Helmut Steuer Stockholm
D
er Absturz kam schnell
und unerwartet: Galten
Nordeuropas Banken
bis vor zwei Jahren
noch als die rentabels-
ten und innovationsfreudigsten Institu-
te in Europa, sind sie mittlerweile tief
in den Sumpf von Geldwäscheskanda-
len geraten. Die Anleger haben auf die
Negativmeldungen reagiert und ihre
Anteile zum Teil panikartig abgesto-
ßen. Kursstürze waren die Folge.
In den vergangenen zwei Jahren
sind die Aktienkurse der größten
nordeuropäischen Bank, Nordea, und
der Swedbank um jeweils mehr als 40
Prozent eingebrochen. Allein seit Mai
dieses Jahres gab der Kurs von
Nordea um 15 Prozent nach, der der
Swedbank um zwölf Prozent. Das
schwedische Geldhaus Handelsban-
ken, gegen das keine Geldwäsche-Vor-
würfe erhoben worden ist, büßte 15
Prozent ein, SEB sechs Prozent. Am
härtesten hat der Kurssturz die
Danske Bank getroffen: Die Aktie ver-
lor in den vergangenen drei Monaten
22 Prozent ihres Werts, in den vergan-
genen zwölf Monaten lag das Minus
bei knapp 54 Prozent.
Geringere Dividenden
Es ist vor allem die Furcht vor enor-
men Strafzahlungen im Zusammen-
hang mit den Geldwäsche-Skanda-
len, aber auch das Niedrigzinsum-
feld, das die Banken belastet und
Anleger verunsichert. Einige Institute
haben bereits angekündigt, die Divi-
denden zu kürzen, um so einen fi-
nanziellen Puffer für etwaige Straf-
zahlungen zu bilden. Die schwedi-
sche Swedbank etwa hat mitgeteilt,
dass sie statt wie bisher 75 Prozent
des Gewinns nur noch 50 Prozent als
Dividende auszahlen wird.
Die Danske Bank hat angekündigt,
die Dividende um 15 Prozent im Ver-
gleich zu 2017 zu kürzen. Die übrigen
Banken wollen im Herbst ihre neue Di-
videndenpolitik bekanntgeben. Ana-
lysten wie Antti Saari von der OP
Group in Helsinki gehen davon aus,
dass die Institute ihre Auszahlungen
an die Investoren „deutlich kürzen“
werden, wie Saari vor Kurzem gegen-
über der Nachrichtenagentur Bloom-
berg erklärte.
Dass sich die nordeuropäischen
Banken auf große Strafzahlungen vor-
bereiten, hat gute Gründe. Denn die
Danske Bank, Nordea aus Finnland
und die Swedbank aus Schweden sind
seit Monaten im Visier der Ermittler.
Über deren baltische Tochtergesell-
schaften sollen zwischen 2007 und
2015 enorme Summen – hauptsächlich
aus den Ländern der ehemaligen Sow-
jetunion – gewaschen worden sein.
Es sind immense Beträge aus dunk-
len Quellen, die den Untersuchungen
zufolge legalisiert worden sein sollen:
Bis zu 200 Milliarden Euro bei der dä-
nischen Großbank Danske Bank,
knapp vier Milliarden Euro bei der
schwedischen Bank Swedbank und
etwa 700 Millionen Euro bei Nordea.
So weit die Erkenntnisse bis zum heu-
tigen Tag. Doch die Ermittlungsbehör-
den schließen nicht aus, dass weitere
illegale Transaktionen aufgedeckt
werden könnten.
„Historisch gesehen hatten wir
wohl zu viel Vertrauen zu unseren
Kunden, es grenzte an Naivität“, gab
Danske-Bank-Sprecherin Julie Galbo
kürzlich zu. Über die kleine Filiale der
Danske Bank in der estnischen Haupt-
stadt Tallinn sollen Transaktionen
von nicht in Estland lebenden Perso-
nen mit einem Volumen von 200 Mil-
liarden Euro durchgeführt worden
sein. Das hatte ein interner Untersu-
chungsbericht der Bank ergeben. Ein
Großteil dieser Transaktionen gelte
als „verdächtig“, wie es in dem Be-
richt heißt. Die Auftraggeber der
Transaktionen sollen aus Russland,
Moldawien und Aserbaidschan stam-
men. Indirekt sei auch die Deutsche
Bank involviert, denn sie war über
Jahre hinweg die Korrespondenzbank
von Danske Bank in Estland.
Auch die Transaktionen, die über
die Swedbank und Nordea durchge-
führt wurden, sind mittlerweile Ge-
genstand von Ermittlungen. Ein Un-
tersuchungsbericht der Gesellschaft
Forensic Risk Alliance, der im Auftrag
der Swedbank erstellt und im März
dieses Jahres veröffentlicht worden
war, attestiert der Bank zwar, dass sie
den geltenden Anti-Geldwäsche-Re-
geln gefolgt sei, doch bleiben viele
Fragen offen. So sind etliche Passagen
in dem Bericht geschwärzt, und Infor-
mationen über den Umfang der illega-
len Transaktionen fehlen ganz.
