FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft FREITAG, 30. AUGUST 2019·NR. 201·SEITE 17
Lange war Amerika größter
Handelspartner Afrikas. Doch
das ist längst Vergangenheit.Seite 20
Nach dem heiklen Machtkampf in
der Bundesagentur für Arbeit rückt
eine Juristin in den Vorstand.Seite 22
Stühlerücken in der Schweizer
UBS-Bank: Wer gewinnt, wer
verliert?Seite 24
Wettlauf Aufstieg Umbau
E
ine deutsche Eiche haut nichts
um, bis die Säge kommt. Das war
die verbreitete Ansicht, bis vor ein
paar Jahrzehnten der saure Regen
manchem starken Baum den Garaus
gemacht hat. Jetzt ist wieder eine Men-
ge totes Holz zu besichtigen, die Fichte
wird vielerorts notgeschlachtet, und so-
gar die Buche leidet. Schon schrillt der
Alarm: Waldsterben, Teil II. Anlass
zur Panik besteht zwar noch nicht, ver-
trocknet ist bisher ein Prozent der Flä-
che, und der deutsche Wald insgesamt
wächst beständig. Es gibt aber große
regionale Unterschiede mit schlim-
men Folgen für die Betroffenen, weil
sich von Käfer und Pilz zerfressenes
Holz nicht verkaufen lässt. Im Wald su-
chen Wanderer, Radfahrer und Hunde-
halter Erholung, er reinigt die Luft
und speichert Wasser. Von all dem hat
der Besitzer nichts, es ist also verständ-
lich, dass die Geschädigten die Allge-
meinheit zu Hilfe rufen. Wiederauf-
forstung mit trockenresistenten Baum-
arten ist notwendig, das von der Bun-
deslandwirtschaftsministerin angekün-
digte Programm der richtige Weg.
Wenn die Bäume gepflanzt werden,
gilt es dann, die Sünden der Vergangen-
heit zu vermeiden: Falsche Standort-
wahl und Fichten in trostlosen Mono-
kulturen, so weit das Auge reicht.
G
leich mehrere Aufsichtsratsvor-
sitzende sind in den vergange-
nen Monaten in die Schlagzeilen gera-
ten. Etwa Paul Achleitner von der
Deutschen Bank. Der Aktienkurs hat
während seiner Amtszeit fast 80 Pro-
zent verloren. Jetzt drängen mächtige
Investoren auf ein neues Gesicht, an-
geblich sucht er selbst schon seinen ei-
genen Nachfolger. Auch der langjähri-
ge Bayer-Aufsichtsratschef Werner
Wenning muss sich unangenehmen
Fragen stellen, seit sich Bayer mit der
waghalsigen Übernahme von Monsan-
to in eine selbstverschuldete Krise ma-
növriert hat. Wenning ließ seinen
Ziehsohn, den Bayer-Vorstandsvorsit-
zenden Werner Baumann, bekannt-
lich trotz etlicher Warnungen gewäh-
ren und stützt ihn bis heute. Auch
wenn allzu üppige Vorstandsgehälter
ins Scheinwerferlicht der Öffentlich-
keit geraten, kommen Aufsichtsräte re-
gelmäßig in Erklärungsnot, sie haben
diese Verträge schließlich abgesegnet.
Machen deutsche Aufsichtsräte
also gute Arbeit? Zweifel kommen auf
angesichts der vielen Irrtümer, die ih-
nen unterlaufen sind. „Strategie ist Sa-
che des Vorstands“, sagte Achleitner
einmal zu seiner Verteidigung in ei-
nem Interview mit der F.A.Z. Der Auf-
sichtsrat beaufsichtige nur, ob die Stra-
tegie richtig umgesetzt werde.
