Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

(nextflipdebug2) #1

10 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST


ichael Kretschmer steht
unter Strom. In der letz-
ten Woche vor der Land-
tagswahl kämpft der Mi-
nisterpräsident von Sach-
sen um Wählerstimmen; zeitweise
drohte die AfD stärkste Kraft zu wer-
den. Ein Thema: Die aktuelle Diskussi-
on, dass viele ostdeutsche Regionen den
Anschluss verlieren könnten. Michael
Hüther, Direktor des Instituts der deut-
schen Wirtschaft Köln (IW), hat diese
Debatte mit befeuert. In einer großen
Studie warnte sein Institut jüngst vor
dem Verfall jeder fünften Region.

VON TOBIAS KAISER
UND CLAUS CHRISTIAN MALZAHN

WELT AM SONNTAG:Herr Hüther, das
IW warnt, dass jede fünfte Region
wirtschaftlich den Anschluss verliert.
Die Trennlinien verlaufen längst
nicht mehr nur zwischen Ost und
West. Führen wir die falsche Debatte?
MICHAEL HÜTHER:Wir haben uns da-
ran gewöhnt, in Ost-West-Gegensätzen
zu denken, aber die wirtschaftliche Rea-
lität hierzulande ist viel komplexer.
Vom Verfall betroffene Regionen sind
über das ganze Land verstreut und ha-
ben unterschiedliche Probleme zu be-
wältigen. Das Ruhrgebiet oder das Saar-
land beispielsweise kämpfen seit Jahr-
zehnten mit einem schlecht bewältigten
Strukturwandel. In einigen Gebieten in
Ostdeutschland hingegen altert und
schrumpft die Bevölkerung sehr stark,
was die wirtschaftliche Entwicklung
dort beeinträchtigt.

Sie sagen, die Probleme in Ruhrgebiet
und Saarland gibt es seit Jahrzehnten.
Warum geht dort nichts voran?
HÜTHER:Beide Regionen haben ein
rund 60 Jahre zurückreichendes Pro-
blem. Das Saarland ist 1957 der Bundes-
republik zu den falschen ökonomischen
Bedingungen beigetreten. Und es hat im
Grunde drei Jahrzehnte gedauert, das

wieder auszugleichen. Im Ruhrgebiet
hat die Kohlekrise schon 1958 begonnen,
aber erst 2018 wurde der letzte Stein-
kohle-Schacht geschlossen. Die Politik
hat dort über viele Jahrzehnte die Koh-
leförderung mit Milliardensubventio-
nen erhalten und viel zu spät begonnen,
stattdessen etwas Neues aufzubauen.
Dabei braucht erfolgreicher Struktur-
wandel einen langen Atem, das dauert.

Elf der 19 Problemregionen, die das
IW identifiziert hat, liegen im Osten,
zwei in Sachsen, nämlich die Oberlau-
sitz und Südsachsen. Welche Mög-
lichkeiten hat ein Ministerpräsident,
gegenzusteuern, um die Fehler zu ver-
meiden, die im Ruhrgebiet und im
Saarland gemacht wurden, Herr
Kretschmer?
MICHAEL KRETSCHMER:Wir sollten
aufhören, alle Regionen über einen
Kamm zu scheren, sondern ganz be-
wusst an den jeweiligen Orten die Po-
tenziale fördern, die da sind. Die Aufga-
be der Politik ist es dabei, für eine gute
und funktionierende Infrastruktur zu
sorgen. Wir müssen die Regionen, die
bisher nicht ausreichend erschlossen
sind, zügig in die Verkehrsnetze brin-
gen. Vor allem brauchen wir künftig viel
mehr öffentlichen Personennahverkehr,
damit das Land als Wohnraum wieder
attraktiv wird. Junge Leute sind bereit,
in Sachsen aufs Land zu ziehen, aber
nur, wenn sie mit der S-Bahn nach Dres-
den, Chemnitz oder Leipzig pendeln
können. Für den Klimaschutz ist es
wichtig, in Infrastruktur zu investieren,
damit Menschen Alternativen zum Auto
haben. Das ist viel besser, als den Bür-
gern immer wieder mit neuen Steuern
und Verboten zu drohen.

