Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1

Softwarefirma


Teamviewer strebt an die Börse


Noch in diesem Jahr könnte
die Softwarefirma an den
Aktienmarkt gehen. Der
Schritt ist ganz im Sinne des
Finanzinvestors Permira.

L. Holzki, P. Köhler, R. Landgraf
Düsseldorf, Frankfurt

V


iele Beschäftigte kennen die-
sen Moment, wenn der IT-
Techniker am Telefon auf den
Computer zugreift und sich der
Mauszeiger selbstständig über den
Bildschirm bewegt. Anschließend
läuft die Technik meistens wieder.
Möglich macht das häufig Teamvie-
wer, ein Unternehmen aus dem
schwäbischen Göppingen. Mittels sei-
ner Software kann man sich auf ein
Gerät aufschalten und es bedienen,
als würde man davorsitzen. Weltweit
wurde die Software nach Unterneh-
mensangaben mehr als zwei Milliar-
den Mal installiert – von Konzernen
und von Privatleuten. Auf rund 340
Millionen Geräten wird die Software
jährlich aktiv genutzt.
Jetzt gibt es eine gute Nachricht für
die Frankfurter Börse: Noch in die-
sem Jahr könnte die 2005 gegründete
Softwarefirma den Kurszettel mit ei-
ner Milliardenemission bereichern.
Teamviewer wird nach Angaben aus
Finanzkreisen mit vier bis fünf Milli-
arden Euro bewertet, etwa 30 bis 40
Prozent könnten platziert werden.
Die Absichtserklärung (Intention to
Float) für den Börsengang erwarten
Beobachter noch vor Herbstanfang.
Das Unternehmen ist laut CEO Oliver
Steil und Finanzvorstand Stefan Gai-
ser hochprofitabel und in den ver-
gangenen Jahren deutlich gewach-

sen. Zum Vergleich: US-Investoren
ziehen gerne die „Rule of 40“-Regel
heran, um starke Jungunternehmen
zu erkennen. Addiert man die Ge-
winnmarge von rund 50 Prozent und
das Umsatzplus von zuletzt circa 35
Prozent, kommt Teamviewer auf ei-
nen Wert von 85 – deutlich über 40.
Teamviewer wächst mit seiner
Fernwartungssoftware, mit Video-
konferenzen und Dateitransfer. Das
Unternehmen selbst ist nicht auf die
Einnahmen aus dem Börsengang an-
gewiesen, aber der Finanzinvestor
Permira – der fast 100 Prozent der
Anteile hält – will nach fünfjähriger
Haltedauer im Portfolio aussteigen.
2014 hatte das Private-Equity-Haus
die Göppinger Firma für 870 Millio-
nen Euro gekauft. Die Einnahmen
(„Billings“) betrugen im Halbjahr 140
Millionen Euro. Bis 2018 war Team-
viewer-Geschäftsführer Oliver Steil
noch Partner bei Permira. Auch Gai-
ser ist erst seit zwei Jahren bei Team-
viewer. Zuvor arbeitete er für mehre-
re börsennotierte und Private-Equity-
finanzierte Softwareunternehmen.

Expansion in Asien
Analysten vergleichen Teamviewer
mit dem Video-Dienst Zoom, der Cy-
bersicherheitsfirma Okta, dem
Cloudcomputing-Anbieter Salesforce
und Atlassian, einem Unternehmen,
das Produkte und Dienste für Soft-
wareentwickler anbietet, die eben-
falls börsennotiert sind.
Teamviewer beschäftigt weltweit
800 Mitarbeiter, zukünftig will man
vor allem in Asien expandieren und
rechnet mit zusätzlichem Wachstum
mit der digitalen Technik „Internet of
Things“. Die betreuenden Banken für
das Börsendebüt sind Goldman

Sachs und Morgan Stanley. Im ersten
Halbjahr sah es für Börsengänge in
Deutschland eher mager aus. Im Mai
wagte sich Frequentis, eine Firma für
Kommunikationssysteme, auf das
Frankfurter Parkett – allerdings im
zweitklassigen Börsensegment Gene-
ral Standard. Gegenwärtig erschwe-
ren die relativ großen Kursschwan-
kungen den Sprung auf das Börsen-
parkett. Auch die Vorbereitungen für
das IPO von Teamviewer stehen un-
ter dem Vorbehalt, dass die Volatilität
nicht zu groß wird. Der Kurseinbruch
an den Börsen zum Ende des vergan-
genen Jahres und die Diskussionen
über den Handelsstreit zwischen den
USA und China sowie den Ausstieg
der Briten aus der Europäischen Uni-
on, den Brexit, verunsicherten bisher
die Anleger.
Der große Schub an milliarden-
schweren Börsengängen wird 2020
erwartet. Zu den Kandidaten zählen
die Antriebstechnik-Sparte des Auto-
zulieferers Continental, die Kraft-
werkstechnik von Siemens und Thys-
sen-Krupps Aufzuggeschäft. Nach
dem Zusammenschluss der BASF-
Tochter Wintershall mit dem Ener-
giekonzern Dea wird ebenfalls eine
Emission erwartet.

