Der Spiegel - 17. August 2019

(Ron) #1

als Erfolgsmodell, so die Einschätzung:
eine Exportnation, die sich militärisch aus
allem heraushält und andere zahlen lässt.
»Wenn Trump könnte, würde er das auch
so machen.«
Dabei sieht sich Trump einer deutschen
Kanzlerin gegenüber, die ganz offensicht-
lich als seine Gegenspielerin in die Ge-
schichte eingehen will. Zwar hat Merkel
es als »absurd« und »grotesk« bezeichnet,
als sie nach seiner Wahl zur Anführerin
der freien Welt erklärt wurde. Die Pose al-
lerdings gefällt ihr schon.
Im Mai flog sie nach Boston an die Uni-
versität Harvard und hielt dort eine Rede,
die man getrost als Anti-Trump-Manifest
bezeichnen kann. Und ganz aus Versehen
ließ sie sich bei der Urlaubslektüre mit ei-
nem Anti-Trump-Buch erwischen: »Der
Tyrann« von Stephen Greenblatt, das
die shakespeareschen Tyrannen in unver-
kennbarer Ähnlichkeit zum aktuellen US-
Präsidenten beschreibt.
Inzwischen ist es zur Normalität gewor-
den, dass Merkel in die USA reist, ohne
ein Treffen mit Trump nachzufragen. Ei-
nen Termin mit dem Präsidenten gab es
während der Harvard-Reise nicht, und
auch wenn Merkel Mitte September zur
Uno-Generalversammlung nach New York
fliegt, ist kein Treffen mit Trump vorge -
sehen. »Die Kanzlerin hat von Anfang an


klargemacht, dass sie sich auf Uno-The-
men konzentrieren wird«, heißt es in der
Bundesregierung.
Für Trump wiederum ist Deutschland
bei seinen Besuchen in Europa regelmäßig
nur »flyover country«, ein Land, das er
überfliegt, anstatt es zu besuchen. Der
amerikanische Präsident war schon in
Rom, Paris und London, aber noch kein
einziges Mal während seiner Amtszeit in
Berlin.
Wenn Trump Ende August zu einer aus-
gedehnten Europareise aufbricht, stehen
nach dem G-7-Gipfel im südfranzösischen
Biarritz Stationen in Kopenhagen und
Warschau auf dem Programm. In Berlin
macht sich niemand Illusionen über die
Symbolkraft der Reise: Die rechtspopulis-
tische polnische Regierung hat – genauso
wie Trump – Merkels Flüchtlingspolitik
scharf attackiert. Gleichzeitig erfüllt sie,
sehr zum Gefallen des Präsidenten, ihre
Nato-Verpflichtungen. In Dänemark kam
gerade eine Ministerpräsidentin ins Amt,
die ihren Wahlkampf mit migrationskriti-
schen Tönen gewonnen hat – und die nun
mit darüber entscheidet, ob die von
Trump so vehement bekämpfte Pipeline
Nord Stream 2 gebaut werden kann. »Die
Reise hat einen antideutschen Unterton«,
sagt ein ranghoher deutscher Regierungs-
vertreter.

In den guten alten Zeiten der deutsch-
amerikanischen Freundschaft hätten US-
Botschafter versucht, den Gesprächsfaden
zwischen dem Kanzleramt und dem Wei-
ßen Haus zu erhalten. »Wir bräuchten ei-
gentlich einen amerikanischen Botschafter,
der vermittelt, der den Amerikanern, auch
wenn er unsere Position nicht teilt, erklärt,
warum wir so ticken«, sagt Gabriel.
Doch Grenell hat von Anfang an ge-
zeigt, dass er vor allem an Schlagzeilen in-
teressiert ist. Kaum im Amt, wies er per
Tweet deutsche Firmen an, ihre Geschäfte
mit Iran einzuschränken, was der ehema-
lige SPD-Chef Martin Schulz mit dem
Worten kommentierte, der Botschafter
führe sich auf wie ein »rechtsextremer Ko-
lonialoffizier«. Dann gab Grenell dem
rechten Krawallportal Breitbart ein Inter-
view, das sich las, als wünschte er sich auch
in Europa eine Trump-Revolution.
Bald machte in Berlin jeder, der noch
einen Ruf zu verlieren hat, einen Bogen
um Grenell. Wohl kein US-Botschafter in
der jüngeren deutschen Geschichte war so
isoliert. Auf amerikanischer Seite fällt in-
zwischen auf, dass Merkels Leute stets ver-
suchen, Gesprächsformate mit amerikani-
schen Gästen möglichst so zu entwerfen,
dass für Grenell kein Platz am Tisch ist.
Manchmal aber bestehen die Amerikaner
darauf, wie etwa während der Münchner

16 DER SPIEGEL Nr. 34 / 17. 8. 2019

KLAUS-DIETMAR GABBERT / PICTURE ALLIANCE / DPA
US-Botschafter Grenell (vorn) in Sachsen-Anhalt: Faible für rechte Verschwörungstheoretiker
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