
gabe im Regionalverkehr und Druck durch
Fernbusse haben das Unternehmen ja
gerade dorthin gebracht, wo es jetzt ist.
Peter Lauterbach, Suhl (Thüringen)


Wohin ein Weg weg von der Staatsbahn
führt, zeigt sich sehr gut in Großbritannien.
Ein positives Beispiel ist dagegen die
Schweiz mit ihrer staatlichen Bundesbahn.
Was wir brauchen, ist ein klares politisches
Bekenntnis zur umweltfreundlicheren
Bahn – und endlich ein Ende ihrer Benach-
teiligung gegenüber Straße und Flugzeug.
Jochen Richter, Karlsruhe


Fahren Sie Bahn? Wie hoch ist Ihrer per-
sönlichen Erfahrung nach der Anteil der
Züge ohne Bordrestaurant in geänderter
Wagenreihung mit Störungen im Betriebs-
ablauf, überfüllt und deutlich verspätet?
Sie haben keine Erfahrungen, oder? Ich
fahre ständig Bahn, viele Tausend Kilome-
ter im Jahr. Ich reserviere mir einen Platz
und arbeite oder entspanne mich während
der Fahrt. Im Bistro hole ich mir ab und
zu das wirklich leckere Käse-Vollkornbrot
und einen Latte Macchiato. Oder ein Bier.
Manchmal geht etwas schief. Dann möchte
ich auch in die Tischkante beißen. Aber
dann rege ich mich wieder ab. Es gibt kei-
ne Alternative: Die Bahn ist schneller, ge-
räumiger, umweltfreundlicher, sauberer
und praktischer, als es mein eigenes Auto
je sein könnte. Billiges Stammtischgeplap-
pere ändert daran nichts. Ich stimme Ihnen


aber zu, dass die Bahn Investitionen
braucht, wenn die Bundeswehr und der
innerdeutsche Flugverkehr auf die Bahn
umsteigen sollen.
Anette Hentschel, Berlin
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