Doch der Wind hat sich gedreht – neben der US-
Notenbank Fed dürften auch die Europäische
Zentralbank und möglicherweise die Schweizeri-
sche Nationalbank ihre Zinsen senken. Das
schmälert die Erträge im Zinsgeschäft. Dazu kom-
men die Angst vor einer empfindlichen Konjunk-
turabkühlung und die drohenden Handelskriege,
die viele Kunden verunsichern. Die Ziele von UBS
„scheinen nicht mehr glaubwürdig“, warnten die
Analysten der US-Bank Citi nach der Präsentation
des Zwischenergebnisses.
Nach Informationen des Handelsblatts sprach
Blessing bereits im Juni dieses Jahres mit Vor-
standschef Ermotti über seinen jetzt verkündeten
Abschied – also bevor sein Nachfolger Khan im Juli
überraschend bei der Credit Suisse gekündigt hat-
te. Blessing habe noch keinen neuen Job und su-
che nach einer unternehmerischen Heraus-
forderung, heißt es in Finanzkreisen.
Eigentlich passt es nicht zu Bles-
sings Charakter, aufzugeben. Un-
zählige Male galt er in seiner
Zeit als Commerzbank-Sanie-
rer als angezählt, nie trafen
die Gerüchte zu. Als Bles-
sing die Frankfurter Bank
dann doch verließ, tat er es
erst, nachdem ihm der Auf-
sichtsrat eine Vertragsverlän-
gerung angeboten hatte. Das
wirkte so, als hätte er es noch
einmal darauf angelegt, klarzu-
stellen, wer hier wem abgesagt
hatte. Auch bei der UBS, so sagt es ei-
ner, der ihn kennt, sei es Blessing wichtig
gewesen, aufrecht und selbstbestimmt zu gehen.
Schwächelnde Kernsparte
Dem Klischee des steifen Schweizer Bankiers hat
Blessing nie entsprochen. „Er ist unprätentiös und
hat viele Freunde in der Organisation“, heißt es in
der Bank. Junge Mitarbeiter habe er ebenso ernst
genommen wie die Älteren. Das sei aber „vielleicht
nicht überall gut angekommen, gerade bei den
Etablierten“. Ein Grund für seinen Abgang sei, dass
er die Organisation nicht so schnell verändern
konnte, wie er es für nötig gehalten habe.
Jetzt soll Neuzugang Khan zusammen mit Naratil
den Umbau der UBS-Vermögensverwaltung vollen-
den. Das ist keine leichte Aufgabe, denn die Inte-
gration der beiden Einheiten des Kerngeschäfts der
Bank ist noch immer eine Baustelle. Weber und Er-
motti haben sich entschlossen, das ehemalige We-
alth Management und die vormalige Einheit Wealth
Management Americas, für die Naratil verantwort-
lich war, zusammenfassen.
Der Umbau soll bis 2021 Synergien von 600 Mil-
lionen Dollar bringen. Experten warnen allerdings,
dass das schwierig werden könnte, weil sich die
Geschäftsmodelle der beiden Divisionen stark un-
terscheiden.
Die Ernennung von Khan und der Abgang von
Blessing waren nicht die einzigen Spitzenperso-
nalien, die die UBS zu verkünden hatte. Auch in
der Vermögensverwaltung für institutionelle
Anleger wie Versicherungen oder Pensions-
fonds (Asset-Management) kommt es zu einem
Führungswechsel. Dort gibt der 57-jährige Ul-
rich Körner seinen Posten an die ehemalige Ci-
tigroup-Managerin Suni Harford ab, die vor we-
nigen Jahren zur UBS gewechselt war. Harford
ist damit eine von zwei Frauen in der 13-köpfi-
gen Geschäftsleitung des Schweizer Geldhauses.
Chief Operating Officer Sabine Keller-Busse
übernimmt zusätzlich zu ihrer Funktion Kör-
ners Rolle als UBS-Präsident für die Region
Europa, den Nahen Osten und Afrika. Einige Be-
obachter räumen auch Keller-Busse Chancen
auf die Nachfolge von Ermotti ein, ob-
wohl sie mit 54 Jahren zu einer ähn-
lichen Altersklasse gehört wie
Blessing und Körner. Auch die
frischgebackene UBS-Euro-
pachefin Christine Novako-
vic könnte sich Hoffnun-
gen machen.
Auf die erneuerte Füh-
rungsmannschaft kommt
jede Menge Arbeit zu,
denn am Aktienkurs lässt
sich ablesen, dass die Ver-
mögensverwaltung nicht
das einzige Problem ist, das
der UBS zu schaffen macht. Mit
einem Wertverlust von fast einem
Drittel in den vergangenen zwölf Mo-
naten zählt die Aktie der Großbank zu den
schwächsten Titeln im Schweizer Leitindex SMI.
Zeitweise kosteten die Papiere in den vergange-
nen Wochen keine zehn Franken mehr.
Der wahrscheinlich schwerste Rückschlag,
den Ermotti und Weber in den vergangenen
Monaten wegstecken mussten, war ein französi-
sches Gerichtsurteil aus dem Februar. Die Pari-
ser Richter hatten die Schweizer Bank wegen
Steuerhinterziehung zur Zahlung von insgesamt
4,5 Milliarden Euro verurteilt, weil die UBS ih-
ren Kunden geholfen haben soll, deren Vermö-
gen vorbei an den französischen Steuerbehör-
den in der Schweiz zu verstecken. Die Bank be-
streitet die Vorwürfe und hat Berufung
eingelegt. Angesichts der drohenden Milliarden-
strafe musste die UBS dennoch etwa 450 Millio-
nen Euro für Prozessrisiken in ihrer Bilanz zu-
rückstellen.
