98 DER SPIEGEL Nr. 33 / 10. 8. 2019
der Antibiotikatherapie, die Eric bekam.
Da ging die Zahl der Bakterien natürlich –
zack – runter. Und auch als ein Postdoc
auf einer Tagung in Bangkok eine Lebens-
mittelvergiftung hatte, gab es einen ordent-
lichen Ausschlag. Aber sogar in diesen
Fällen erholte sich das Mikrobiom schnell
wieder.
SPIEGEL:Wie verhält es sich denn bei so
einer Antibiotikakur: Wenn die Bakterien
wirklich einen so starken Einfluss auf un-
ser Gehirn ausüben, wie Sie behaupten,
dann müsste uns doch ein radikaler Kahl-
schlag im Darm aufs Gemüt schlagen? Als
ich kürzlich nach einer Zahnoperation prä-
ventiv Antibiotika nahm, habe ich aber
nichts davon gespürt.
Cryan:Eine wirklich gute Frage. Leider
gilt auch hier: Wir haben noch viel zu we-
nige Studien. Die meisten Untersuchungen
zu Antibiotika wurden mit Probanden ge-
macht, die krank waren. Bei denen sagt
es natürlich nicht viel aus, wenn ihre see-
lische Verfassung nicht gut ist. Deshalb
haben Sie recht: Es wäre interessant, prä-
ventiv Behandelte zu untersuchen. Dass
Sie nichts gemerkt haben, muss noch
nichts aussagen. Möglicherweise hätte
man Sie Stress oder anderen spezifischen
Versuchs bedingungen aussetzen müssen,
um subtile Ver änderungen Ihrer Psyche
nachweisen zu können, derer Sie sich viel-
leicht gar nicht bewusst waren.
SPIEGEL:Der Titel Ihres Buchs verspricht
eine »Revolution«. Wann haben wir sie
zu erwarten?
Cryan:Die Revolution hat bereits begon-
nen. Ich denke, Sie müssen den Begriff vor
dem Hintergrund sehen, was sich hinsicht-
lich unserer seelischen Gesundheit in den
vergangenen 30 Jahren getan hat: nämlich
fast nichts. Wir verstehen psychische Er-
krankungen kaum besser als damals, und
was neue Psychopharmaka betrifft, haben
wir jetzt Ketamin, aber das war’s dann
auch schon. In dieser Lage werden sich die
Leute zunehmend dessen bewusst, dass
auch unsere Lebensweise, unsere Ernäh-
rung und die Umwelt, in der wir leben,
einen heilsamen Einfluss auf unsere seeli-
sche Gesundheit haben können. Mit unse-
rem psychobiotischen Ansatz wollen wir
dieser Einsicht eine biologische Grundlage
geben. Und das, so denke ich, ist eine sehr
wichtige Botschaft.
SPIEGEL:Herr Professor Cryan, wir dan-
ken Ihnen für dieses Gespräch.
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