„Das ist das
falsche Instrument
zur falschen Zeit.“
Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer
Ministerpräsident, zur Wiedereinführung der
Vermögensteuer
„I‘m still here.“
Angela Merkel, Bundeskanzlerin,
reagiert auf Englisch auf eine
Journalisten-Frage an US-Präsident
Donald Trump, ob er besorgt sei, dass
mit der Kanzlerin demnächst die einzige
Frau den G7-Club verlasse.
Stimmen weltweit
Die Londoner „The Times“ kommentiert die
Drohung Boris Johnsons, im Fall eines
ungeordneten Brexits ausstehende Zahlungen
an die EU zu kürzen:
W
ahrscheinlich weiß er, dass eine Zah-
lungsverweigerung Großbritannien
schaden würde. Nicht allein der Wis-
senschaft und anderen Bereichen, die von EU-
Geldern und grenzüberschreitender Zusammen-
arbeit abhängen, sondern auch der weltweiten
Reputation Großbritanniens als vertrauenswür-
dig und fair. Aber er weiß auch, dass ein Land –
wie bei einem Atomkrieg – bereit sein muss, den
schlimmstmöglichen Schaden anzurichten, da-
mit es glaubwürdig genug ist, um die andere Sei-
te von einer Aggression abzuhalten.
Johnson ist in Eile. Er hat das (beim G7-Gipfel)
in Biarritz für jedermann klargemacht. Seine Um-
fragewerte steigen bereits. Er könnte kurz davor-
stehen, Wahlen anzusetzen. Jetzt muss er maxi-
malen Druck auf Brüssel ausüben. Großbritan-
nien sollte zwar seine tatsächlichen Schulden
begleichen. Doch es ist legitim, Zahlungen auf
strittigen Gebieten solange zurückzuhalten, bis
eine endgültige Einigung erzielt ist.
Die römische Tageszeitung „La Repubblica“
kommentiert die schwierige Entscheidung des
italienischen Präsidenten Sergio Mattarella
angesichts der Regierungskrise:
I
talien ist ein unbehagliches Land. Es fehlen
wenige Stunden bis zur letzten Runde der
Konsultationen im Präsidentenpalast, und
bisher sind noch alle Optionen offen. Eine Neuauf-
lage der gelb-grünen Allianz (Lega und Fünf Ster-
ne). Eine gelb-rote Regierung (Fünf Sterne und So-
zialdemokraten) in den Farben des AS Rom. Oder
vorgezogene Wahlen, die die kürzeste Legislatur-
periode in der Geschichte der Republik beenden.
Wir hier unten verfolgen die Purzelbäume der
Parteien mit erstauntem Blick und verwirrtem
Kopf. Wir möchten nicht in der Haut von Präsi-
dent Mattarella stecken, der jetzt diese verfahrene
Situation entwirren muss. Er ist nun ein einsamer
Mann, aber einsam ist auch die Verfassung, die ar-
me Frau. Weder der eine noch die andere wollen
irgendeine beliebige Regierung, sondern eine sta-
bile Exekutive, mit klaren Programmen, mit ei-
dpa (3) nem auf die Zukunft gerichteten Horizont.
Die Brüsseler Tageszeitung „De Standaard“
sieht die Wirtschaftspolitik von US-Präsident
Donald Trump auf bestem Weg, diesem die
Wiederwahl zu sichern:
G
enauso hart, wie Trump gegen Peking vor-
geht, so hart übt er auch Druck auf die US-
Notenbank – die Fed – aus, die Zinsen zu
senken. In der Hoffnung, dass dies das Wirt-
schaftswachstum in den USA ankurbelt und seine
Aussicht auf Wiederwahl erhöht. (...) Durch die
Eskalation des Handelskriegs mit China steigt die
Chance, dass die Fed die Zinsen im September
doch noch senkt. Nicht um Trump einen Gefallen
zu tun, sondern um den wirtschaftlichen Schaden
zu begrenzen. Sollte sich Trump Ende des Jahres
dann noch mit Chinas Präsident Xi Jinping arran-
gieren, würde er die Wirtschaft (und die Börsen)
gleich doppelt stimulieren. Und er hätte seinen
Willen bekommen: einen zusätzlichen wirtschaft-
lichen Schub Richtung Wiederwahl.
