Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

8 |SA./SO.,24./25.AUGUST2019DAgenda:AgendaParteispenden ERSTANDARDWOCHENENDE


M


anche geben ein paar Tausend
Euro, andere gleich hundert-
tausende. Seit die ÖVP am
Dienstag ihre Spendenliste für
2018 und 2019 unter Zugzwang veröffent-
lich hat (demSTANDARDwurden zuvor
Unterlagen über den Digitalen Briefkasten
zugespielt), hat eine Debatte über Einfluss-
nahme von Unternehmen und Superrei-
chen auf die Volkspartei speziell und
die Politik allgemein begonnen.
Was bezwecken die Geldgeber mit ihren
Spenden? Die schlechte Nachricht lautet,
dass es in den meisten Fällenkeine sichere
Antwort gibt. Die gute: Bei genauem Hinse-
hen lassensicheinige Hinweise dafürfinden,
was die Geldgeberantreibendürfte.Meistens
kommen mehrere Motive zusammen.
Ganz gut zeigen lässt sich das am Bei-
spiel von Heidi Goëss-Horten, der Kauf-
hauserbin und Kunstsammlerin. Sie hat
in den vergangenen zwei Jahren 931.
Euro an die ÖVP überwiesen, gestückelt in
Tranchen, sodass eine sofortige Veröffent-
lichung durch den Rechnungshof entfallen
konnte. Heidi Horten sei eine „Idealistin“:
Den Werten, an die sie glaube, wolle sie in
der Politik zum Durchbruch verhelfen. Das
sagt der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian
Strache im Ibiza-Video. Er plauderte darü-


ber, warum Horten und andere Unterneh-
mer wie der Immobilieninvestor René Ben-
ko Geld geben–indiesem Fall an die FPÖ.
Die Genannten dementieren Geldflüsse,
und vielleicht prahlt Strache auch nur.
Aber: Die ÖVP plädiert für niedrige Steu-
ern, einen schlanken und stabilen Staat,
propagiert Erfolg durch Leistung, steht an-
sonsten wohl wie keine andere Partei der
Zweiten Republik für Kontinuität. All das
dürfte der Milliardärin Horten ebenso ge-
fallen wie Sebastian Kurz. Seit er die ÖVP
führt, spendete sie deutlich mehr.
Hinzu kommt, dass die ÖVP gerade auch
für niedrigere Steuern für Vermögende ein-
tritt. Hortens Privatvermögen wird vonFor-
besauf 3,1 Milliarden Euro geschätzt. Eine
kleine Vermögenssteuer von 0,1 Prozent
würde sie schnell deutlich mehr kosten als


die bisherigen Spenden an die ÖVP, selbst
wenn nur ein kleiner Teil ihres Vermögens
im Inland wäre. Der ÖVP Geld zu geben ist
also ein gutes Investment aus ihrer Sicht.
Auch die Eröffnung ihres neuen Museums
in Wien steht an.
Alles deutet darauf hin, dass die Motiv-
lage auch beim Industriellen Klaus Ortner
ähnlich sein dürfte. Seine IGO Industries
war 2018 und 2019 der zweitgrößte Spen-
der der ÖVP, Ortner gab auch schon 2017
fleißig. Er ist auch Mitglied in der Tiroler
Adler Runde, einem Zusammenschluss Ti-
roler Großunternehmer und Industrieller.
Sie forderten im Vorfeld der Nationalrats-
wahlen 2017 von der künftigen Regierung,
dass Mitarbeiter bei Auftragsspitzen zwölf
Stunden am Tag und 60 Stunden in der Wo-
che arbeiten können. Das entsprechende
Gesetz wurde im Sommer 2018 unter Fe-
derführung der ÖVP verabschiedet. Auch
die Steuersenkung für Unternehmer, die
Türkis-Blau anvisiert hatte, zählt zu den
Kernforderungen der Gruppe.

