Handelsblatt - 23.08.2019

(Rick Simeone) #1

E


dmund Phelps ist mit 86 Jahren immer
noch international aktiv. Der Leiter des
Zentrums für Kapitalismus und Gesell-
schaft an der Columbia-Universität
reist nach China, Spanien – oder
Deutschland, wo er zum Geburtstag des Kölner Un-
ternehmers Peter Jungen war. Mit Kritik an US-Prä-
sident Donald Trump hält er sich nicht zurück.
Doch die globale Wirtschaft hat in seinen Augen
noch ganz andere Probleme.

Herr Phelps, an diesem Wochenende kommen die
Führer der sieben wichtigsten Wirtschaftsnatio-
nen zusammen. Ein Thema ist der globale Ab-
schwung. Was wünschen Sie sich von den Staats-
und Regierungschefs?
Die Weltwirtschaft ist derzeit in keiner sehr beein-
druckenden Lage, aber wir sind auch weit von einer
Depression oder einer starken Rezession entfernt.
Das Problem ist, dass wir gerade so viele Friktionen
weltweit erleben – und die sind schlecht für das Ge-
schäft. Das liegt auch an US-Präsident Trump.

Wegen seines Handelskonflikts mit China?
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Zukunft des
amerikanisch-chinesischen Verhältnisses aussieht,
solange Trump amtiert. Jeden Tag macht er etwas

Unerwartetes und Besorgniserregendes. China ist
der Ansicht, dass es ein Anrecht darauf hat, zu
wachsen – und tritt damit anderen auf die Füße.
Aber die Schwierigkeiten zwischen dem großen
Aufsteiger und den USA müssten nicht lähmend
und beängstigend sein.

Wie, glauben Sie, wird es weitergehen?
Ich glaube, das Verhältnis von China und dem Rest
der Welt kann auf ein akzeptables Niveau zurück-
kehren, sobald Trump nicht mehr im Bild ist. Kurz
nach seiner Wahl habe ich bereits gesagt, dass er
nicht gut für die Unternehmenswelt sein wird, weil
er eine Menge Unsicherheit bringen wird. Und
Mensch, die Prognose hat mal so richtig ins
Schwarze getroffen (lacht).

Na ja, die US-Wirtschaft hat eine historisch lange
Erholungsphase erlebt nach der Finanzkrise ...
Die Regierung hat eine Menge fiskaler Stimulierung
eingesetzt – und zum Teil Strukturreformen ange-
stoßen. Entscheidend war aber vor allem die Sen-
kung der Unternehmensteuern. Das hat dem Wirt-
schaftswachstum seit Anfang 2017 geholfen, auch
wenn vor allem die Wohlhabenden profitiert ha-
ben. Aber es hat den Konsum etwas angekurbelt.
Die Kernfrage ist jetzt, was mit der Wirtschaft pas-

siert, wenn Unternehmen mit sinkenden Gewinnen
aus ihren Investitionsprojekten konfrontiert sind.

Was glauben Sie?
Die Unternehmensinvestitionen sind in den vergan-
genen Monaten bereits gesunken und könnten
noch weitaus stärker abfallen. Der Boom im Immo-
biliensektor scheint zu versanden. Optimisten
könnten sagen: Okay, wir hatten einen Boom, und
jetzt haben wir eben einen Einbruch, aber funda-
mental sind wir okay. Aber wir sind nicht okay. Wir
haben ein verblüffend niedriges Produktivitäts-
wachstum. Und ich glaube, das ist ein Grund, wa-
rum die Spannungen in der amerikanischen Bevöl-
kerung so hoch sind. Die Leute sind nicht nur unzu-
frieden mit ihren Löhnen – die sind im Schnitt ehr-
lich gesagt gar nicht so schlecht. Es fehlt an Innova-
tion, und dadurch werden Jobs uninteressanter.

Silicon Valley ist doch Inbegriff der Innovation!
Aber das ist nur ein kleiner Teil der US-Wirtschaft
und der USA. Es gibt insgesamt nicht genügend
Graswurzel-Innovationen. Als Konsequenz nimmt
die durchschnittliche Zufriedenheit der Menschen
mit ihrer Arbeit seit 1970 stetig ab. Die Leute ziehen
keinen Kick mehr aus ihrer Arbeit. Ihr Leben ist
leer – und sie suchen nach einem Sündenbock.

„Nicht mit Geld


um sich werfen“


Der Wirtschaftsnobelpreisträger hält die Möglichkeiten der G7-Staaten, die globale Konjunktur zu
stützen, für begrenzt. Fehlende Innovationen sieht er als das Grundproblem in den Industriestaaten.

Edmund Phelps


Ökonom Phelps
über die US-Wirtschaft:
„Wir haben ein
verblüffend niedriges
Produktivitätswachstum.“

Julien Faure/Opale/Leemage/laif


Die Leute
ziehen
keinen Kick
mehr aus
ihrer Arbeit.
Ihr Leben ist
leer – und sie
suchen nach
einem
Sündenbock.

Wirtschaft


& Politik


(^8) WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162
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