die Anbieter eher an Filterlösungen
und an Motoren, die mit LNG, also
Flüssiggas, betrieben werden.
Ganz anders sieht das bei Booten
und Fähren auf Binnengewässern
aus. So entwickelt zum Beispiel die
Schweizer Werft Shiptec hybridelek-
trische Antriebe, meist eine Mi-
schung aus Diesel- und Elektroan-
trieb. Der neue Katamaran „Bürgen-
stock“ auf dem Vierwaldstätter See
zum Beispiel fährt bei Langsamfahr-
ten in Stadtnähe im Batteriebetrieb.
Wenn der Schiffsführer weiter
draußen beschleunigt, schaltet der
Antrieb automatisch auf Diesel um –
dann werden auch die Batterien wie-
der aufgeladen, die das Bordnetz mit-
versorgen. „In den letzten fünf Jah-
ren ist so viel Bewegung in den Markt
gekommen wie in den 50 Jahren zu-
vor nicht“, sagt Shiptec-Manager
Martin Einsiedler.

Mehr Elektrofähren
Der Fährbetrieb ist auch für Torqee-
do ein wichtiges Thema. Vor einigen
Monaten nahm der thailändische
Premierminister Prayut Chan-o-cha
in Bangkok das erste vollelektrische
Boot mit einem Torqeedo-Motor für
den Pendelverkehr in Betrieb. Die
Fähre sei ein wichtiger Schritt auf
dem Weg zur Smart City mit einem
umweltfreundlichen öffentlichen Ver-
kehrssystem, sagte Ekarin Vasana-
song vom Betreiber KT BMA – und
kündigte an, schon bald mehr Schiffe
mit batterieelektrischem Antrieb in
die Flotte aufzunehmen.
So einen großen Markt als Start-up
zu entwickeln ist eine Herausforde-
rung. Da zudem klar war, dass die
frühen Venture-Capital-Investoren
wie zum Beispiel Intershop-Gründer
Stephan Schambach eines Tages den
Exit suchen würden, entschieden
sich die Torqeedo-Eigner für den
Verkauf. Er habe einige Start-up-Rat-
geber gelesen, sagt Ballin, man solle
nicht an die verkaufen, die die
höchste Bewertung bieten, sondern
an die, mit denen man auch in
schwierigen Zeiten gut und verläss-
lich zusammenarbeiten kann. Da er-
schien ein SDax-Unternehmen wie
Deutz mit seinen zuletzt knapp 1,8
Milliarden Euro Umsatz als der rich-
tige Partner.
Seit knapp zwei Jahren gehört das
Gilchinger Unternehmen nun zu
Deutz. „Wir können viele Synergien
nutzen“, sagt Ballin. Wenn E-Deutz
erst einmal voll entwickelt sei, sagt
Ballin, könne man etwa gemeinsam
Teile kaufen und Antriebe entwi-
ckeln, die modifiziert in beiden An-
wendungen genutzt werden können.
Auch Deutz-Chef Hiller ist mit
den ersten beiden Jahren sehr zu-
frieden. Es sei von Vorteil, dass Tor-
qeedo eigentlich auf ganz anderen
Gebieten aktiv sei. Die Firma habe
das Know-how, um ganze Systeme
zu entwickeln. Das Applikationswis-
sen zum Beispiel im Agrarbereich
aber liege bei Deutz – so komme es
nicht zu Kompetenzstreitigkeiten.
„Die Projekte laufen gut an.“ Erste
Prototypen mit E-Motoren seien
ausgeliefert, im kommenden Jahr ist
Serienstart.
Torqeedo weitet die Produktpalet-
te kontinuierlich aus und setzt dabei
auf vollintegrierte Systeme. Wichtig
sei es, immer die überlegene Lösung
zu haben, sagt Ballin. Es reiche nicht,
einen umweltschonenden Motor zu
haben. „Er muss auch Spaß ma-
chen.“ In diesem Jahr wurde der hun-
derttausendste Motor verkauft. „Ich
hätte gedacht, dass es noch schneller
geht“, sagt Ballin.

Bild im Bild: Teamviewer
hat sich auf die Fernwar-
tung verschiedener Gerä-
te spezialisiert.

Getty Images [M]


Technologie
Das Handelsblatt begleitet die Ent-
stehung von Innovationen in Konzer-
nen, Start-ups, mittelständischen
Unternehmen und Forschungsinstitu-
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men finden Sie unter:
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MILLIARDEN
beträgt die Anzahl
der Geräte
weltweit, auf denen
Teamviewer-Produkte
installiert sind.
Quelle: Unternehmen

Technologie
WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162^21

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