Spenden und Karrieresprünge
Bei Ortner fällt zudem auf: Im Februar
2019 wurde seine Tochter in den Aufsichts-
rat der Staatsholding Öbag berufen. Die
Öbag verwaltet die Beteiligungen des Bun-
des, wie etwa Casinos oder Post. Er ist nicht
der einzige Spender, in dessen Umfeld es
zu Karrieresprüngen gekommen ist. Zu den
ÖVP-Großspendern zählt auch Peter Mit-
terbauer, Unternehmer und Ex-Präsident
der Industriellenvereinigung. Seine Toch-
ter, einst Vorsitzende der Jungen Industrie,
kandidierte 2017 für die ÖVP und sitzt seit-
dem im Nationalrat. Die Touristikerin Te-
resa Pagitz spendete 15.000 Euro im Jahr


  1. 2018 wurde sie ÖBB-Aufsichtsrätin.
    Zumindest die Grünen sehen noch ein
    weiteres Motiv: Genehmigungen. Zwei Fir-
    men aus dem Vorarlberger Fruchtsaftimpe-
    rium Rauch haben für die Volkspartei ge-
    spendet –die Esola Beteiligungsverwal-
    tungs GmbH und die RSG Beteiligung
    GmbH –, und zwar 2017, 2018, 2019. Die
    Grünen sehen darin eine Verbindung mit
    einer geplanten Betriebserweiterung in Lu-
    desch: Rauch will in der kleinen Gemeinde
    seine Produktionskapazitäten in geschütz-
    tem Grünland ausbauen. Der zuständige
    ÖVP-Landesrat Karlheinz Rüdisser signali-
    sierte bereits Unterstützung–doch noch
    hat die Landesregierung nicht zugestimmt.
    Auch die Gemeindepolitiker in Ludesch
    sind für das Projekt. Hinter dem Projekt
    steht also nicht nur die ÖVP. In Ludesch ist
    im Herbst eine Abstimmung geplant, deren
    Ergebnis bindend sein wird. Wer sich fragt,
    warum nicht gleich Unternehmer selbst
    Geld an die ÖVP geben: Die Antwort dürf-


te im Steuerrecht liegen. Der Unterneh-
mensgewinn wird mit 25 Prozent Körper-
schaftsteuer belegt. Wird Profit ausgeschüt-
tet, kommt noch einmal Kapitalertragsteuer
von 27,5 Prozent darauf. Wer sein Unter-
nehmen spenden lässt, spart sich Letztere.
Heikel sind die Spenden bei Aktiengesell-
schaften–hier verfügt ja der Vorstand über
fremdes Geld: das der Aktionäre. Auf der
ÖVP-Spenderliste finden sich einige AGs
oder ihre Tochtergesellschaften. Gespendet
hat etwa die Premiqamed Holding. Die
GmbH überwies 2017 und 2018 je 25.
Euro an die ÖVP. Das Unternehmen, zu dem
die Privatklinik Döbling in Wien gehört, ist
im Eigentum der Uniqa. Die Uniqa ist ein
börsennotierter Konzern, dominiert von
Raiffeisen. Auch dieRaiffeisenzentralbank
AG findet sichmit einer Spende von 50.
Euro im Wahljahr 2006 auf der Liste.

Die Oberbank AG zahlte damals 50.
Euro und ist ebenfalls börsennotiert. Sie
gibt an, eine Veranstaltung in Linz mit
demdamaligen„parteifreien“Finanzminis-
terKarl-HeinzGrassergesponsertzuhaben.
Die Porschebank AG soll laut Liste
250.000 Euro im Jahr 2006 gespendet haben
–dort dementiert man das allerdings.
Aktiengesellschaften befinden sich in
einer Zwickmühle: Der Vorstand darf nur
dann Spenden gewähren, wenn sich ein kon-
kreterVorteil fürdasUnternehmenergibt.Ist
das nicht der Fall, kann er rasch dem straf-
rechtlichenVorwurf der Untreue ausgesetzt
sein. Zugleich macht sich aber,wer Geld gibt
oder verspricht, um einenAmtsträger zu be-
einflussen, der Bestechungschuldig.
Bei Aktiengesellschaften mit über-
schaubarer Eigentümerstruktur sind
Spenden selten ein Problem, weil Eigentü-
mer im kurzenWeg zustimmen können.
„Bei unübersichtlichen Aktiengesellschaf-
ten ist die Sacheheikel“, sagt Strafrechtler
Robert Kert von der WU-Wien. Das sei eine
„Grauzone“. Selbst Experten sind nicht
sicher, was geht und was nicht.
Der Gesellschaftsrechtler Fritz Rüffler er-
klärt, dass Spenden für den wohltätigen
Zweck, für Sportvereine oder kulturelle

