Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

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18 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST


eine wissenschaftliche Karriere hatte kaum
begonnen, da handelte sich Manfred
Schedlowski schon den Spott der Kollegen
ein. Vor 30 Jahren befasste sich der Medi-
zinpsychologe bereits mit den Wechselwir-
kungen zwischen dem Nervensystem und dem Im-
munsystem. Doch selbst Kollegen, die er sehr schätz-
te, winkten damals ab: „Wenn Sie auf dem Gebiet for-

schen wollen, müssen Sie Künstler werden, das hat
mit Wissenschaft nichts zu tun.“ Das Thema sei nicht
angesagt gewesen, erinnert sich Schedlowski, der heu-
te am Uniklinikum Essen forscht. Wenn sich Forscher
in den Folgejahren überhaupt mit dem Thema be-
schäftigten, kannten sie meist nur eine Richtung: den
Weg vom Gehirn zum Immunsystem. Sie wollten zum
Beispiel in Erfahrung bringen, wie Stress die körper-

eigene Abwehr beeinflusst. Was umgekehrt das Im-
munsystem mit den grauen Zellen macht, blieb hinge-
gen vollkommen unerforscht.
Dabei war schon damals bekannt, dass Menschen
mit chronischen Autoimmunerkrankungen wie Multi-
ple Sklerose häufiger depressiv waren. Die Mediziner
nahmen aber zunächst an, dass schlicht die dauernden
Schmerzen und die Belastungen infolge der Erkran-
kung die Lebensqualität senkten. Das änderte sich
erst, als neue Therapien gegen Autoimmunerkrankun-
gen aufkamen. Gab man den Patienten Immunboten-
stoffe, sogenannte Zytokine, gingen die Symptome ih-
rer Erkrankung zurück; doch dafür litten die Men-
schen plötzlich gehäuft unter den Anzeichen einer De-
pression. Dieser unerwartete Nebeneffekt brachte Ex-
perten auf dieselbe Idee, die Manfred Schedlowski ge-
habt hatte: Immunbotenstoffe könnten bei psychiatri-
schen Erkrankungen eine bis dato völlig unterschätzte
Rolle spielten.

VON CHRISTIAN WOLF

Mittlerweile muss sich Schedlowski längst keine
spöttischen Kommentare mehr anhören. Mehr und
mehr Wissenschaftlern ist klar: Wenn der Körper
krank ist, leidet auch die Seele. Und nicht selten ist
ausgerechnet das Immunsystem, das den Körper ei-
gentlich gesund halten soll, an der Entstehung von
seelischen Störungen beteiligt. „Den Zusammenhang
beispielsweise zwischen Immunsystem und Depressi-
on kennt man im Grunde aus der eigenen Erfahrung“,
sagt der Neurowissenschaftler Stefan Gold von der
Berliner Charité. Denn wenn man eine richtige Grippe
habe, sei man oft schon einige Tage vor dem Ausbruch
ziemlich übellaunig und ziehe sich zurück. „Man
könnte sagen, das Immunsystem signalisiert dem Ge-
hirn, sich auf das Problem der Infektion zu konzen-
trieren und das Verhalten zu ändern“, erklärt Gold.

EVOLUTIONÄR BEDINGTDieses veränderte Verhal-
ten könnte ursprünglich sogar einen evolutionären
Vorteil bedeutet haben: Der soziale Rückzug sparte
Energien, die man für das Auskurieren der Grippe be-
nötigte, und verhinderte gleichzeitig, dass sich die In-
fektion auf andere Mitglieder der sozialen Gruppe
ausbreitete. Heute könnte dieser Mechanismus aller-
dings diese Vorteile verloren haben, sagt Gold:
„Schließlich können wir Infektionen längst mit Medi-
kamenten bekämpfen – und damit bleibt nur noch der
Nachteil einer depressiven Verstimmung oder sogar
einer Depression übrig.“
Gerade bei Depressionen kreisen Forscher die Ver-
bindung zum Immunsystem immer weiter ein. So gibt
es etwa Studien aus Skandinavien, bei denen sich laut
Stefan Gold sehr deutlich ein Zusammenhang abzeich-
net: Je mehr schwere Infektionen Menschen haben,
desto höher ist ihr Risiko, Jahre später eine Depressi-
on zu bekommen. Weitere Indizien lieferten Studien,
die untersuchten, welche Gene des Erbguts in Zusam-
menhang mit Depressionen stehen. Dabei zeigte sich:
Jene Genvarianten, die häufiger bei Menschen mit De-
pression auftreten, haben nicht nur etwas mit den
Nervenzellen im Gehirn zu tun – sondern auch mit
dem Immunsystem. Und nicht zuletzt weiß man von
Patienten mit Hepatitis oder Krebs, die mit speziellen
Immuntherapien behandelt werden, dass sie als Ne-
benwirkung der Behandlung vermehrt eine Depressi-
on bekommen können. Umgekehrt hat sich gezeigt:
Verabreicht man Patienten mit entzündlichen Erkran-
kungen wie Rheuma antientzündliche Medikamente,
werden sie weniger depressiv.
Zwischen Immunsystem, Entzündung und Depres-
sion besteht also offenbar eine Verbindung – aber wel-
che? Ein Weg, wie das Immunsystem das Gehirn ins
dunkle Loch einer Depression stürzt, verläuft vermut-
lich über die Ausschüttung entzündungsfördernder
Zytokine wie Interleukin 6. Diese Immunbotenstoffe
werden bei entzündlichen Reaktionen ins Blut abgege-
ben und gelangen dann ins Gehirn – wie genau, ist
nicht ganz klar. Denn eigentlich sind die Zytokine zu
groß, um die sogenannte Blut-Hirn-Schranke zu über-
winden. Diese Barriere soll verhindern, dass Substan-
zen, die schädlich für die grauen Zellen sein können,

STONE/GETTY IMAGES

Das Immunsystem kann psychische Leiden wie


Depression auslösen. Forscher suchen nach


Therapien, mit denen es sich beeinflussen lässt


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Ausgerechnet


die Abwehr


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Schedlowski schon den Spott der Kollegen

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t.me/whatsnws

Schedlowski schon den Spott der Kollegen

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ein. Vor 30 Jahren befasste sich der Medi-

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