Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

30 |SA./SO.,24./25.AUGUST2019DKultur ERSTANDARDWOCHENENDE


Die SalzburgerFestspiele 2019gehen in die Geschichte
als soliderJahrgang mitrespektablem Musikniveau ein.
Szenisch bemerkenswert warimOpernbereichwenig.
Auch dem Theater fehlte das große Highlight.

Ljubiša Tošić,Margarete Affenzeller

Im Rausch


des Soliden


D


ass ein „ganz normaler Vorgang“
(Altkanzler Sebastian Kurz zum
Schredder-Gate) wie die Absage
eines der drei Konzerte von Anna Netrebko
fürdiegrößteErregungdesSommerssorgte,
zeigt, dass die Salzburger Festspiele heuer
von besonderer künstlerischer Spannung
eher unbehelligt geblieben sind. Hierzu
passt auch, dass der am Sonntag nahende
Auftritt des von einigen Frauen der sexuel-
len Belästigung beschuldigten Plácido
Domingo hitziger debattiert wird als etwa
MozartsIdomeneo.DieOperwurdezueiner
Mahnung vor dem Klimawandel umge-
deutet. Die Inszenierung blieb aber harm-
loser und reihte sich in eine Abfolge eher
nur respektabler Opernpremieren ein. Der
Gesamteindruck lässt vermuten, Salzburg
hole Luft, um erst im kommenden Jubilä-
umsjahr (100 Jahre Festspiele) wieder eine
prickelnde Ausnahmesituation zu schaf-
fen, die Festspiele ja sein können.
Sollte die Frage aufkommen, was 2020
wiederaufgenommen werden könnte, wür-
de sich CherubinisMédéein der Inszenie-
rung von Simon Stone anbieten. Durch
Mittel wie Video, Simultanszenen, Stimm-
einspielungen und präzise Beziehungs-
schilderung ist das Werk im Heute ange-
kommen. Eine Entdeckung war Elena
Stikhina als Médée. Sie steht für das insge-
samt verlässlich gute Musikniveau. Beson-
ders Dirigent Teodor Currentzis zeigte, dass
er bei MozartsIdomeneohohe Sensibilität
walten lässt, die eine gute Balance zwi-
schen pointierter Dramatik und klanglicher
Leichtigkeit findet.
Peter Sellars wiederum blieb beiIdome-
neoplakativ. Seine Mahnung vor Plastik-
müll und Umweltschäden bebildert er put-
zig mit luftblasenartigen Schwebegeschöp-
fen, die so niedlich wirkten, dass die Um-
weltsorgen sich in einem ästhetischen
Wohlgefühl auflösten. Da war Sellars’
Eröffnungsrede eindringlicher.


Treue und Kontinuität


Es zeigt sich: Intendant Markus Hinter-
häuser setzt auf personelle Kontinuität.
Auch diese vermag jedoch nicht zu garan-
tieren, dass ein Regie-Da-capo gelingt–eine
Erfahrung, die auch bei Verdis Simon
Boccanegramöglich war. Ein von Dirigent
Valery Gergiev philharmonisch gediegen
betreutes Fest der recht guten Stimmen
(Luca Salsi, Rene Pape, Marina Rebeka)
schrumpfte szenisch zu einem rampen-
nahen Arienabend vor eleganter Architek-
tur. Da war Andreas Kriegenburgs Inszenie-
rung von SchostakowitschsLady Macbeth
von Mzensk(2017) ein subtileres Kaliber.
Immer wieder immerhin die Musik: Bei
Œdipevon George Enescu wurde die Inter-
pretation der Wiener Philharmoniker unter
Ingo Metzmacher zum edlen Dokument der
Spätromantik. Regieveteran Achim Freyer
steuert dazu allerdings nur seinen bewähr-
ten Kosmos aus farbenreichen Menschen-


puppen bei, in dem die Hauptfigur als Mix
aus Rocky und Hulk litt. Warum er Super-
held sein musste, konnte auch ein grandio-
ser Christopher Maltman nicht vermitteln,
der als Gag auch in OffenbachsOrphée aux
enfersgepasst hätte. Regisseur Barrie Kos-
ky gönnte sich einen Buffospaß, dessen
virtuose Szenenfolge in einer Höllenfete
mündete und keine Blödelei ausließ. Es
hatte immerhin grellen Charme samt genia-
ler Idee, sämtliche Sprechpassagen Schau-
spieler Max Hopp zu übertragen.
Zusammen mit den immer gut durch-
dachten Konzertprogrammen ergibt das
einen soliden Jahrgang. Zu welch szeni-
schen Höhenflügen Salzburg eigentlich
fähig ist, wird aber die sonntägige Wieder-
aufnahme derSalomein der Regie von Ro-
meo Castellucci zeigen. Davon darf im Ju-
biläumsjahr ein bisserl mehr auftauchen.