Viele Investoren wünschen sich stär-
kere Aufsichtsräte. Sie sollen den Vor-
stand auch strategisch beraten, sollen
dessen „Sparringspartner“ sein und
im Zweifelsfall die Reißleine ziehen,
falls die Strategie in die falsche Rich-
tung zielt. Tatsächlich verfügt der Auf-
sichtsrat durchaus über eine Machtfül-
le, die er aber oft gar nicht ausschöpft.
Bei den wichtigsten Geschäften muss
der Vorstand die Zustimmung des Auf-
sichtsrats einholen. Außerdem ent-
scheidet der Aufsichtsrat über die
wichtigsten Personalfragen im Unter-
nehmen und handelt die Verträge mit
den Vorständen aus. Über die Vergü-
tungspolitik setzt er Anreize, welches
Verhalten der Spitzenmanager be-
lohnt und welches bestraft wird.
Dennoch haben Aufsichtsräte in
Deutschland ihre Rolle lange selbst
nicht richtig ernst genommen. Die Zu-
gehörigkeit zu einem Aufsichtsrat sei
früher eher eine Frage des Prestiges
als einer Kontrolle gewesen, sagte ein-
mal Manfred Gentz, der langjährige
Daimler-Finanzvorstand und frühere
Vorsitzende der Corporate-Governan-
ce-Kommission: „Vor allem galt es aus
Sicht der Gesellschaft, sich mit klang-
vollen Namen zu schmücken.“
Gut, dass sich in den vergangenen
Jahren schon einiges verändert hat.
Die Ämterhäufung ist seltener gewor-
den. Das Aktiengesetz erlaubt zwar
noch immer zehn Mandate, der neue
Corporate-Governance-Kodex – das
Benimmbuch für gute Unternehmens-
führung – empfiehlt aber höchstens
fünf, wobei der Aufsichtsratsvorsitz
doppelt zählt. Amtierende Vorstände
sollen höchstens zwei Aufsichtsrats-
mandate in konzernexternen Unter-
nehmen wahrnehmen und keinen Auf-
sichtsratsvorsitz. Die meisten Auf-
sichtsräte erfüllen die Empfehlung
heute schon freiwillig, weil sie selbst
bemerkt haben, dass die Arbeitsbelas-
tung sonst kaum zu stemmen ist. Auch
Investoren drängen darauf, weil sie
wissen, wie wichtig der Posten ist. Die
Aufsichtsratsgremien tagen häufiger
als früher – Multi-Aufsichtsräte sto-
ßen da schnell an ihre Grenzen. Vor al-
lem wenn ein Unternehmen in die Kri-
se gerät, ist von der alten Herrlichkeit
mit nur vier Aufsichtsratssitzungen
im Jahr, auf denen Entscheidungen
oft nur abgenickt wurden, wenig übrig
geblieben. In Krisen wie dem VW-Ab-
gasskandal treffen sich die Aufsichts-
räte und dessen Ausschüsse sogar
mehrfach in der Woche.
Bisweilen stehen harte Entschei-
dungen an. Die Haftung der Aufsichts-
räte hat sich in den vergangenen Jah-
ren erheblich verschärft. Das ist auch
Folge eines Grundsatzurteils des Bun-
desgerichtshofs aus dem Jahr 1997.
Aufsichtsräte müssen im Ernstfall
auch von ihren eigenen Vorständen
Schadenersatz verlangen, falls diese
dem Unternehmen einen Schaden zu-
gefügt haben. Auch wenn die Auf-
sichtsräte aus kollegialer Verbunden-
heit Beißhemmungen haben. Sonst
sind sie womöglich selbst dran und
müssen Schadenersatzklagen von Ak-
tionären fürchten, weil sie ihre Auf-
sichtspflichten verletzen.