Aufgabe des Staates ist also Infra-
struktur und damit basta?
KRETSCHMER: Infrastruktur, Breit-
bandausbau und Wissenschaft, darum
kann der Staat sich kümmern. Ebenso
können wir die Ansiedlung von Unter-

nehmen fördern und unterstützen.
Aber dafür ist ein langer Atem nötig. Ich
gebe Ihnen ein Beispiel. Sachsen hat im
Jahr 2001 erkannt, dass das Bundesland
bei der Biotechnologie wenig zu bieten
hat. Damals wurden jeweils 200 Millio-
nen D-Mark in Leipzig und Dresden in-
vestiert, um dort eine Biotech-Industrie
anzusiedeln. Heute, 18 Jahre später, ha-
ben wird dort ganz viele Start-ups in
diesem Bereich. Aber dafür waren bei-
nahe zwei Jahrzehnte nötig.
HÜTHER:Und wir brauchen überall
schnelle Netze und flächendeckend ul-
traschnelles Breitband. Das wird künf-
tig zur Daseinsvorsorge gehören.

Offensichtlich sind wir von den
gleichwertigen Lebensverhältnissen,
die im Grundgesetz postuliert wer-
den, weit entfernt. Ein Stück weit ist
das auch natürlich. Es wird immer
Unterschiede beim Einkommen und
bei der Wertschöpfung geben. Sollte
die Politik das nicht ehrlich zugeben?
KRETSCHMER: Ganz grundsätzlich:
Gleichwertige Lebensverhältnisse ha-
ben hierzulande Verfassungsrang, und
wir haben überall in Deutschland
gleichwertige Lebensverhältnisse. Die
messen wir nicht am individuellen Ein-
kommen, sondern am Zugang zu Bil-
dung, zu Kindergärten, zur gesundheit-
lichen Versorgung und an Umweltstan-
dards, die überall gleich gelten. Was wir
machen müssen, ist die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit vieler Regionen zu
verbessern, und da kommen wir voran.
Die wirtschaftliche Situation in Ost-
deutschland hat sich in den vergange-
nen fünf bis zehn Jahren dramatisch
verbessert. Wir brauchen beispielswei-
se jetzt in allen Regionen in Sachsen
Fachkräftezuwanderung aus dem Aus-
land, so gut geht es der Wirtschaft.
HÜTHER:Man muss die Situation in
Ostdeutschland wirklich differenziert
betrachten. Seit 2011 ziehen mehr Men-
schen nach Sachsen als das Bundesland
verlassen, das gleiche Muster beobach-

M


Vor allem im Osten kämpfen Regionen


gegen den wirtschaftlichen Verfall.


Wie lässt sich gegensteuern? Sachsens


Ministerpräsident Michael Kretschmer


und Ökonom Michael Hüther warnen


vor Klischees im Wahlkampf


Michael Kretschmer, 44, ist seit
gut anderthalb Jahren Minister-
präsident von Sachsen.Sein
Vorgänger Stanislaw Tillich hat-
te den CDU-Politiker im Oktober
2 017 als Nachfolger vorgeschla-
gen. Tillich selbst war nach der
Bundestagswahl 2017
zurückgetreten, als die AfD die
CDU als stärkste Partei im Land
Sachsen abgelöst hatte. Am
1. September wird in Sachsen
ein neuer Landtaggewählt; seit
2 014 regiert dort die CDU mit
der SPD. Derzeit ist die CDU in
den Umfragen stärkste Kraft
vor der AfD.

Michael Kretschmer
Ministerpräsident

Michael Hüther, 57, ist seit 2004
Direktor des Instituts der
deutschen Wirtschaft(IW).
Er studierte in Gießen und in
Norwich Ökonomie und Neuere
Geschichte und promovierte
1 990 in VWL. Danach arbeitete
er beim Sachverständigenrat
zur Begutachtung der gesamt-
wirtschaftlichen Entwicklung,
dem Rat der so genannten
Wirtschaftsweisenund stieg
dort zum Generalsekretär auf. Im
Jahr 1999 wurde er Chefvolkswirt
der Dekabank, die zur Sparkas-
sengruppe gehört. Das IW wird
von Unternehmen und Arbeit-
gebern finanziert.

Michael Hüther
Direktor IW

„Nur mit


eigenen Leuteneuten


geht es nicht“ eht es nicht“


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blem. Das Saarland ist 1957 der Bundes-

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