Süddeutsche Zeitung - 24.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Die Deutschen haben eher eine Abneigung
gegenüber derBörse. Doch angesichts
niedriger Zinsen ist es für Sparer besser,
ein Teil des Geldes in Aktien zu investieren
als es auf das Sparbuch zu legen. Mit bör-
sengehandelten Fonds (Exchange Traded
Funds, kurz ETF) ist es möglich, ein breit
gestreutes Portfolio anzulegen.

Für wen eignen sich ETF?
ETF sind einfach zu verwalten und gehö-
ren durch ihre breite Streuung eindeutig
zu den risikoarmen Anlagen. „Ich halte
ETF für die lukrativste und sinnvollste
Möglichkeit, langfristig Geld anzusparen


  • insbesondere als Altersvorsorge“, sagt
    Anlageberater Christoph Hommel von der
    Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfa-
    len. Die Betonung liegt dabei auf dem
    Wörtchen „langfristig“: Anleger sollten in
    den nächsten zehn oder 20 Jahren nicht
    auf das Geld angewiesen sein – denn wer
    seinen Fonds schon nach einer Woche wie-
    der kündigt, könnte ein Verlustgeschäft
    machen.
    Wie und wo kann ich ETF kaufen?
    Ebenso wie Aktien sind ETF börsenno-
    tiert, der Kauf läuft also über eine Börse.
    Im Grunde kann man an allen Handelsplät-
    zen ETF erwerben, an denen auch Aktien
    gehandelt werden. Da Privatanleger nicht
    selbst an der Börse kaufen können, müs-
    sen sie zuerst ein Wertpapierdepot bei
    einer Bank eröffnen. Das geht ganz traditi-
    onell bei der Hausbank oder bei einer On-
    line- oder Direktbank – letzteres ist meist
    die günstigere Variante. Möglich ist auch,
    einen kostengünstigen Online-Broker zu
    nutzen. Niedrigere Gebühren bedeuten
    aber auch weniger Service. Die Broker lei-


ten die Order dann an die Börse weiter und
wickeln das Kaufgeschäft ab.
Was kosten ETF?
Die Kosten für börsengehandelte Fonds
sind sehr überschaubar. Das hängt daran,
dass sie nicht aktiv von einem Fondsmana-
ger betreut werden, sondern nur passiv
einen Index abbilden, beispielsweise den
DAX oder den amerikanischen Dow Jones.
Außerdem fallen die Ausgabeaufschläge
für die Beratung bei ETF weg. Fällig wer-
den lediglich geringe Verwaltungsgebüh-
ren und Transaktionskosten für den Kauf
und Verkauf von Anteilen. Diese Kosten
unterscheiden sich je nach Anbieter und
Komplexität des abgebildeten Index. Als
Orientierung gilt: „Die jährlichen Kosten
für einen ETF sollten in jedem Fall deut-
lich unter einem Prozent liegen“, sagt
Marc Oliver Rieger, Professor für Bank-
und Finanzwirtschaft an der Universität
Trier. Wegen des zunehmenden Preis-
kampfs unter den Anbietern sind manche
Produkte schon für jährlich unter 0,1 Pro-
zent zu haben. Wenn sich Anleger noch für
einen Sparplan oder einen Robo Advisor
entscheiden – also ein digitales Pro-
gramm, das eine automatisierte Portfolio-
beratung anbietet –, fallen weitere Gebüh-
ren an.
Wie finde ich den richtigen ETF?
Zunächst müssen sich Anleger für einen
Basiswert, also den zugrunde liegenden
Index, entscheiden. Der Auswahl sind da
keine Grenzen gesetzt: Aktienindizes wer-
den für jede noch so spezielle Branche und
Region oder auch nach Nachhaltigkeitskri-
terien gebildet. Als Basiswert können
außerdem nicht nur Aktien, sondern auch
Renten, Staatsanleihen oder Rohstoffe die-

nen. Rohstoff-ETF sind allerdings nur et-
was für absolute Profis. Wer auf Nummer
sicher gehen möchte, der kann zu einem
breit gestreuten Aktienindex wie dem
europäischen Euro Stoxx oder dem welt-
weiten MSCI World greifen, der die 1600
größten Unternehmen aller Industriestaa-
ten abbildet. Hingegen nur auf DAX-ETF
zu setzen, hält Finanzexperte Rieger für
keine gute Idee: „Anleger vertrauen gerne

