Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

DERSTANDARDWOCHENENDE Agenda:AbcdefghijklmnopqrstuvwxyzAgenda SA./SO.,24./25.AUGUST2019| 7


Kampagnenprofis der SPÖ für Kopfschüt-
teln sorgte. Die Devise: erst einmal völ-
lig unpolitisch sein. Gepostet wurden ab
Juni fast ausschließlich banale Kalender-
sprüche („Wunder sind leise“) und regio-
nalisierte Heimatverbundenheit („Ich liebe
mein Kärnten“). Das war der Einstieg in
einen Dialog mit den Usern.
Langsam habe man dann darauf auf-
gebaut, mit der Zeit wurden die Inhalte
immer politischer. „Inzwischen posten wir
konkrete sozialdemokratische Lösungs-
vorschläge“, sagt Würges. „Natürlich haben
wir auch Menschen vom Beginn wieder
verloren. Aber achtzig bis neunzig Prozent
konnten wir halten.“ Den notwendigen
Mitteleinsatz hält der rote Social-Media-
Chef im Vergleich zu einer Plakatkampag-
ne für „überschaubar“.


Nationalstolz statt Netflix


Die Sozialdemokraten sind nicht die
einzigen, die auf Fehr Advice setzen. Die
Berater mit Hauptsitz in Zürich haben etwa
den Schweizer SRG, das eidgenössische
Pendant zum ORF, wohlbehütet durch eine
Volksabstimmung zur Abschaffung der
Rundfunkgebühren begleitet. Dabei setzten
sie auf Nationalstolz, statt mit dem Service-
gedanken von Netflix zu konkurrieren.
Als die FPÖ in Regierungsverantwortung
ein ähnliches Begehren zur Abschaffung
der GIS-Gebühr vorantrieb, war man beim
ORF alarmiert. Gemeinsam mit Fehr Ad-
vice, die seit 2018 auch ein Büro in Wien
unterhalten,solldieidentitätsstiftendeRol-
ledesöffentlichenRundfunksinÖsterreich
hervorgekehrt werden.
In der Zusammenarbeit mit der SPÖ
betont Fehr Advice, dass es „ausschließlich
um positive Kampagnenführung“ gehe. Zur
konkreten Beratertätigkeit wollte sich bei
der Agentur niemand äußern.
Die rote Social-Media-Strategie sollte
aber jedenfalls auch ins echte Leben über-
setzt werden. Auf Rendi-Wagners Tour
durch die Bundesländer traf sie über Face-
book geköderte Interessierte in kleinen
Gruppen. In Innsbruck hat sie etwa eine
Stadtführung mit nur drei Frauen unter-
nommen. Am nächsten Tag schickte sie
ihnen aus Niederösterreich eine Postkarte.
Der Hintergedanke: Rendi-Wagner und
die SPÖ sollen nahbar sein–inder analo-
gen wie auch in der digitalen Welt. Men-
schen, die sie trifft, erzählen das Freunden
und der Familie–und die erzählen es auch
wieder weiter. Um Rendi-Wagners Authen-
tizität auszudrücken, würden Fotos von ihr
kaum retuschiert, heißt es.
Wichtig sei im Wahlkampf aber auch,
dass es anders als bei Kurz nicht nur um
Rendi-Wagner gehe, erzählt einer ihrer
Mitarbeiter. Das Ziel sei es, dass die SPÖ
gemeinsam mit ihr an Beliebtheit gewinnt.
Dadurch seien Geld und Kapazitäten auch
deutlich nachhaltiger investiert.


QÖVPSebastian Kurz schwört für seine
Wahlkampagnen auf das Campaigning
Bureau, das vom einstigen ÖVP-Kommuni-
kationschef Philipp Maderthaner geleitet
wird. Maderthaner hat schon 2013 den Vor-
zugsstimmenwahlkampffürdendamaligen
Integrationsstaatssekretär orchestriert. Das
Campaigning Bureau ist vorwiegend auf
Mobilisierung via Social Media speziali-
siert. Ansonsten werde man dieses Mal die
meisten Aufgaben aus internen Ressourcen
bestreiten, heißt es aus der ÖVP.

QSPÖDie SPÖ setzt neben Fehr Advice auf
den altbekannten Werber Luigi Schober.
Dessen Werbeagentur kümmert sich um
Plakate, Inserate und TV-Spots.

QFPÖDie Freiheitlichen halten sich tra-
ditionell von Werbeagenturen fern und
konzipieren ihren Wahlkampfauftritt im
eigenen Haus. „Nur vereinzelt kaufen wir
Grafiken extern zu“, sagt Generalsekretär
Christian Hafenecker. Der Rest werde aber
von jenen Leuten gemacht, die auch abseits
des Wahlkampfs Regie führen. Im Social-
Media-Bereich ist das vor allem Bundes-
geschäftsführer Joachim Stampfer, der
am Aufbau von Heinz-Christian Straches
Facebook-Seite federführend beteiligt war.
Bis vor kurzem galt die enorme Reichweite
dieser Seite als größtes blaues Erfolgs-
produkt.

QNeosDie Pinken arbeiten mit drei Werbe-
firmen zusammen. Als Kreativagentur hat
man Hello Vienna engagiert–ein Wiener
Unternehmen, das in der Vergangenheit
auch schon eine Kampagne für den
STANDARDorganisiert hat. Für die Media-
planung holen sich die Neos die Expertise
der Firma Media-Plus.Beim sogenannten
Performancemarketing–der Maximierung
der Interaktionen mit Webnutzern–setzt
man auf Digitalberater der Firma Wack-It.

QGrüneVorder letzten Nationalratswahl
ging die Werbelinie der Grünen daneben,
zumindest wenn man das Wahlergebnis als
Maßstab nimmt. „Wer grün denkt, aber rot
wählt, kann blau bekommen“, lautete einer
der verschlungenen Plakatslogans. Dieses
Mal wollen es die Grünen mit weniger
Budget besser machen, um wieder ins Par-
lament zu kommen. Es gebe keine Verträge
mit klassischen Werbeagenturen, erklärt
Wahlkampfmanager Thimo Fiesel. Eine
„kleine Gruppe von Kreativen“ werde sich
um die grafische Gestaltung der Wahl-
plakate kümmern. Zusätzlich arbeiten die
Grünen mit der Marketingfirma E-dialog
zusammen, die für die Optimierung der
Social-Media-Präsenz zuständig ist. Um
Inhaltliches kümmere sich die Partei aber
selbst.

QListeJetzt„Wir machen alles inhouse,
externe Agenturen brauchen wir nicht“,
sagt Jetzt-Pressesprecherin Karin Spitra.
Klassische Werbeformate wie Wahlplakate
sind der kleinsten Parlamentsfraktion oh-
nehin nicht so wichtig: 2017 rühmte sich
Pilz damit, dass man nur genau ein Plakat
produziert habe. Für die grafische Gestal-
tung des Internetwahlkampfs bediene man
sich allerdings der Hilfe des neuen Online-
parteimediumsZackzack.(ta, mika)

Aufwelche Agenturen


dieParteien setzen


AGENDA:Wahlkampf in SocialMedia


Facebook und Instagram sind
die für Parteien relevanten
Social-Media-Kanäle, für die
auch Geld ausgegeben wird,
um die eigene Reichweite zu
erhöhen. Auf Twitter tummeln
sich eher Journalisten
und Pressesprecher.
Screenshots:Instagram/FacebookSPÖ
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