Pech im Spiel
Castellucci oder Stone hätten auch
dem diesjährigen Schauspielprogramm als
Zuspitzungsmeister gutgetan. Im Vergleich
zu den letztjährigen Höhepunkten mit den
Persernvon Ulrich Rasche sowiePenthesi-
leain der Regie von Johan Simons zog die-
ses heuer insgesamt doch lau vorbei. Auch
Pech war mit im Spiel! Die für ihr Salzburg-
Debüt erwartete slowenische Regisseurin
Mateja Koležnik musste die Arbeit an Ma-
xim GorkisSommergästenaus gesundheit-
lichen Gründen im Mai kurzfristig abgeben.
Der 38-jährige Ersatzregisseur Evgeny Titov
war eine gute Wahl, konnte in diesem flie-
genden Wechsel der konzeptuellen Zwit-
terlage allerdings nicht wirklich entkom-
men.
Auch blieben vielversprechende Schau-
spielheroen wie Caroline Peters inDie Em-
pörtenoder Jörg Hartmann inJugend ohne
Gottin uninspirierten bis schwerfälligen
Regiekonzepten verschüttet. Am besten traf
es noch Neo-Buhlschaft Valery Tschepla-
nowa, die sich in der nunmehr ausgereiften
Jedermann-Inszenierung Michael Sturmin-
gers wirkmächtig Raum verschaffte. Tsche-
planowa ist für Schauspielchefin Bettina
Hering gewiss der Coup dieses Jahres, und
man kann davon ausgehen, dass sich das im
nächsten Jahr wiederholt.
Nicht alle Planungsträume gehen derart
auf. Das Publikum erwartetRegisseure und
Regisseurinnen der ersten Liga, zugleich
aber auch neueGesichter, verschiedene
künstlerische Handschriften und auch
thematische Diversität. In diesem Dickicht
an Begehrlichkeiten schien Herings Saison
theoretisch zwar perfekt. Praktisch aber ließ
nur dasLiliom-Märchen mit den Roboter-
armen von Kornél Mundruczó Festivalstim-
mung aufkommen. Dass das Schauspielpro-
gramm im großen Planungsbogen zum Jah-
resthema Mythos (Médée, Œdipe, Orphée
aux enfers, Salomeetc.) gänzlich herausge-
fallen war–warum auch immer–, war nur
ein vernachlässigbarer Schönheitsfehler.

Christopher Maltman sang toll im seltsamen „Œdipe“. Im Schauspiel überzeugte
immerhin das Maschinentheater in Kornél Mundruczós „Liliom“-Inszenierung.

Foto: APA

/B

arbara Gindl

Einfalt im ehemaligenFürstentum ob der Enns


Die Debatte über dieFörderung derKTM-Motohall hält an, derLandesrechnungshof prüft–KeinMuseum, urteilt Experte Sandgruber


Olga Kronsteiner

R


oman Sandgruber wagte
sich diese Woche inkognito
in die Höhle des Löwen:
nach Mattighofen in die KTM-
Motohall. Der anerkannte Wirt-
schaftshistoriker wollte sich ein
Bild über jenes „Museum“ ver-
schaffen, das durch die 1,8 Mil-
lionen Euro hohe Förderung aus
Kulturmitteln seit Tagen für Dis-
kussionen sorgt. Als Präsident des
Oberösterreichischen Museums-
verbundes kenne er das Projekt ja
nurausdemfünfseitigenKonzept-
papier von 2015, erzählt er.
Laut KTM und Landeskultur-
direktion habe der Verbund es als
„wertvoll“ befunden und entspre-
che es dem oberösterreichischen
Museumskonzept. Damit hatte
man die üppige Förderung auch
begründet. Schon als 2017 und
2018 die ersten beiden Raten zu
je 600.000 Euro zur Abstimmung
gelangten. Eine Interpretation,
keine mit Fakten belegbare Wahr-