Aufsichtsräte müssen um ihren Ruf
kämpfen. Falls sie sich weiterhin so
viele Pannen wie bislang erlauben,
droht ihnen Unheil. Die sorgfältig aus-
tarierte Machtbalance zwischen den
drei Organen Vorstand, Aufsichtsrat
und Hauptversammlung könnte sich
längerfristig zu ihren Lasten verän-
dern. Die EU-Aktionärsrechterichtli-
nie verschiebt die Macht schon weg
vom Aufsichtsrat hin zur Hauptver-
sammlung. Dort sollen die Aktionäre
künftig regelmäßig über die Manager-
gehälter abstimmen – eigentlich war
das lange uneingeschränktes Terrain
der Aufsichtsräte. Zwar behält der
Aufsichtsrat in Deutschland das letzte
Wort und könnte sich über das Votum
der Aktionäre hinwegsetzen, das könn-
te sich langfristig aber auch noch än-
dern. Bisher haben vor allem die Ge-
werkschaften und die SPD eine weite-
re Machtverschiebung zugunsten der
Hauptversammlung verhindert, weil
sie einen Machtverlust des mitbe-
stimmten Aufsichtsrats fürchten. Mit
dem Niedergang der SPD kommt dem
Aufsichtsrat ein Fürsprecher abhan-
den.
S
o viel Zuspruch hat der Wirt-
schaftsminister aus der Unterneh-
merschaft lange nicht bekommen. Mit
den Eckpunkten seiner Mittelstands-
strategie greift Peter Altmaier die drin-
gendsten Anliegen der Familienunter-
nehmen, Handwerker, Start-ups oder
Freiberufler auf. Ihre Verbände hatten
zuletzt laut und berechtigt beklagt, die
große Koalition ignoriere ihre Belan-
ge, selbst der Wirtschaftsminister habe
bloß Konzerne im Blick. Der CDU-
Mann kommt ihnen nun weit entge-
gen: Er will sich nicht nur für die über-
fällige Senkung der Unternehmensteu-
ern einsetzen, sondern stellt auch De-
ckel auf Steuerlast (höchstens 45 Pro-
zent) und Sozialabgaben (höchstens
40 Prozent) in Aussicht, außerdem Bü-
rokratieabbau und einen flexibleren
Arbeitszeitrahmen. Gerade diese Kern-
punkte sind klassische marktwirt-
schaftliche Instrumente, die die Wider-
standsfähigkeit der Unternehmen stär-
ken werden, ohne den Wettbewerb zu
dämpfen. Letzteres war der Pferdefuß
an Altmaiers protektionistischer Indus-
triestrategie im Frühjahr. Doch der bes-
te Plan hilft nichts, wenn keine Taten
folgen. Der Minister hat bisher wenig
durchgesetzt. So schwingt im Lob der
Wirtschaft auch große Skepsis mit, die
Altmaier nicht überhören sollte.
loe.BERLIN, 29. August. Etwa ein hal-
bes Jahr ist es her, da zog Bundeswirt-
schaftsminister Peter Altmaier (CDU)
den Zorn des deutschen Mittelstands auf
sich. In seiner Industriestrategie für das
Jahr 2030 ist viel von nationalen und euro-
päischen „Champions“ die Rede, aber we-
niger von kleinen und mittelgroßen Unter-
nehmen. Nun will Altmaier sie wieder auf
seine Seite ziehen: Am Donnerstag stellte
er zum Auftakt seiner Mittelstandsreise
ein Eckpunktepapier mit dem Titel „Wert-
schätzung, Stärkung, Entlastung“ vor.
Neu ist – womöglich inspiriert von der
Diskussion über den Berliner Mieten-
deckel – der „Steuerdeckel“. Weitere Steu-
ererhöhungen sollen ausgeschlossen, die
Belastung von Personengesellschaften
beim heutigen Spitzenwert von 45 Pro-
zent gedeckelt werden. Viele der übrigen
Punkte in dem zwölfseitigen Papier for-
dert Altmaier hingegen schon länger,
scheitert damit aber bislang beim Koali-
tionspartner, der SPD. Das gilt besonders
für die vollständige Abschaffung des Soli-
daritätszuschlags. „Ein konkretes Endda-
tum ist zwingend festzulegen“, heißt es in
dem Papier. Doch Altmaiers vorherigen
Vorschlag – 2026 – hatte Finanzminister
Olaf Scholz (SPD) kassiert.
