er Spiegel - 10. August 2019

(John Hannent) #1
Beauftragte für auswärtige Kultur ist dort
Staatsministerin Michelle Müntefering. Sie
sagt, diese auf Grundlage des Potsdamer
Abkommens (vom Sommer 1945) einge-
zogenen Bilder zurückzufordern, »wäre
das falsche Signal«.
1945, so sieht es auch die U. S. Army, ging
es darum, die Kultur von »nationalsozialis-
tischen Einflüssen« zu befreien. Im heuti-
gen Deutschland kennt kaum einer die kon-
krete Zahl der Werke in Fort Belvoir, auch
nicht die genauen Inhalte vieler Bilder. Es
scheint auch niemand die Frage stellen zu
wollen, ob die deutsche Vergangenheit dort
wirklich besser aufgehoben ist. Manche De-
batten sind, wie gesagt, nicht gewollt.
Natürlich ist das, was vom US-Militär
und vom Deutschen Historischen Museum
abgeschirmt wird, bei Weitem nicht alles,
was zwischen 1933 und 1945 im Deutschen

Reich an Kunst hergestellt wurde. In vielen
weiteren Museen (und Privatsammlungen)
befinden sich Bilder und Skulpturen, die
im und fürs Regime gefertigt wurden. Nur
wenige Museen (eines der ersten war eines
in Würzburg) wagten eine öffentliche Be-
standsaufnahme. Die meisten Institutio-
nen verschweigen solche Altlasten, sie sind
zu problematisch, zu peinlich.
Immerhin wurden vor einigen Jahren
Abbildungen von Skulpturen, Gemälden
und Zeichnungen in eine Internetdaten-
bank eingespeist, die von 1937 bis 1944 in
der jährlichen Großen Deutschen Kunst-
ausstellung als Beispiele neuer deutscher
Kunst präsentiert worden waren. Hitler
hatte diese Leistungs- und Verkaufsschau-
en initiiert.
Aber die Kunstgeschichte des »Dritten
Reichs« ist viel umfassender, viel wider-

sprüchlicher als das, was dort dokumen-
tiert wird.

Das Verhältnis von Kunst und NS-Dik-
tatur ist nie geklärt worden. Wie notwen-
dig diese Klärung wäre, wurde erst vor we-
nigen Monaten spürbar. Im April eröffnete
in Berlin eine Schau über den expressio-
nistischen und in diesem Land so verehr-
ten Maler Emil Nolde. Nun wurde klarge-
stellt, was für ein fanatischer Antisemit er
gewesen war, welch glühender Anhänger
Hitlers. Nolde hatte immer auf die Aner-
kennung des Führers gehofft – für seine
Bilder, für seinen eigenen »Entjudungs-
plan«. Diese Ausstellung war ein Helden-
sturz, und der kam nicht bei allen gut an.
Einige Kunstkritiker, etwa in der »Zeit«,
nahmen zwar weniger Nolde selbst, sehr
wohl aber dessen Kunst in Schutz. Sie

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JEFF ELKINS / WASHINGTONIAN

und Soldaten« von Schmitz-Wiedenbrück, 1941, in US-Militärlager bei Washington:Zu riskant für Deutschland

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