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Ungleichheit
Sparlücke bei Frauen
wird übersehen
Frauen in Deutschland verdienen
durchschnittlich etwa ein Fünftel weniger
als Männer. Dennoch ist sich die
Mehrheit der Deutschen offenbar nicht
bewusst, dass Frauen deswegen auch
weniger sparen und fürs Alter vorsorgen
können. Das ergab eine Umfrage von
YouGov im Auftrag der Onlineplattform
Weltsparen unter gut 2000 Personen.
Nur 29 Prozent der Deutschen glauben
demnach, dass Frauen weniger sparen
können als Männer. Vor allem Männer
(42 Prozent) sehen dagegen keine Spar -
lücke, aber auch 39 Prozent der Frauen.
Offenbar haben Männer und Frauen
auch unterschiedliche Ansichten darüber,
wie man die Sparlücke zwischen den
Geschlechtern schließen könnte. Frauen
verlangen vor allem, dass ihnen bei den
Herausforderungen des Alltags besser
geholfen werden müsste. Sie sehen eine
bessere Unterstützung für Allein -
erziehende (51 Prozent), eine gerechtere
Aufteilung bei der Kinderbetreuung
und Pflege von Angehörigen sowie die
Abschaffung des Ehegattensplittings
als bestes Mittel gegen die Sparlücke.
Männer dagegen glauben eher, man
müsse vor allem die finanzielle Allge-
meinbildung stärken (41 Prozent), besser
über die Rentenlücke und drohende
Altersarmut aufklären (45 Prozent) und
überhaupt ein höheres Bewusstsein für
finanzielle Themen schaffen (38 Prozent).
Dass es an diesem Problembewusstsein
fehle, fand dagegen nur ein Fünftel der
befragten Frauen. MHS
Europa
AKW ohne Genehmigung?
Mindestens 18 Atomkraftwerke in der
Europäischen Union (EU) werden offen-
bar ohne die notwendigen Genehmigun-
gen betrieben und könnten womöglich
durch Klagen von Anwohnern, NGOs
oder Nachbarstaaten stillgelegt werden.
Das ist das Ergebnis einer Untersuchung
der Atomexpertin und Grünenbundes-
tagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl.
Vor wenigen Wochen hatte der Europäi-
sche Gerichtshof die Laufzeitverlänge-
rung von zwei belgischen Atomreaktoren
für rechtswidrig erklärt. Die Zulassungs-
behörde hatte es versäumt, bei einer
genehmigten Laufzeitverlängerung eine
grenzüberschreitende Umweltverträglich-
keitsprüfung (UVP) vorzunehmen. Nach
Recherchen der Grünen trifft das jedoch
nicht nur für die belgischen Meiler zu.
Mindestens 18 Reaktoren in der EU und
mehr als ein Dutzend weitere Meiler in
europäischen Nachbarstaaten wie der
Ukraine dürften danach ohne gültige
Genehmigung laufen. Auch bei ihnen
fand keine grenzüberschreitende UVP
statt. Viele der AKW stehen in der Kritik,
weil sie das von den Herstellern meist
empfohlene Betriebsalter von 40 Jahren
überschritten haben oder kurz davor ste-
hen. Auch nach Ansicht der auf Atom-
recht spezialisierten Anwältin Dörte Fou-
quet, die mit der Kanzlei Becker Büttner
Held solche Verfahren führt, müssten die
ohne UVP genehmigten Meiler bei Kla-
gen und Beschwerden stillgelegt werden.
Zumindest müssten die Genehmigungen
nachgeholt werden. Die Bundesregierung
teilte auf Anfrage der Grünen mit, dass
man keine genaue Kenntnis darüber
habe, »welche europäischen Anlagen der-
zeit ohne (grenzüberschreitende) UVP
betrieben würden«. Bei dem für diese
Untersuchungen zuständigen Uno-Komi-
tee befänden sich sechs Verfahren mit ins-
gesamt 23 Atomreaktoren in der Prüfung,
die ohne UVP in Europa zugelassen wor-
den sein sollen, so die Antwort. Die Grü-
ne Kotting-Uhl fordert von der Bundes -
regierung, auf ein »Ende des rechtswidri-
gen AKW-Betriebs« zu drängen. FDO
Karrieren I
Zypries darf
Brigitte Zypries verhandelt über ein
attraktives Jobangebot. Wie aus einem
Eintrag im »Bundesanzeiger« hervor-
geht, will die Wirtschaftsministerin a. D.
»zum nächstmöglichen Zeitpunkt« Mit-
glied des Aufsichtsrats der Bombardier
Transportation Holding werden und die
Bombardier Transportation GmbH in
Mobilitätsfragen beraten. Zypries’ neuer
möglicher Arbeitgeber ist eine Tochter
des kanadischen Bombardier-Konzerns
mit Sitz in Berlin. Der Hersteller von
Schienenfahrzeugen beschäftigt mehr
als 40 000 Mitarbeiter und machte 2018
einen Umsatz von knapp neun Milliar-
den Dollar. Die SPD-Politikerin Zypries
hatte in ihrer Zeit als Wirtschaftsministe-
rin teils engen Kontakt zu dem Unter-
nehmen. Im Jahr 2017 war sie an Ver-
handlungen zum Erhalt ostdeutscher
Standorte des Konzerns beteiligt, im
Juni 2017 nahm sie an einer Grundstein-
legung einer neuen Produktionshalle
von Bombardier Transportation im säch-
sischen Bautzen teil. Zypries sagt, die
Verhandlungen mit Bombardier liefen
noch. Wenn sie den Job bekomme,
wolle sie sich weiter für den Erhalt
möglichst vieler Jobs in Deutschland ein -
setzen. Die Bundesregierung hat »keine
Bedenken« gegen den neuen Job. SSU
ERIC HERCHAFT / REPORTERS / LAIF
Belgisches Atomkraftwerk Tihange
XANDER HEINL / PHOTOTHEK.NET
Protestierende am Equal Pay Day 2018
Karrieren II
Gabriel darf nicht
Die Bundesregierung hat Karriere-
pläne des früheren Außenministers
Sigmar Gabriel vereitelt. Wie aus einer
Antwort auf eine Anfrage des Linken-
abgeordneten Lorenz Gösta Beutin
hervorgeht, darf der SPD-Politiker ein
Aufsichtsratsmandat bei der Kulczyk
Holding vorerst nicht antreten. Wegen
drohender Beeinträchtigung öffentli-
cher Interessen müsse Gabriel eine
Karenzzeit von zwölf Monaten einhal-
ten, heißt es in dem Schreiben weiter.
Der Beschluss fiel Ende 2018, war bis-
her aber nicht bekannt. Die Firma des
2015 verstorbenen polnischen Multi -
milliardärs Jan Kulczyk hat ihren Sitz
im Steuerparadies Luxemburg, Gabriel
hatte in seiner Zeit als Vizekanzler
derartige Praktiken der Steueroptimie-
rung scharf kritisiert. Parlamentarier
Beutin kritisiert Gabriel: »Gerade für
einen langjährigen SPD-Vorsitzenden,
der sich den Kampf für soziale Gerech-
tigkeit auf die Fahnen geschrieben
hat, ist das Überwechseln auf die Seite
des großen Geldes ein schamloses
Verhalten.« SSU