auf bekannte Indizes“, sagt er. In der Wis-
senschaft gebe es dafür einen Fachbegriff:
Home Bias, also die Neigung zum Heimat-
markt. Die Börse Stuttgart bestätigt: Dax-
ETF gehören bei ihnen zu den absoluten
Dauerbrennern. Doch man sollte „nicht
alles auf eine Karte setzen“, rät der Exper-
te. Es berge immer Tücken, sich auf einen
nationalen Markt zu konzentrieren –
selbst, wenn es der heimische ist. Die

jüngste Vergangenheit habe gezeigt, dass
auch der DAX in die Knie gehen kann.
Worauf müssen Anleger achten?
Allein den bei Anlegern beliebten weltwei-
ten Index MSCI World bilden laut Verbrau-
cherschützer Hommel knapp 20 deutsche
Fonds ab. Auch die Liste der ETF-Anbieter
ist lang: Neben den Platzhirschen iShares,
der Tochter des Anlageriesen Black Rock,
und der Marke der Deutschen Bank
X-Trackers mischen noch viele weitere An-
bieter im deutschen ETF-Markt mit. Bei
der Suche nach dem richtigen Fonds spiele
der Anbieter jedoch keine Rolle, so Hom-
mel. „Wichtig ist dagegen die Frage: Wie
hat sich die Rendite des ETF in den letzten
fünf Jahren entwickelt?“ Auf Webseiten
wie extraetf.com und justetf.com können
Anleger die Dynamik verschiedener Index-
fonds gut vergleichen. Eine untergeordne-
te Rolle spielt auch der Tag oder gar die Ta-
geszeit, zu der Anleger einen ETF kaufen.
Zwar sind die Preise zu den Öffnungszei-
ten der jeweiligen Börse tendenziell etwas
günstiger – bei einer langfristigen Anlage
sei das aber „vollkommen egal“, sagt Ver-
braucherschützer Hommel.
Wie unterscheiden sich ETF, die densel-
ben Index abbilden?
Meist liegen die Renditen und Gebühren
der Fonds zwar dicht beieinander – ein
zweiter Blick lohnt sich dennoch, denn
auch kleine Unterschiede können bei einer
Laufzeit von mehreren Jahrzehnten eine
Menge Geld ausmachen. Außerdem unter-
scheiden sich ETF dadurch, ob sie die
jährlichen Dividenden an den Anleger
ausschütten oder direkt reinvestieren –
thesaurieren, sagen Fachleute. Welche
Option der Anleger wählt, ist letztendlich

Geschmackssache; Sparern erscheint die
thesaurierende Variante sinnvoller.
Warum empfiehlt mir mein Bankberater
keine ETF?
Banken verdienen an ETF nur wenig Geld.
Da die Ausgabeaufschläge wegfallen,
bleibt für die Geldinstitute nur die nicht
gerade üppige Transaktionsgebühr übrig.
Bankberater versuchen deshalb „tenden-
ziell eher das zu verkaufen, wovon sie auch
selbst profitieren“, sagt Professor Rieger –
sprich: den hauseigenen, aktiven Fonds
mit höheren Gebühren. Verbraucherschüt-
zer Hommel rät deswegen dazu, sich
immer auch selbst zu informieren und
nicht nur auf die Beratung der Hausbank
zu vertrauen.
Muss ich mir Sorgen machen, wenn der
Index, den ich ausgewählt habe, fällt?
„Im Gegenteil – man sollte sich eher freu-
en“, sagt Christoph Hommel von der Ver-
braucherzentrale. Denn selbst wenn das
zunächst widersprüchlich klinge: Je niedri-
ger die Kurse, desto mehr Anteile könne
man dafür kaufen. Wer monatlich inves-
tiert und nicht direkt wiederverkauft, kön-
ne so auf lange Sicht nur profitieren, sagt
Hommel. Er rät Anlegern bei fallenden
Kursen zur Ruhe. Und Finanzprofessor
Rieger fügt hinzu: „Die beste Idee bei ei-
nem ETF ist: kaufen, weglegen, vergessen
und sich Jahre später darüber freuen, dass
es mehr geworden ist.“ lea weinmann

