er Spiegel - 10. August 2019

(John Hannent) #1
Deutschland

E

s kommt nicht so oft vor, dass Hei-
ko Maas die Parlamentarier im
Auswärtigen Ausschuss mit seiner
Anwesenheit beehrt. Doch als sich
das Gremium am Mittwoch vor drei Wo-
chen im kreisrunden Sitzungssaal zu einer
Sondersitzung versammelt, erscheint der
Minister. Es geht – wieder einmal – um
die Grundsatzfrage deutscher Außenpoli-
tik: um Deutschlands Verantwortung in
der Welt.
Wenige Tage zuvor hat Großbritannien
eine europäische Militärmission im Persi-
schen Golf vorgeschlagen, um eine der
wichtigsten Handelsrouten der Welt zu
sichern: die Straße von Hormus. Nun wol-
len die Abgeordneten die Position der Bun-
desregierung erfragen. Soll Deutschland
sich beteiligen? Was könnte die Bundes-
wehr zu dem Einsatz beitragen? Und vor
allem: Was will der Minister?
Eine gute Stunde lang steht Heiko Maas
den rund 40 Abgeordneten Rede und Ant-
wort. Doch als der Minister den Saal ver-
lassen hat, herrscht Ratlosigkeit. Jeder hat
etwas anderes verstanden.
Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin
nahm bei Maas eine ausgeprägte Bereit-
schaft wahr, »sich auf die absurde Hormus-
Mission zu stürzen«. Auch andere Abge-
ordnete wollen gehört haben, wie Maas
sich dafür aussprach, dass Berlin sich an
einer europäischen Mission beteiligt.
»Maas hat klar gesagt, dass es eine euro -
päische Mission nicht geben wird und sich
daher die Frage einer Entsendung deut-
scher Soldaten nicht stellt«, erinnert sich
dagegen Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer
Sprecher der FDP-Fraktion.
»Der Minister hat dargelegt, dass keine
konkrete Anforderung für die Bundeswehr
durch EU-Partner vorliegt«, berichtet wie-
derum Nils Schmid, außenpolitischer Spre-
cher der SPD-Fraktion. »Er hat die Ein-
schätzung abgegeben, dass eine Mission
auf Grundlage von EU-Recht unwahr-
scheinlich ist.«
»Maas hat sich dafür ausgesprochen,
Optionen zu prüfen«, erinnert sich schließ-
lich FDP-Fraktionsvize Alexander Graf
Lambsdorff. Erst als der außenpolitische
Sprecher der SPD gesagt habe, »dass man
sich an gar keiner Mission beteiligen wol-
le«, habe Maas einen Rückzieher gemacht.
Am Ende ist alles unklar. Maas hat das
kommunikative Kunststück vollbracht,


sich so vage einzulassen, dass jeder verste-
hen konnte, was er wollte. Nur was der
deutsche Außenminister sagen wollte,
weiß niemand. Vielleicht, so ist zu befürch-
ten, noch nicht einmal er selbst.
Seit anderthalb Jahren ist Heiko Maas
Deutschlands Chefdiplomat. Andrea Nah-
les und Olaf Scholz beförderten den Saar-
länder überraschend in eines der wichtigs-
ten Ministerämter der Republik, obwohl
die beiden ehemaligen Parteivorsitzenden

Sigmar Gabriel und Martin Schulz, zwei
versierte Außenpolitiker, den Job nur zu
gern gemacht hätten.
Damit hat die Bundesrepublik nun ei-
nen Außenminister, der in der Hierarchie
seiner Partei nicht auf einem der vorderen
Plätze rangiert. Maas kann sich zwar, wie
fast alle seine Vorgänger, über hohe Be-
liebtheitswerte freuen. Und die Kanzlerin
scheint den Anspruch aufgegeben zu ha-
ben, die deutsche Außenpolitik zu prägen.

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Mann ohne Leidenschaften


KarrierenSeit Heiko Maas (SPD) das Auswärtige Amt führt, scheint Deutschland seinen


Gestaltungsanspruch in der Welt aufzugeben. Der Minister kann sich weder im Haus
noch in der eigenen Fraktion durchsetzen. Die deutsche Außenpolitik wird zur Leerstelle.
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