Eine interne Untersuchung reiche
nicht aus, um Klarheit zu bekommen,
kritisierte der schwedische Finanz-
marktminister Per Bolund. Mittlerwei-
le haben die Aufsichtsbehörden in
den USA, Estland, Dänemark und an-
deren Ländern Ermittlungen aufge-
nommen. Noch ist unklar, ob und
wann mit einem Ergebnis zu rechnen
ist. Doch Konsequenzen gibt es
schon jetzt: So muss die Danske Bank
ihr Geschäft in Estland bis Jahresen-
de schließen. Und Nordea hat bereits
angekündigt, dass man sich aus dem
gesamten Baltikum zurückziehen
werde.
Die zu lasche Kontrolle der Kun-
dentransaktionen hat auch personel-
le Konsequenzen. Danske-Bank-Chef
Thomas Borgen musste im vergange-
nen Jahr gehen, Swedbank-Chefin
Birgitte Bonnesen in diesem Frühjahr
ebenfalls. Beide sollen von Unregel-
mäßigkeiten bei ihren baltischen
Töchtern gewusst haben – ohne ein-
zuschreiten.
Auffällige Transaktionen
Für den britischen Geldwäschespezia-
listen Graham Barrow hätten bei den
betroffenen Banken „viele rote Lam-
pen“ aufleuchten müssen. Er schenkt
den Beteuerungen von Danske, Swed-
bank und Nordea wenig Glauben,
dass sie die Milliardentransaktionen
in gutem Glauben durchgeführt hät-
ten. Der Experte, der bereits Geldwä-
scheskandale bei HSBC und Deut-
scher Bank untersucht hat, kann
nicht nachvollziehen, dass bestimmte
Transaktionen nicht aufgefallen seien.
„Warum soll ein Unternehmen aus
Belize Gelder für Rohstoffe über eine
litauische Bank und Nordea in Kopen-
hagen erhalten?“, fragt sich Barrow.
Mit den Transaktionen haben die
Banken sehr viel Geld verdient. Des-
halb, so glauben Analysten, sei man
„auf einem Auge blind“ gewesen, wie
es ein Stockholmer Experte aus-
drückt. Und ein anderer Analyst fügt
hinzu: „Die nordischen Banken haben
ihre Unschuld verloren.“
Dass gerade nordeuropäische Ban-
ken in den Geldwäscheskandal verwi-
ckelt sind, liegt nach Ansicht von
Analysten an ihrem Engagement in
den ehemaligen Sowjetrepubliken
Estland, Lettland und Litauen. Gleich
nach der Unabhängigkeit der balti-
schen Staaten von der Sowjetunion
expandierten dort die nordeuropäi-
schen Banken. Zunächst mit großem
Erfolg: Swedbank ist mittlerweile die
größte Bank in der Region, auch
Nordea und Danske Bank waren dort
vertreten. In den meisten Fällen
schluckten die nordeuropäischen
Banken kleinere Institute in den balti-
schen Ländern, um so ihre Expansi-
on schneller vorantreiben zu können.
Allerdings übernahmen sie damit
auch über Jahrzehnte gewachsene
Strukturen – Strukturen, die biswei-
len die illegalen Transaktionen erst
ermöglichten.
Andreas Håkansson, einer der re-
nommiertesten Bankenanalysten in
Nordeuropa, meint allerdings, dass
die Institute von den Anlegern zu
stark abgestraft worden seien. „Die
Bewertung der Bankaktien ist extrem
niedrig“, erklärt er dem Handelsblatt.
„Früher glaubten wir, dass ein Kurs-
Gewinn-Verhältnis von zehn niedrig
ist. Jetzt liegen einige Banken bei ei-
nem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fünf
bis sechs“, sagt er. Tatsächlich liegt
der KGV der Swedbank bei 5,5, gefolgt
von der Danske Bank (5,9), Nordea
(6,6), SEB (7,6) und Handelsbanken
(8,5). Håkansson meint nicht, dass
sich die nordeuropäischen Banken in
einer Krise befinden. Swedbank sei
beispielsweise weiterhin die renta-
belste Bank in Europa. Sein Urteil lau-
tet daher: „Die Märkte haben zu stark
reagiert.“
Nordeuropäische Banken
Vom Vorbild zum
Problemfall
Die Aktien nordeuropäischer Banken haben
dramatisch an Wert verloren. Dafür gibt es
verschiedene Gründe.
Gebäude der
Danske Bank:
„Zu viel Ver-
trauen“ zu
den Kunden.
Ritzau Scanpix
22
PROZENT
betrug das Minus
der Aktie der Danske
Bank allein in den
vergangenen drei
Monaten.
Quelle: Bloomberg
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Finanzen & Börsen
DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164
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