Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

38 |SA./SO.,24./25.AUGUST2019DKommentarderanderen ERSTANDARDWOCHENENDE


ANTONIOFIAN


Beim Heiligen AndreasvonTyrol


Mysterienspiel in zwei Akten


  1. AKT
    (Gebirge. Der Heilige Andreas von Tyrol meditiert in seiner
    Klause. Der ÖVP-Vorsitzende Kurz tritt auf und kniet vor ihm
    nieder.)
    KURZ:Heiliger Andreas, Weisester der Weisen,
    im Namen unserer Gemeinschaft erbitte ich deinen Rat.
    Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt
    gegen uns. Wie sollen wir uns verhalten?
    ANDREAS (nachdem er seine Meditation beendet hat):
    Verhaltet euch still und fürchtet nichts. Seit Äonen hält
    unsere Gemeinschaft Macht in ihren Händen, und siehe,
    es steht geschrieben: „Nicht Macht ist es, sondern vor allem
    Ohnmacht, die korrumpiert.“ Wie also könntet ihr euch
    schuldig machen?
    KURZ:Innigen Dank, Heiligster der Heiligen, für diese kluge,
    erbauliche Botschaft. Gleich will ich hinabsteigen vom Berge,
    sie den Kameradinnen und Kameraden zu überbringen.
    (Küsst ihm die Füße. Ab.)
    ANDREAS (ihm nachrufend):Bedenket jedoch, ihr
    Heißblütigen, dass auf den Säulen des Christentums
    unsere Gemeinschaft ruht, und beherziget das oberste Gebot,
    das da lautet: „Geben ist seliger als nehmen!“
    (Beginnt wieder zu meditieren. Vorhang)

  2. AKT
    (Parteizentrale der ÖVP. Die Mitglieder des Parteivorstands,
    wartend. Kurz tritt ein.)
    KURZ:Entwarnung! Der Alte sagt, wir brauchen uns keine
    Sorgen machen. Solang wir an der Macht sind, können wir
    gar nicht korrupt sein. Korrupt sind nur die Machtlosen.
    (Jubel und Beifall vonseiten des Parteivorstands)
    BLÜMEL (am Korken einer Champagnerflasche drehend):
    Hat er sonst noch was gesagt?
    KURZ:Schweden ist öliger als Bremen.
    BLÜMEL:Manchmal ist er schwer zu verstehen.
    (Lässt den Korken knallen.)
    (Vorhang)
    Material:„DiegeplanteBeschlagnahmung“,
    Interview mit Andreas Khol–Falter 33/19
    Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at)


Ein SchweizerKünstler pflanzt im KlagenfurterWörthersee-Stadion 300 Bäume.Aberwarum nur dieseseine Spielfeld bewalden?
Das Licht derAufklärung darf nicht nurKärnten erhellen! Ein offener Brief an die Basler Stadtpräsidentin.

EgydGstättner

Sehr geehrteFrau Stadtprä-
sidentin, ich rechne a) mit Ihrer
vorzüglichen Hochachtung, b)
mit Ihrer grenzenlosen Begeiste-
rung und c) mit Ihrem unbeding-
ten Kunstwillen! Den überwälti-
genden Erfolg des Megaprojekts
werden Sie nicht nur anhand der
Bettenauslastung ermessen kön-
nen. Es geht um die Image-
aufpolierung Ihrer Kommune!
Tragenwir doch in das fensterlo-
se Rathaus das Licht der Aufklä-
rung!BitteantwortenSie schnell
und unterzeichnen Sie beiliegen-
den Vertrag! Mein Angebot gilt
nur für kurze Zeit! Merci viel-
mals!
PS: Derzeit studiere ich ein an-
deres Gemälde Peintners, in dem
einFlugzeuggegeneineBergwand
zu donnern sich anschickt. Aber
darüber mehr beim nächsten Mal!
Beim nächsten Projekt!

EGYDGSTÄTTNERlebt als Schriftsteller
in Klagenfurt. Neu erschienen: „Mein Le-
ben als Hofnarr“ im Picus-Verlag.

