Zwei Monate nach Beginn der Massendemonstrationen in Hong-
kong sendet Chinas Zentralregierung immer bedrohlichere
Signale an die Protestbewegung: So hielt die Volksbefreiungs -
armee öffentlichkeitswirksam Übungen ab, in denen die Nieder-
schlagung von Aufständen geprobt wurde. In dieser Woche
sagte der Direktor des Pekinger Büros für Hongkong-Angelegen-
heiten, Zhang Xiaoming, der Aufruhr trage »klare Züge einer
Farbrevolution«, und meinte damit die Umstürze in osteuropäi-
schen Ländern wie etwa in der Ukraine. Peking werde nicht
dulden, dass das »Chaos« sich fortsetze.
Mit dieser Rhetorik hat sich Chinas Regierung vor allem selbst
unter Druck gesetzt. Ein blutiger Einsatz der Armee, ein zweites
Tiananmen-Massaker, würde nicht nur das Wirtschaftsleben
des wichtigen chinesischen Handels- und Börsenplatzes abwürgen.
China machte sich 30 Jahre nach der Niederschlagung der Studen-
tenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens auch erneut
zum globalen Paria – ein Szenario, das Peking mitten im Handels-
streit mit den USA nicht behagen kann.
Möglicherweise ließe sich die Lage befrieden, wenn zwei Forde-
rungen der Opposition aufgegriffen würden: Zum einen müsste
eine respektierte Institution das brutale Vorgehen der Polizei in
Hongkong aufarbeiten. Diese Aufgabe könnte etwa die Anti -
korruptionskommission ICAC übernehmen. Zum anderen müsste
die völlig desavouierte Regierungschefin Carrie Lam wenn schon
nicht zurück-, dann doch zumindest in den Hintergrund treten.
Je wüster Peking aber droht, desto schwerer lassen sich solche
Lösungen gesichtswahrend umsetzen. »Die Wende in Hongkong
wird nicht durch Rückzug oder Kompromiss mit der Opposition
erwachsen«, sagte Zhang. Wahrscheinlich setzt Peking auf einen
dritten Weg: Harte Polizeieinsätze und möglicherweise gedungene
Schlägertrupps, aus Mitgliedern der Hongkonger Mafia, der Tria-
den, sollen die Protestbewegung allmählich weichklopfen.
Analyse
Der dritte Weg: Schlägertrupps?
Wie Peking sich mit den Drohungen gegen die Demonstranten in Hongkong vor allem selbst unter Druck setzt
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Ausland
Minderheiten fühlen sich von ihrem Präsidenten zum Abschuss freigegeben. ‣S. 74
DER SPIEGEL Nr. 33 / 10. 8. 2019
In Sibirien bei Krasnojarsk brennt die Taiga. Seit Wochen breitet sich das Feuer aus, es hat rund 30 000 Quadrat -
kilometer Wald vernichtet, eine Fläche, annähernd so groß wie Belgien. Und das, obwohl Präsident
Putin die Armee zum Löscheinsatz kommandiert hat. Die Brände setzen schädliche Treibhausgase frei.
Umweltschützer befürchten, dass solche Feuer durch den Klimawandel häufiger werden könnten.
EPA-EFE / REX