Weitere Punkte in dem Papier: Der Steu-
ersatz auf einbehaltene Gewinne soll auf
25 Prozent sinken, die Sozialabgaben sol-
len langfristig unter 40 Prozent gehalten
werden. Anstelle einer täglichen soll eine
wöchentliche Höchstarbeitszeit gelten.
Auch das Bürokratieentlastungsgesetz III
findet sich in dem Papier. Die hohen Rück-
lagen in der Arbeitslosenversicherung sol-
len für eine Beitragssenkung genutzt wer-
den. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
lehnte dies aber sogleich ab.
„99,5 Prozent aller Unternehmen in
Deutschland sind Mittelständler“, betonte
Altmaier. „Sie erwirtschaften rund 35 Pro-
zent des gesamten Umsatzes, stellen
knapp 60 Prozent aller Arbeitsplätze und
über 80 Prozent aller Ausbildungsplätze.“
Seine Reise führt ihn vom Elektronikher-
steller Sennheiser in Wedemark-Wenne-
bostel über ein Blumengeschäft in Wal-
trop bis zu einem Metallbauer in Stendal.
Der Deutsche Industrie- und Handels-
kammertag lobte Altmaiers Eckpunkte.
Die Konjunktur kühle sich ab, das Papier
komme zur rechten Zeit, sagte Präsident
Eric Schweitzer. Auch der Chef des Ver-
bands der Familienunternehmer, der Alt-
maier für seine Industriestrategie am
schärfsten kritisiert hatte, äußerte sich ver-
söhnlich: „Das Strategiepapier zeigt: Der
Minister hat die Nöte des Mittelstands er-
kannt“, sagte Reinhold von Eben-Worlée.
Der Druck auf die Politik wächst, die deut-
sche Wirtschaft ist im zweiten Quartal
nicht mehr gewachsen, sondern leicht ge-
schrumpft; und viel deutet darauf hin, das
sich der Abschwung im laufenden dritten
Quartal fortsetzt.
Der Bundesverband der Deutschen In-
dustrie verwies darauf, dass die Vorschlä-
ge allein nicht ausreichten. „Entscheidend
ist, diese wirkungsvoll und gegen politi-
schen Widerstand umzusetzen.“ Ähnlich
äußerte sich die Stiftung Familienunter-
nehmen. Sie verwies darauf, dass Deutsch-
land im Vergleich der Standortbedingun-
gen von 21 Industrienationen um vier Plät-
ze auf Rang 16 zurückgefallen sei. Die
Wirtschaft wünscht sich vor allem eine Un-
ternehmensteuerreform, wie es sie in den
Vereinigten Staaten gegeben hat. Der Ar-
beitgeberverband BDA forderte zudem we-
niger Hürden für befristete Arbeitsverträ-
ge.
Der Zentralverband des Deutschen
Handwerks warb dafür, Ausbildungsbetrie-
be gezielt zu entlasten. Die von Altmaier
versprochene Rückkehr zur Meisterpflicht
in einigen Berufen ist eine Forderung, die
der Handwerksverband schon länger äu-
ßert. „Der Mittelstand hat lange auf ein
solches Reformpaket gewartet“, sagte
Carsten Linnemann, der die Wirtschafts-
vereinigung der Union leitet. Zehn Jahre
Sozialstaatsausbau seien genug.
Taten für den Mittelstand
Von Heike Göbel
Der moderne Aufsichtsrat
Von Tillmann Neuscheler
Die Machtbalance in
Unternehmen könnte sich
langfristig zu Lasten der
Aufsichtsräte ändern.