Veranstaltungenerlaubtsind,weilesdaum
dieFörderungvonDingenmitanerkanntem
gesellschaftlichem Wert geht. Bei Partei-
spenden lasse sich so ein Argument kaum
vorbringen, sagt Rüffler. Dagegen zu sagen,
eine Spende an die ÖVP sei im Interesse des
Unternehmens, weil die ÖVP für niedrige-
re Steuern eintritt, wovon man selbst pro-
fitiere, „wäre plausibel“, sagt Rüffler.
Sein Kollege Martin Karollus meint, nicht
jede Parteispende einer AG sei verboten:
Aber sie muss gut begründet sein. Wie ein
Gericht so eine Causa beurteilen würde,
„darauf würde ich keine Wette abschlie-
ßen“. In Österreichgibt es noch keinenPrä-
zedenzfall.Die Uniqa hat die Spenden der
Tochtergesellschaft publik gemacht. Auf
Nachfrage, warum man gespendethabe und
auf welcher Rechtsgrundlage, heißt es bei
Uniqa, dass der eigene Verhaltenskodex,
der „übergesetzlichenBestimmungen in
vielerlei Hinsicht hinausgeht“, dies zulasse.
Spenden dürfen Ansehen und Integrität der
Uniqa nicht gefährden. Bei RBI heißt es,
dass die RZB zweckgebunden und unter Be-
achtung der Gesetze gespendet hat. Da die
RZB nur zweckgebundenes Projektsponso-
ring mit positivenWerbeeffekten durchge-
führt hat, sehe man das im Unternehmens-
interesse und im Einklang mit dem Aktien-
gesetz. Der Zuschuss sei für eine Veranstal-
tung einer ÖVP-Initiative erfolgt. 2013 habe
man eine neue Spendenrichtlinie veröffent-
licht, seither keine Spenden getätigt.
Die Oberbank sagt, Grasser habe bei der
„Infoveranstaltung“ 2006 Unternehmen
und Kunden der Bank sein Konzept zur
Stärkung des Standorts Österreichpräsen-
tiert. Der Beitrag der Bank zum Event sei im
eigenen wirtschaftlichenInteresse gelegen
und erfolgte unter Einhaltung aller Gesetze.
Übrigens findet sich auf der Spenderlis-
te neben Privatpersonen und Unternehmen
auchderÖsterreichischeBurgenverein,der
10.000 Euro im Jahr 2018 gab. Der Verein
setzt sich für den Erhalt von Burgen ein und
ruft auf seiner Website auch zu Spenden
auf. Wer die Spende genehmigt hat und
warum: kein Kommentar.

Die Spenderliste derÖV
Poffenbart neueUn
terstützer,über deren
großteils Motive
nurgerätseltwerden kann.
Unter den Großspendern befinden sich auch
börsennotierteFirmen
–das könnte für Zores mit ihren Aktionären sorgen.

RECHERCHE:AndrásSziget
vari

VonIdealis


ten


und In
vestoren

„Die Spender,die wir haben,
sind in der RegelIdealisten.
Diewollen Steuersenkungen. (...)
HeidiHorten istein Beispiel.“
Der damalige FPÖ-Chef Heinz-
Christian Strache im Ibiza-Video
(Horten dementiert FPÖ-Spenden)

„Uns istwichtig festzuhalten,
dass diese Spendenkeinen
parteipolitischen Hintergrund
haben. (...) Sie sind
Unterstützung für dieIdeen
vonSebastianKurz.“
Statement der Firma Rauch

Haben Sie Dokumente oder
Informationen, von denen die
Öffentlichkeit erfahren sollte? Schicken
Sie diese über unseren „Digitalen Brief-
kasten“ anonym an denSTANDARD:
derStandard.at/Briefkasten

Digitaler Briefkasten

Free download pdf