Auf der Hauptversammlung des Schweizer
Geldhauses in Basel stimmten die Aktionäre im
vergangenen Mai vor allem wegen dieses Urteils
gegen die Entlastung der gesamten Führungs-
mannschaft für das vergangene Jahr. Ein Rück-
schlag, den das neue Leitungsteam inklusive
Jungstar Khan nun wieder ausbügeln soll.
UBS
Aktienkurs
in Schweizer Franken
- Halbjahr
15,8
Mrd. US$ Mr14,8d. US$
8,57
4,58
1,91
0,9 3
8,06
3,84
1,92
0,9 2
2,95
Mrd. US$ Mrd. US$2,53
Nettoergebnis
Gesamterträge
2018
darunter*:
Asset
Management
Personal &
Corporate
Banking
Investment-
Bank
Global Wealth
Management
10,41
sfr
HANDELSBLATT • *Ohne Konsolidierung • Quellen: Bloomberg, Unternehmen
1.1.2019 29.8.
13,5
12,5
11,5
10,5
,5
2019
-12
PROZENT
- um diesen Wert sank das Ergeb-
nis der Vermögensverwaltungs-
sparte der UBS im ersten Halbjahr
des laufenden Jahres.
Quelle: Unternehmen
Iqbal Khan
Kronprinz
von Beruf
V
or seinem Jobwechsel hat sich Iqbal Khan
noch einmal einen Sommerurlaub in den
USA gegönnt. Inzwischen ist der ehemali-
ge Credit-Suisse-Topmanager wieder zurück,
und plötzlich ging alles ganz schnell. Seit Don-
nerstag ist klar, dass der 43-Jährige beim Schwei-
zer Bankriesen UBS einsteigt: als Mitglied der
Konzernführung und als Co-Chef des wichtigsten
Bereichs, der Vermögensverwaltung. Damit
schlüpft Khan auch in die Rolle eines Kronprin-
zen für die Nachfolge von UBS-Vorstandschef
Sergio Ermotti. Eine Rolle, die er bereits kennt.
Bei seinem alten Arbeitgeber, dem UBS-Erzriva-
len Credit Suisse, wurde der Schweizer mit pa-
kistanischen Wurzeln als Nachfolger von Vor-
standschef Tidjane Thiam gehandelt.
Seit seinem überraschenden Abschied von der
Credit Suisse im Juli galt Khan als einer der be-
gehrtesten eidgenössischen Banker. Er war einer
der Favoriten für den Chefposten der Privatbank
Julius Bär, wo letztendlich doch ein interner
Kandidat aufrückte. Bis zuletzt soll er Finanz-
kreisen zufolge auch mit einer US-Bank verhan-
delt haben, bevor er sich dann für die UBS ent-
schied.
Khan hat eine ungewöhnliche Karriere hin-
ter sich. Mit zwölf Jahren zog er mit seiner Fa-
milie in die Schweiz, aus der pakistanischen
Millionenmetropole Karachi ins ländliche Dü-
bendorf im Kanton Zürich. Der Grund für den
Umzug Ende der Achtzigerjahre waren die po-
litischen Wirren in Pakistan. Sein Vater, ein
Kaufmann, stammt aus dem Land, die Mutter
ist Schweizerin. Seine Laufbahn in der Wirt-
schaft startete Khan als Treuhänder und Wirt-
schaftsprüfer, ab 2001 bei Ernst & Young, für
die er unter anderem auch die Bücher seines
neuen Arbeitgebers UBS prüfte.
2013 wechselte Khan in die Bankenbranche
und stieß als Finanzchef des Bereichs Private
Banking & Wealth Management zur Credit Suis-
se. Den entscheidenden Schub bekam seine Kar-
riere, als Tidjane Thiam, der damalige Chef des
britischen Versicherers Prudential, in die
Schweiz wechselte, mit dem klaren Auftrag, die
Credit Suisse zu sanieren.
Thiam beförderte den erst 39 Jahre alten Khan
zum Chef der neuen Division International
Wealth Management (IWM). Die gilt neben dem
Schweizgeschäft unter der Führung von Thomas
Gottstein als Rückgrat der Großbank. Die Sparte
verzeichnete unter Khans Führung milliarden-
schwere Neugeldzuflüsse und konnte die Profita-
bilität verdoppeln. 2018 erreichte der Bereich
IWM einen Vorsteuergewinn von 1,7 Milliarden
Franken, für Khan arbeiteten 1 150 Kundenbera-
ter in 28 Ländern.
Glaubt man Schweizer Medien, dann wurde
Khan von seinen Mitarbeitern bei der Credit
Suisse regelrecht verehrt. Der Manager gilt als
smart, geschmeidig auf dem gesellschaftlichen
Parkett und als Familienmensch, dem aller-
dings ein Hang zum Luxus, zu schnellen Autos
und teuren Uhren nachgesagt wird. Außerdem
gilt Khan als ausgesprochen ehrgeizig. In der
Schweiz wird kolportiert, dass seine Ambi-
tionen zu einem Zerwürfnis mit Bankchef
Thiam führten und damit den Abschied
von der Credit Suisse einläuteten. Die Rol-
le des Kronprinzen nimmt Khan jetzt mit
zu seinem neuen Arbeitgeber. Dort
müssen sich Thronanwärter aller-
dings traditionell erst einmal ei-
nige Jahre bewähren. Der neue
Mann wird seinen Ehrgeiz also
noch etwas zügeln müssen.
Michael Maisch
Iqbal Khan:
Der ehemalige
Credit-Suisse-
Manager gilt als
ausgesprochen
ehrgeizig.
Finanzen & Börsen
WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167^25
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