Altmaier umgarnt Mittelstand mit Steuerdeckel
Wirtschaftsminister stellt Entlastung in Aussicht / Kann er die SPD überzeugen?
mos. BUENOS AIRES, 29. August. Ar-
gentinien kann seine Staatsschulden of-
fenbar nicht mehr pünktlich bedienen.
Der neue Finanzminister Hernán Lacun-
za kündigte am Mittwoch an, Argenti-
nien werde kurzfristige Schuldtitel über
rund 7 Milliarden Dollar später als ver-
einbart zurückzahlen. Zudem will die Re-
gierung Verhandlungen mit den Gläubi-
gern von längerfristigen Anleihen über
eine freiwillige Streckung der Rückzah-
lungen aufnehmen. Fällig werdende Zins-
kupons und die Höhe des geschuldeten
Kapitals sollen davon nicht berührt wer-
den, versicherte Lacunza. Auch mit dem
Internationalen Währungsfonds (IWF)
will die Regierung über eine Streckung
der Rückzahlungsfristen verhandeln.
Argentiniens Finanzkrise hat sich
nach dem überraschend klaren Sieg des
Oppositionskandidaten Alberto Fernán-
dez bei den Vorwahlen am 11. August
dramatisch zugespitzt. Anleger befürch-
ten nach einem jetzt wahrscheinlichen
Sieg der Peronisten bei der Wahl Ende
Oktober einen radikalen Kurswechsel
der Wirtschaftspolitik wie etwa eine
Rückkehr von Beschränkungen des Devi-
sen- und Kapitalverkehrs. Fernández hat
mehrfach erklärt, dass Argentinien über
neue Bedingungen für seine Schulden
verhandeln müsse. Die gegenwärtigen
Verpflichtungen seien so wie vereinbart
nicht bezahlbar. Der Peso verlor seit der
Vorwahl gegenüber Dollar und Euro
mehr als ein Fünftel seines Wertes. Ren-
diten von durchschnittlich mehr als 40
Prozent für argentinische Dollaranleihen
mit bis zu drei Jahren Laufzeit signalisie-
ren eine hohe Wahrscheinlichkeit von
Zahlungsausfällen. Argentiniens Staats-
schulden belaufen sich auf 334 Milliar-
den Dollar, das entspricht fast 90 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts. Drei Viertel
der Schulden entfallen auf fremde Wäh-
rungen.
Lacunza sagte, Argentinien habe kein
Problem der Solvenz, sondern der kurz-
fristigen Liquidität. Es gehe darum, in
der Zeit bis zum Regierungswechsel die
Stabilität der Währung und der Devisen-
reserven zu wahren. Zur Streckung der
Fälligkeiten von Auslandsanleihen will
die Regierung Verhandlungsmöglichkei-
ten im Rahmen von Kollektivklauseln in
den Anleihebedingungen nutzen. Die
Verhandlungen mit dem IWF könnten
„unbestreitbar“ erst nach dem für Dezem-
ber anstehenden Regierungswechsel ab-
geschlossen werden. Das laufende Bei-
standsabkommen werde davon aber
nicht betroffen. Argentinien erwarte die
Auszahlung einer weiteren Tranche über
5,4 Milliarden Dollar Mitte September,
da bisher alle mit dem IWF vereinbarten
Ziele eingehalten worden seien. Erst
nach dem überraschenden Vorwahlsieg
der Opposition seien neue Finanzturbu-
lenzen ausgebrochen. Der IWF äußerte
sich in einer Mitteilung eher zurückhal-
tend. Man werde die Ankündigungen der
Regierung „analysieren und evaluieren“.
Am Ende bekräftigt der Fonds jedoch, er
stehe in diesen herausfordernden Zeiten
weiterhin an der Seite Argentiniens.