E
in G7-Gipfel ist komprimierte Weltpolitik: In zwei
oder drei Tagen versuchen die Führer der wich-
tigsten demokratischen Industriestaaten, sich
über das zu verständigen, was ganz oben auf ihrer
Agenda steht. Manchmal gelingt es, öfters nicht.
Emmanuel Macron scheint es zu schaffen, beim Kon-
flikt um Irans Atomprogramm, beim Handel – ein-
schließlich der umstrittenen Steuer auf digitale Ge-
schäfte – und beim Schutz des Amazonas die Stand-
punkte anzunähern. Dabei weiß er besser als andere,
dass US-Präsident Donald Trump in einer Laune alles
wieder aufkündigen kann: Der Mann ist strukturell un-
kooperativ und liebt es, andere zu blamieren.
Verfestigt sich die politische Konvergenz, die sich am
Montag im baskischen Badeort abzeichnete, wäre das
ein erheblicher Erfolg. Was zählt, sind nicht die Äuße-
rungen am Ende des Gipfels, sondern ist die Politik in
den kommenden Wochen und Monaten. Gastgeber Ma-
cron hat auf drei Dinge gesetzt: Trumps Ego schmei-
cheln, völlig schmerzfrei sein gegenüber dessen Provo-
kationen und gleichzeitig nicht in Demut erstarren, son-
dern auch mal volles Risiko fahren. Mehrfach betonte
Macron öffentlich, dass Trump der Führer des mäch-
tigsten Landes der Welt sei und unbeirrbar, wenn es um
seine Wahlversprechen gehe. Das hört der Egomane
gern. Gleichzeitig blieb der Franzose in der Sache hart,
etwa bei der französischen Digitalsteuer. Dann auch
noch den iranischen Außenminister Dschawad Sarif
nach Biarritz einzuladen und sich mit ihm in der Mairie
zu treffen erschien vielen Beobachtern wie eine gefähr-
liche Provokation.
Doch Macron hatte sich vorher mit Trump abge-
stimmt. Seine Kombination aus Härte, Geschmeidigkeit,
Bauchpinselei und Risikobereitschaft ist möglicherwei-
se das richtige Rezept für Außenpolitik in Zeiten eines
begrenzt rational handelnden US-Präsidenten. Jeden-
falls ist sie erfrischend anders als die deutsche Neigung,
Washington gegenüber in Schockstarre zu verfallen
oder als Erstes mit Zugeständnissen zu reagieren, wenn
eigene Autolieferungen oder andere Interessen bedroht
sind. Vielleicht beeindruckt es Trump sogar, dass Ma-
cron sich nicht mit Drohungen wie der mit neuen Zöl-
len ins Bockshorn jagen ließ.
Der Franzose hat in Biarritz einiges erreicht: Die G
setzt einheitlich auf Dialog statt Drohungen im Verhält-
nis zum Iran, sie will eine Mindestbesteuerung großer
Unternehmen und bemüht sich um den Schutz des Re-
genwalds. Von Chile über Afrika und Japan bis Austra-
lien gab sich die ganze Welt in Biarritz ein Stelldichein,
suchte Gemeinsamkeiten. Für ein Europa, das angeb-
lich im Niedergang ist, war das kein schlechtes Wochen-
ende.
G7-Gipfel
Welthauptstadt Biarritz
Auf dem G7-Gipfel nähern sich
die großen Industriestaaten
in ihren Standpunkten an –
und Europa ist wieder im Spiel,
sieht Thomas Hanke.
Der Autor ist Korrespondent in Paris.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Wirtschaft & Politik
DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164
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