Vermögen aufbauen


Verbraucherschützer empfehlen börsengehandelte Fonds zur Geldanlage, da sie relativ günstig sind. Was Sparer dabei beachten sollten


von markus zydra

D


er Vertrag von Mario Draghi
läuft Ende Oktober aus, bis da-
hin wird der Präsident der Eu-
ropäischen Zentralbank (EZB)
noch dicke Pflöcke einschla-
gen. Der Italiener möchte wegen des
Konjunkturabschwungs die Geldpolitik er-
neut lockern. Damit nähme er Druck von
seiner Nachfolgerin Christine Lagarde, die
ansonsten gleich zu Amtsantritt umstritte-
ne Maßnahmen durchsetzen müsste.
Auf der nächsten EZB-Ratssitzung im
September dürfte die Notenbank daher
eine Erhöhung des Strafzinses beschlie-
ßen. Derzeit liegt der Satz bei minus
0,4 Prozent – eine Anhebung um bis zu
0,3 Prozentpunkte ist im Gespräch. Die
Maßnahme ist umstritten, denn der Straf-
zins belastet die Banken in Europa. Sie
müssen auf Überschüsse, die sie auf ihren
EZB-Konten haben, diesen Zins bezahlen.
Im Jahr 2018 fielen dafür bei allen Banken
in Europa rund 7,5 Milliarden Euro an;
deutsche Kreditinstitute mussten davon
rund 2,5 Milliarden Euro bezahlen. Gut
möglich, dass die EZB Freibeträge ein-
führt, aber insgesamt würden die Kosten
für die Institute sehr wahrscheinlich zu-
nehmen, wenn die EZB tatsächlich den
Strafzins erhöht. Das wiederum könnte die
Banken dazu veranlassen, den Strafzins
über eine entsprechende Belastung der Gi-
rokonten an die Kunden weiterzugeben.
Das sorgt vor allem in Deutschland für
Ärger. Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder forderte in dieser Woche ein Gesetz,
das verhindert, dass „Negativzinsen umge-

legt werden auf Kleinsparer“. Strafzinsen
entsprächen nicht der deutschen Finanz-
kultur. Einlagen bis 100 000 Euro sollten
daher per Gesetz von solchen Strafzinsen
ausgenommen werden.
Bislang haben deutsche Banken die
Kleinsparer weitestgehend verschont,
doch mitunter müssen sehr vermögende
Menschen und Unternehmen auf ihre
hohen Einlagen einen Strafzins entrich-
ten. Doch auch Kleinsparer sind genervt.
Schon seit Jahren liegt die Verzinsung auf
ihren Girokonten und kurzfristigen Spar-
anlagen nahe null Prozent. Aufgrund der
Inflation, die in Deutschland deutlich über
ein Prozent liegt, kommt es insgesamt zu
einer schleichenden Entwertung der Spar-
vermögen. Dennoch horten die Deutschen
mit 2,5 Billionen Euro rund 40 Prozent
ihres Gesamtvermögens in Bargeld und
kurzfristigen Einlagen.

Die EZB startete im Jahr 2015 die lo-
ckerste Geldpolitik ihrer Geschichte. Dra-
ghi wollte eine Deflation in Europa ver-
meiden. Dauerhaft fallende Preise gelten
unter Währungshütern als große Gefahr
für die Gesamtwirtschaft. Deshalb hält die
EZB den Leitzins seit Jahren bei null Pro-
zent. Gleichzeitig hat sie rund 2,7 Billionen
Euro vor allem in den Kauf von Staats- und
Unternehmensanleihen investiert. Mit die-
ser lockeren Geldpolitik fixiert die Noten-
bank auch den langfristigen Zinssatz in

der Euro-Zone auf einem sehr niedrigen
Niveau. Dadurch soll die Investitionsbereit-
schaft der Unternehmen und Haushalte
gestärkt werden. Tatsächlich ist die Wirt-
schaft in der Euro-Zone in den letzten Jah-
ren gewachsen. Immobilienkäufer profi-
tierten von sehr günstigen Hypothekenkre-
diten. Die Nullzinspolitik führte insgesamt