Analysten der amerikanischen Bank
J.P. Morgan zeigten sich von den Ankün-
digungen Lacunzas überrascht. Der Um-
schuldungsplan sei eine Mischung aus
Zwangsmaßnahmen und Angeboten zur
freiwilligen Änderung der Zahlungsfris-
ten. Einige der Maßnahmen seien als se-
lektiver Zahlungsausfall zu werten, mein-
ten Finanzexperten.
Der von der ehemaligen Präsidentin
Cristina Kirchner auserkorene Opposi-
tionskandidat Fernández wollte sich zu
den Regierungsplänen vorerst nicht äu-
ßern. Die Linksperonistin Kirchner, die
neben Fernández für die Vizepräsident-
schaft kandidiert, hat seit dem Erdrutsch-
sieg des Duos bei den Vorwahlen dem
moderaten Fernández das Feld überlas-
sen. Der zeitweise eher kompromissbe-
reit auftretende Fernández war nach ei-
nem Treffen mit Vertretern des IWF die-
se Woche wieder auf einen harten Kon-
frontationskurs gegenüber der Regie-
rung und dem Währungsfonds ge-
schwenkt. Der Wirtschaftskurs der Regie-
rung und die Empfehlungen des IWF ent-
sprächen in keiner Weise den Plänen der
Opposition. Der IWF habe mit seinen
großzügigen Kredithilfen an die Regie-
rung von Präsident Mauricio Macri ledig-
lich die Kapitalflucht aus Argentinien fi-
nanziert und damit gegen seine eigenen
Statuten verstoßen. 80 Prozent des 2018
vereinbarten Kredits über 57 Milliarden
Dollar wurden an die amtierende Macri-
Regierung vergeben, ein ebenso hoher
Prozentsatz müsste von der nächsten Re-
gierung zurückgezahlt werden. Dies ist
nun offensichtlich nicht mehr möglich.
Waldesfrust
Von Lukas Weber
loe.BERLIN,29. August. An dramati-
schen Worten mangelte es nicht, als Bun-
deslandwirtschaftsministerin Julia Klöck-
ner (CDU) am Donnerstag über den Zu-
stand des deutschen Waldes berichtete.
Viele Birken hätten jetzt schon gelbe Blät-
ter, hundert Jahre alte Buchen vertrockne-
ten. Mehr als 110 000 Hektar Fläche sei-
en schon verloren wegen der Trockenheit,
der Borkenkäfer und der Waldbrände, die
es vielerorts gab. „Wir haben eine Zäsur
im Wald“, so Klöckner.
Nun plant sie ein Programm zur Wie-
deraufforstung, dessen Eckpunkte bis
zum Waldgipfel am 25. September stehen
sollen. Das Ziel ist, dass die in Deutsch-
land so verbreiteten Wälder mit Nadelhöl-
zern durch Mischwälder abgelöst werden,
die mit dem Klimawandel besser umge-
hen können. „Hätten wir den deutschen
Wald nicht, dann hätten wir 14 Prozent
mehr CO 2 -Emissionen“, betonte Klöck-
ner. Mehr als eine halbe Milliarde Euro
sind nach ihrer Hochrechnung nötig, um
das tote Holz aus den Wäldern zu schaf-
fen und die leeren Flächen wieder aufzu-
forsten. Ob das Geld wie geplant aus dem
mit 4,5 Milliarden Euro gut gefüllten Kli-
maschutzfonds der Bundesregierung kom-
men wird, ist noch offen. „Ich habe breite
Zustimmung aus den Fraktionen bekom-
men“, sagte Klöckner. Die Verhandlun-
gen laufen, spätestens in der nächsten Sit-
zung des Klimakabinetts am 20. Septem-
ber dürfte dies ein Thema sein.
