Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

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WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 13


s war eine unangenehme
Begegnung für Boris
Johnson. Anfang 2016,
damals noch Bürger-
meister von London,
spazierte er durch New York, eini-
ge Fotografen im Schlepptau.
„Plötzlich lief eine junge Frau auf
mich zu und rief ,Hey, sind Sie Do-
nald Trump?‘ Das war ein ganz
schlimmer Moment.“ Zumal der
Konservative sich kurz zuvor mit
dem Republikaner angelegt hatte,
weil dieser im US-Wahlkampf auf
London und seine angeblichen
„No-Go-Zonen“ geschimpft hatte.
„Ich fürchte auch einige Ecken von
New York, weil ich da Donald
Trump über den Weg laufen könn-
te“, schimpfte Johnson zurück.

VON STEFANIE BOLZEN

Seither ist die Welt eine andere
geworden. Trump ist US-Präsi-
dent, Johnson britischer Premier,
und an diesem Sonntag werden
beide am Rande des G-7-Gipfels
gemeinsam frühstücken. „Er wird
ein großartiger Premier sein. Er
wird einen fantastischen Job ma-
chen, ich kenne ihn. Er ist ein
Freund von mir“, schwärmte
Trump Anfang der Woche von dem
Briten. Für Johnson ist das Verhält-
nis zu Washington enorm wichtig.
Eine enge Anbindung an die Ame-
rikaner, die „special relationship“,
gehört zur DNA der Tory-Partei,
deren Basis noch nie viel für die
Europäische Union übrig hatte. Die
Hoffnungen auf die Rückkehr zu
altem transatlantischen Glanz sind
groß, zumal Trump von Beginn an
großer Fan des EU-Ausstiegs war.
Seit seinem Amtsantritt verspricht
er London vollmundig „einen fan-
tastischen, großen Deal“. Wie fan-
tastisch dieser wirklich wird, darü-
ber hängt angesichts von Trumps
beinhartem Protektionismus je-
doch ein dickes Fragezeichen.

Weshalb die Beziehung zu
Trump für Johnson eine heikle Ba-
lance bedeutet. Denn sowohl im ei-
genen Land als auch unter den eu-
ropäischen Partnern herrscht Arg-
wohn in Hinsicht auf Johnsons
„spezielle Freundschaft“ zum
Amerikaner. Zwischenzeitlich hieß
es in London sogar, der neue Pre-
mier werde als erstes nach Wa-
shington fliegen und nicht nach
Europa. Das hat Johnson letztlich
nicht getan, in der vergangenen
Woche stattete er als erstes Angela
Merkel einen Besuch ab, bevor er
zu Frankreichs Präsidenten Emma-
nuel Macron reiste.

EUROPA NÄHER ALS DEN USA
Die Verhandlungen um den Brexit
müssen Johnsons klare Priorität
sein. Die Zeit bis zur Ausstiegsfrist
am 31. Oktober ist denkbar knapp,
und der Tory-Chef will mit allen
Mitteln doch noch einen Deal be-
kommen. Er kennt bei allem
Schwärmen über die „großen
Chancen“ eines von der EU unab-
hängigen Abkommens mit den USA
die Zahlen. Die britische Wirtschaft
exportierte vergangenes Jahr 46
Prozent ihrer Waren in die EU. 19
Prozent gingen über den Atlantik.
Aber auch politisch steht Lon-
don den Europäern grundsätzlich

näher als Trump. Johnson stellte
sich wie Merkel gegen die Forde-
rung Trumps, Wladimir Putin wie-
der in die G7-Runde zu lassen. An-
gesichts russischer „Provokatio-
nen in der Ukraine und anderswo“
gebe es keinen Grund auf Moskau
zuzugehen. Johnson sieht sich wie
die deutsche Kanzlerin als Vor-
kämpfer für den freien Welthandel.
Auch in Sachen Klimawandel zie-
hen Briten und Europäer an einem
Strang. London will keinesfalls das
Pariser Abkommen infrage stellen
und hat sich selbst ehrgeizige Ziele
bei der Co2-Reduktion verordnet.
Aber beim Streit um Irans Atom-
Deal steckt Johnson in der Klem-
me. Trump hat den Vertrag aufge-
kündigt. Frankreich, Deutschland
und Großbritannien wollen daran
festhalten. Durch die US-Sanktio-
nen im eigenen Land unter Druck
geraten, missbrauchen Irans Revo-
lutionsgarden seit Wochen den Lo-
gistik-Engpass an der Straße von
Hormus. In iranischer Gewalt ist
deshalb seit Mitte Juli auch ein un-
ter britischer Flagge kreuzender
Tanker. Weil sich Franzosen und
Deutsche nicht zu einer verstärk-
ten Präsenz im Persischen Golf
aufraffen, haben die Briten sich ei-
ner US-geführten Marinemission
angeschlossen.
Auch in Hinsicht auf den Tele-
komanbieter Huawei gibt es in
London Anzeichen für ein Ein-
schwenken auf Trumps harten
Kurs gegenüber den Chinesen.
Johnsons Vorgängerin Theresa
May hatte einer Beteiligung von
Huawei am britischen G-5-Netz-
werk ein Stück weit grünes Licht
gegeben. Trumps Sicherheitsbera-
ter John Bolton verkündete jüngst
nach einem London-Besuch, die
Regierung Johnson „schätze den
US-amerikanischen Ansatz“ und
werde ihre Entscheidung überden-
ken. Washingtons langem Arm
kann sich Johnson nicht entziehen.

E


Quelle: IWF, Statista

Wie die G � eigentlich aussehen müssten
Größte Wirtschaftsnationen nach Anteil am weltweiten BIP in Kaufkraftparität

      � 

    

USA

Japan

Deutschland

Italien

Brasilien

Frankreich

Groß-
britannien

Mexiko

USA

Japan

Deutschland

Italien

China

Frankreich

Brasilien

Groß-
britannien

USA

China

Japan

Deutschland

Indien

Frankreich

Russland

Italien

USA

China

Indien

Japan

Deutschland

Russland

Brasilien

Frankreich

China

USA

Indien

Japan

Deutschland

Russland

Indonesien

Brasilien

Treffen sich zwei „Freunde“


Donald Trump


begegnet Boris


Johnson am Rande


des G-7-Gipfels


zum Frühstück.


Für den Briten ist


eine Bindung an


Washington wichtig



  • und heikel


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