Beobachter - 30.08.2019

(Jeff_L) #1
FOTOS: KEYSTONE (2), PRIVAT, PD

DEBITKARTE. Sie bestellten zwei
Gläser Rotwein, Mineral, Oliven
und Schinken. Daran kann sich
Jan Müller* erinnern. Es war im
August 2018, mit seiner Schwes-
ter in einer Zürcher Wein bar.
Was sie sonst noch konsumier-
ten, weiss er nicht mehr. Er
zahlte mit Debitkarte.
Neun Monate später war klar:
Sie müssen Bestellungen für
65 Franken aufgegeben haben.
Erst im Mai 2019 war der Betrag
von Müllers UBS-Konto abge-
bucht worden – ob er korrekt ist,
weiss er aber nicht.
Das Restaurant könne den auto-
risierten Betrag zwar im Nach-
hinein nicht ändern, heisst es bei
der UBS. Doch es könnte sein,
dass der Kellner eine falsche
Summe eintippt und der Kunde
sie per PIN-Eingabe autorisiert.
«Dann kann der Kunde die Diffe-
renz innert 30 Tagen nach Erhalt
des Kontoauszugs beanstanden.»
Dabei spiele es keine Rolle,
wann die Zahlung autorisiert
wurde. Das Res tau rant müsse
dann beweisen, dass der Kunde
tatsächlich für den gebuchten
Betrag konsumiert hat.
Selten könne es sein, dass das
Problem wegen eines System-
fehlers bei der Bank liege. Es sei
daher für Kunden sinnvoll, sich
auch an die Bank zu wenden.


Sieben Tage wären normal.
Das Problem: Müller hat die
Quittung weggeworfen, die
Erinnerung ist verblasst. «Das
Restaurant hätte den Betrag
sofort einreichen müssen, damit
die Abbuchung für den Gast
noch nachvollziehbar ist», heisst
es bei der UBS. Händler seien
angehalten, Transaktionen innert
sieben Tagen einzureichen.
Danach muss der Kartenheraus-
geber, hier die UBS, die Zahlung
nicht mehr einlösen, erklärt eine
Mastercard-Sprecherin. «Die
Bank sollte die Zahlung aber
einlösen, wenn keine offensicht-
lichen Anhaltspunkte dagegen-
sprechen, und es dem Kunden
überlassen, ob er der Zahlung
widersprechen möchte.»
CAROLINE FREIGANG


W


er im Spital war, muss neben
der Franchise auch noch den
Selbstbehalt von 10 Prozent
zahlen. Hinzu kommen 15 Franken pro
Spitaltag, die man für die sogenannten
Lebenshaltungskosten selbst berappen
muss, zum Beispiel für das Essen.
Obwohl die 15 Franken nichts mit
den Krankenkassen zu tun haben,
schlugen diese systematisch 10 Prozent
Selbstbehalt auf den Betrag. Den meis­
ten Patienten wurden also Fr. 16.50 pro
Tag verrechnet. Die Stiftung für Konsu­
mentenschutz (SKS) hat nun die 15
grössten Kassen befragt. Alle bestäti­
gen, den Selbstbehalt auch auf den Spi­
talkostenbeitrag verrechnet zu haben.
Es geht um Millionenbeträge, wenn
man die jährlich gegen 12 Millionen ver­
rechneten Pflegetage als Basis nimmt.
Am 14. Mai hat das Bundesgericht
den Aufschlag klar als illegal taxiert. Die
Kassen dürfen seither nur noch 15 Fran­
ken verrechnen. Patienten, die nach
dem 14. Mai Abrechnungen alter Art er­
halten haben, wollen sie entschädigen. 

Mit dem Segen des Bundes. Doch was
ist mit den Millionen, die über Jahre
widerrechtlich in die Taschen der Kas­
sen wanderten? Nur eine Versiche rung,
die Concordia, gab gegenüber dem
Konsumentenschutz an, zu hohe Rech­
nungen korrigiere man über fünf Jahre
zurück. Alle anderen Kassen wollen das

nicht oder gaben an, man folge dem
Bundesamt für Ge sundheit (BAG). Es
schrieb an die Kassen: Das Urteil «ent­
faltet [...] keine echte Rück wirkung, das
heisst, sie gilt nicht für die vor dem


  1. Mai 2019 definitiv abgeschlossenen
    Fälle». Rückerstattungen seien darum
    nur ein Thema, wenn ein Patient seine
    noch nicht abgeschlossene Abrech­
    nung innert 90 Tagen beanstande, eine
    schriftliche Verfügung fordere und in­
    nert 30 Tagen Einsprache erhebe.
    Der Bun desrat verteidigt die Auffas­
    sung des BAG in seiner Antwort auf eine
    Interpellation von SKS­Präsidentin und
    SP ­Nationalrätin Prisca Birrer­Heimo.


Selber schuld. Kurz: Patienten, deren
Fälle vor dem 14. Mai 2019 abgeschlos­
sen wurden, sollen keine Rückerstat­
tung erhalten. Und wer sie noch verlan­
gen könnte, muss das selbst merken.
Bei kleinen Beträgen dürften sich Rück­
forderungen so in Grenzen halten.
Die SKS kritisiert das Verhalten des
BAG: «Die Kassen rechneten mit amt­
lichem Segen über Jahre falsch ab. Das
Mindeste wäre jetzt, dass das BAG sie
auffordert, zu informieren und rückwir­
kend zu entschädigen.» Betroffenen rät
die SKS, in jedem Fall Rückerstattung
zu verlangen. «Wenn sich die Kasse
nicht kulant zeigt, kann man im Herbst
mit der Grundversicherung zu einer
anderen wechseln.» PETER JOHANNES MEIER

SPITALKOSTEN. Jahrelang zahlten Patienten
Fr. 1.50 pro Tag zu viel. Die Krankenkassen wollen
die einkassierten Millionen behalten.

Millionen zu


viel bezahlt


Buchung spät,


Ärger gross


6 Beobachter 18/2019 *Name geändert

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