Fürs Erste stehen nach Klöckners Wor-
ten 50 Millionen Euro bereit, um die Schä-
den zu beseitigen. Allein durch Brände
sei in den Wäldern eine Fläche von 3300
Fußballfeldern verlorengegangen. Die
Diskussionen, welche Baumarten jetzt
am besten angepflanzt werden sollten,
laufen. Andreas Bolte, Leiter des zum Mi-
nisterium gehörenden Thünen-Instituts,
verwies unter anderem auf die Douglasie,
die Flaumeiche und die in Ungarn verbrei-
tete Traubeneiche. Es helfe aber nichts,
einzelne Baumarten zu verdammen und
andere zu propagieren. Wichtig sei ein in-
dividueller Mix je nach Lage eines Wal-
des und der dortigen Witterung. An Setz-
lingen, das wurde bei einem Gespräch der
Ministerin mit diversen Verbänden deut-
lich, mangelt es nicht. Eine Milliarde da-
von stehen demnach in den Baumschulen
bereit. Sollen ausländische Arten ange-
pflanzt werden, gibt es allerdings oftmals
Hürden, weil Samen nicht ein- oder ausge-
führt werden dürfen.
Mit 11,4 Millionen Hektar ist knapp
ein Drittel der Fläche Deutschlands mit
Wald bedeckt. Ein Viertel davon nimmt
die Fichte ein, sie ist die häufigste Baum-
art in Deutschland. Allerdings ist sie auch
anfällig: Gegen Schädlinge wie den Bor-
kenkäfer wehrt sich die Fichte, indem sie
Harz bildet. Das kann sie aber nur, wenn
sie genug Feuchtigkeit hat. An zweiter
Stelle der Baumsorten folgt mit 2,4 Millio-
nen Hektar die Kiefer, ebenfalls ein Nadel-
gehölz. 48 Prozent des deutschen Waldes
sind in Privateigentum, die andere Hälfte
gehört den Ländern, den Kirchen und
dem Bund. Klöckner sagte, sie sei sich der
„Vorbildfunktion“ des Bundes bewusst.
Ein Großteil der Waldeigentümer hat nur
kleinere Flächen, was eine koordinierte
Wiederaufforstung erschwert.
Sie kritisierte, dass einige Bundeslän-
der einen Einstellungsstopp für Forstper-
sonal verhängt hätten. Wenn es um die
Wiederaufforstung geht, kann sich Klöck-
ner auch „eine Art Bürgerinitiative“ vor-
stellen – Bürger, die unter Anleitung von
Fachleuten die neuen Bäume anpflanzen.
So manche Schulklasse hat der Ministerin
offenbar schon einen Brief mit einem ent-
sprechenden Angebot geschickt. Aller-
dings können neue Bäume erst gepflanzt
werden, wenn umgefallene und von
Schädlingen befallene Exemplare wegge-
räumt sind. Auch muss der Boden ausrei-
chend feucht sein. Sonst könnten die Bäu-
me nicht anwachsen und „ich verbuddele
Geld“, warnte Klöckner.
Über die Summen dürfte in den kom-
menden Wochen noch ausgiebig ge-
feilscht werden. Die Verbände der Wald-
wirtschaft haben bereits Unterstützung in
Höhe von 2,3 Milliarden Euro gefordert.
Die Grünen verlangen einen „Waldzu-
kunftsfonds“ von einer Milliarde Euro.
Ein strittiger Punkt ist auch, wie viel
Wald sich selbst überlassen bleiben soll.
Umweltverbände fordern, dass es mindes-
tens 10 Prozent sein sollten. Nach Anga-
ben des Landwirtschaftsministeriums
sind es aktuell 5,6 Prozent.
Der deutsche Wald soll weniger trinken
Das tote Holz muss raus und neue Bäume sollenmit Trockenheit besser umgehen
Argentinien muss seine Schulden strecken
Bange Blicke:Ein Aktienhändler an der Börse von Buenos Aires Foto AFP
Der Finanzminister
gibt kurzfristige
Zahlungsprobleme
zu. Auch mit dem
Internationalen
Währungsfonds will
Argentinien über seine
Schulden verhandeln.