SternstundendesabsurdenTheaters


T


agwohl, Frau Stadtpräsi-
dentin Dr. Ackermann! Ich
bin ein österreichischer
Künstler/Kulturvermittler/Kunst-
initiator und möchte Ihnen und
Ihrer geschätzten Stadt Basel eine
temporäre Kunstintervention an-
bieten.
Seien Sie zuerst versichert: Es
kostet Sie gar nichts! Sie müssten
mir lediglich drei Monate lang das
St.-Jakob-Park-Stadionzur exklu-
siven Verfügung stellen. Ich wür-
de gerne einen Mischwald aus 300
Bäumen in Ihr Stadion stellen,die
ich aus Holland, Deutschland und
Italien nach Basel transportieren
lassen werde. Drei Monate lang
sollen die Baslerinnen und Basler
Gelegenheit haben, diesen Wald
täglich von 10 bis 22 Uhr bei frei-
em Eintritt anzuschauen. Im
Herbst wirdman anhand derIns-
tallationsehrschönsehenkönnen,
wie sich die Blätter auf den Bäu-
men verfärben. Ein eindrucksvol-
les Naturkulturschauspiel! Ein
Selbstläufer! (Falls die infolge Ent-
wurzelung traumatisierten Bäume
sterben, wird dieInstallation
außerdemeinMahnmalgegenKli-
mawandel und Baumsterben!)
Um die Akzeptanz in der Bevöl-
kerung zu erhöhen, bin ich gerne
zu Kooperationen mit der Art Ba-
sel (Honorar an mich!), dem
SchauspielhausBasel(Honoraran
mich!), mit dem historischen Mu-
seum, mit dem Schmiedenhof Rü-
melinplatz, mit dem Centre Dür-
renmatt und mit gestützten Ver-
einen des Arbeitsmarktservice be-
reit.
Angeregt wurde ich übrigens
durch ein uraltes Bild des völlig
unbekannten Malers Max Peint-
ner, der in den Siebzigerjahren
des Zwanzigsten Jahrhunderts
einen Wald, wenn auch keinen
Mischwald, in ein Stadion, näm-
lich ins Wiener Praterstadion ge-
zeichnet hat. (Ich habe–selber
Künstler! –den Stadionwald
eigenhändig bunt angemalt!)
Denn–aber das wissen Sie,
kunstaffin wie Sie sind, Frau
Stadtpräsidentin, sicher: Kunst
muss polarisieren, polemisieren
und provozieren! Sinnhinter-
grund der temporären Kunstinter-
vention ist es, daran zu erinnern,
wie gefährlich fahrlässiger Um-
gang mit der Natur auch und gera-
de in Basel sind, denn sonst wer-
denwir, jawir alle, inhundert Jah-
ren Natur nur noch sehen und er-
leben können, wenn sie im Mu-
seum ausgestellt ist.
Mein baumiges Kunstprojekt
bietet Ihnen, sehr geehrte Frau
Stadtpräsidentin, darüber hinaus:
Qdie stete Erinnerung an Joseph
Beuys und Christo, der eineinhalb
StundenmeinLehrerwar.(Außer-
dem habe ich ein Jahr Gewerbe-
schule hinter mir.)
Qinternationales Aufsehen, das
Basel in ein anderes Licht rücken
kann.
Qein weltumspannendes Projekt,
das über den Kultur- und Kunst-
bereich hinausgehend der Be-


wusstseinsbildung, der intellek-
tuellen Auseinandersetzung –
und last not least–der Rettung des
Planeten dient.
Der FC Basel kann seine Euro-
pa-League-Heimspiele doch ohne
weiteres in Genf, Freiburg, Stras-
bourg oder am Trainingsplatz
nebenan austragen! Wäre es nicht
geradezu eine Sternstunde des ab-
surden Theaters, wenn man, um
innerhalb der Tribünen einen
Wald aufzustellen, außerhalb der
Tribünen Tribünen aufstellt! Hat
nicht Ionesco gefragt: „Wie könn-
te ich, da die Welt mir unverständ-
lich bleibt, mein eigenes Stück
verstehen? Ich warte, dass man
mir es erklärt.“ Und wenn er dun-
kel raunt: „Wesen, die in ein Et-
was hinausgestoßen sind, dem
jeglicher Sinn fehlt, können nur
grotesk erscheinen, und ihr Lei-
denistnichtsalstragischerSpott.“
–wer wird da nicht sofort an mei-
ne Stadionbäume denken? Oder
an Marcel Koller und die Spieler
des FC Basel?
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