heit. Man habe nur zu Grundsätz-
lichem beraten, wiederholt Sand-
gruber. Wie seine Bewertung nun
ausfällt? „Eine große Werbeschau,
eine Verkaufshalle mit einer An-
sammlung von Motorrädern.“
Als Museum könne man das in
keiner Hinsicht bezeichnen, auch
als Firmenmuseum nicht, da jed-
wede historische Einbettung und
Zusammenhänge zu technischen
Entwicklungen abseits der Marke
KTM fehlen. Anders als in den
von BMW oder Mercedes betrie-
benen Museen und anders als im
Konzept 2015 avisiert. „Museum
ist für mich Vielfalt, das hier ist
Einfalt“, lautet sein Urteil.
Damit ist der Disput wohl pro-
longiert. Zumal, wie mehrfach be-
richtet, Kulturschaffenden 2018
mit dem Argument fehlender Fi-
nanzmittel die Subventionen
drastisch gekürzt wurden. Eine
Schieflage, einerlei, ob und wie
viel KTM-Chef Stefan Pierer der
ÖVP je spendete. Amtierende und
ehemalige Landeshauptmänner

sind bemüht, die Causa als norma-
len Vorgang und im Umfang legi-
time Zuwendung zu „verkaufen“.
Gelingen will das freilich nur
bedingt, die Debatte hält sich hart-
näckig. Denn, wie mittlerweile be-
kannt, gab es keinen „einstimmi-
ge Grundsatzbeschluss der Lan-
desregierung im Jahr 2015“ für die
Beihilfe der KTM-Motohall. Flap-
sig formuliert hatte das Josef
Pühringer unter Einbindung sei-
nes Stellvertreters Reinhold Ent-
holzer (SPÖ) und eines Landesra-
tes ausbaldowert. Insgesamt geht
es um 6,2 Millionen Euro, die aus
unterschiedlichen Budgettöpfen
zugesagt und teils bereits ausbe-
zahlt wurden.

Bedeutungsflexibles „M“
Bei den zwischendurch ge-
nannten 4,5 Millionen handelt es
sich um jene Summe aus dem
Finanzierungsplan, die den Ver-
handlungen 2015 dienten, bestä-
tigt Friedrich Schwarzenhofer
(SPÖ), der Bürgermeister aus

Mattighofen auf Anfrage. Dem
Vernehmen nach soll die damali-
ge Atmosphäre von massivem
Druck geprägt gewesen sein: Das
„M“ der Firmenmarke müsse ja
nicht weiterhin für die rote Ge-
meinde Mattighofen stehen. Das
schwarz regierte Munderfing, ein
weiterer KTM-Standort, bot sich
als Alternative für die Motohall.
Die Umsetzung erfolgte schließ-
lich in Mattighofen. Die Investi-
tion war KTM rund 35 Millionen
Euro wert. Als Marketinginstru-
ment freilich in vollem Umfang
steuerlich absetzbar. Im Mai eröff-
nete „das dritte Wahrzeichen“ in
Mattighofen, wie Schwarzenhofer
nicht ohne Stolz vermerkt. Da-
mals habe es ja kaum Zeitungsar-
tikel gegeben, die aktuellen Me-
dienberichte sorgen dagegen für
enormen Zulauf.
Von dieser Form des Skandal-
tourismus profitiert nicht nur die
Gemeinde, sondern ironischer-
weise eben auch KTM: weniger
über die Eintrittsgelder und Park-

gebühren als über den Verkauf der
Merchandisingartikel im Shop.
Das Sortiment umfasst Motorrad-
kleidung, T-Shirts, Caps, Unter-
hosen, sogar Schnuller mit dem
KTM-Logo. Fachliteratur über die
Geschichte des Motorsports wird
man dort übrigens vergeblich su-
chen. Es steht nur ein einziges
Buch zum Verkauf, der Fotoband
mit den rund 160 dort ausgestell-
ten Motorrädern, so Roman Sand-
gruber. Einerlei. In Linz fordert
die SPÖ in der Causa zwischen-
zeitlich eine Sonderprüfung
durch den Landesrechnungshof.
Dessen Bericht könnte rückwir-
kend Einblick in die Förder-
usancen des ehemaligen Teilfürs-
tentums ob der Enns gewähren.
Der Antrag auf Prüfung erging
am Donnerstag an den Landtags-
präsidenten Viktor Sigl, Vater des
gleichnamigen KTM-Finanzvor-
standes. Sigl Junior hatte die De-
batte vor wenigen Tagen noch in
der Kategorie „Sommerloch“ ver-
ortet.
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