  • bei temporär starken Preisschwankun-
    gen – auch zu steigenden Kursen an den
    Aktienmärkten. Doch noch immer stehen
    viele Deutsche dieser Anlageform kritisch
    gegenüber, gleichzeitig wundern sie sich
    zu Recht darüber, dass es plötzlich keine
    Zinsen mehr auf Erspartes gibt.
    Der Nullzins und der Strafzins wider-
    sprechen der marktwirtschaftlichen Lo-
    gik: Wer Geld aufspart für später, der
    bringt es zur Bank, die ihn dafür mit einem
    Zins entschädigt. So haben es viele Genera-
    tionen von Sparern gelernt.
    Doch die Welt hat sich verändert. Einige
    Experten sagen, dass die Negativzinsen
    Ausdruck von zu viel Sparen sind. Auf-
    grund einer gestiegenen Lebenserwar-
    tung würde die alternde Bevölkerung
    mehr Geld zurücklegen. „Global sinkt das
    Zinsniveau, sowohl nominal als auch infla-
    tionsbereinigt, seit über 20 Jahren“, sagt
    der Präsident der Schweizer National-
    bank, Thomas Jordan. Ein Grund dafür sei-
    en strukturelle Faktoren wie zum Beispiel
    demografische Entwicklungen, die welt-
    weit zu einem höheren Angebot an Erspar-
    nissen geführt hätten, während die Investi-
    tionsnachfrage zurückgegangen sei.
    Es ist also gut möglich, dass die Null-
    zinsphase noch deutlich länger anhält, als
    man es ursprünglich gedacht hat. Das hat


Folgen für private Rentenversicherungen.
Pensionskassen und Versorgungswerke
investieren einen Großteil der Beitragszah-
lungen in sichere Staatsanleihen. Doch die
werfen nichts mehr ab, auch aufgrund der
starken Nachfrage durch die EZB. Alle deut-
schen Staatsanleihen werden inzwischen
mit „Renditen“ von unter null Prozent
gehandelt. Anleger machen also Verluste,
wenn sie den Schuldschein bis zur Fällig-
keit halten. Dennoch kaufen sie weiter.
Nur über die Kursgewinne der Wertpapie-
re lässt sich noch Geld verdienen. Doch
Kursgewinne fallen nur an, wenn die Ren-
diten noch stärker unter null Prozent fal-
len, was wiederum den Druck auf die Spar-
einlagen erhöht. Es ist ein Teufelskreis.
Die lockere Geldpolitik befördert eine
gefährliche Entwicklung, denn auch ris-
kante Unternehmensanleihen bieten in-
zwischen kaum noch Zinsen, die in einem
gesunden Verhältnis zum Ausfallrisiko
stehen. Weil sich die Konjunktur eintrübt,
dürften sich demnächst die Kreditausfälle
häufen. An den Anleihemärkten könnte
das zu Turbulenzen führen. Auch an den
Immobilienmärkten drohen Preisblasen,
ebenso an den Aktienmärkten. Das Ge-
samtvermögen der Deutschen ist auf über
sechs Billionen Euro gestiegen, trotz der
Nullzinsphase. Das liegt auch daran, dass
die Menschen immer mehr ihres Einkom-
mens zurücklegen. Es mag kein Trost sein,
aber es gab auch zu D-Mark-Zeiten länge-
re Phasen, in denen Sparer negative Rendi-
ten auf ihr Geld erzielten. Damals lagen die
Zinsen zwar deutlich im positiven Bereich,
doch die viel höheren Inflationsraten raub-
ten den realen Ertrag.

„Kaufen, weglegen,
vergessen und sich Jahre
später darüber freuen, dass
es mehr geworden ist.“

Marc Oliver Rieger rät:

Diesen Betrag hat die EZB
zwischen 2015und 2018 in die
Finanzmärkte gepumpt.
Sie tat dies durch den Ankauf
von Staats- und Unternehmens-
anleihen sowie Pfandbriefen
und anderen Verbriefungen.
Mit diesen Maßnahmen wollte
die EZB die Wirtschaft und
die Inflation stärken.
Die Währungshüter streben
im Euro-Raum eine Inflations-
rate von knapp zwei Prozent
an, ein Ziel, das sie seit
vielen Jahren nicht erreicht
haben. Im Juli lag die
Teuerungsrate bei einem
Prozent. Auch deshalb möchte
die EZB die Geldpolitik
erneut lockern.

Geld anlegen
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Katharina Wetzel
Anzeigen: Jürgen Maukner

In Zeiten der Niedrigzinspolitik leiten vie-
le Banken Negativzinsen als Gebühren an
die Verbraucher weiter. Mit etwas Flexibi-
lität können die Kunden den zusätzlichen
Kosten ausweichen.
Es sind schon merkwürdige Zeiten,
wenn Banken ihre Kunden dafür bezah-
len lassen, dass diese ihnen zu viel Geld
anvertrauen. Zwar haben Banken und
Sparkassen in Deutschland nur zaghaft
begonnen, ihre Kunden faktisch zu be-
strafen. Doch der Trend scheint sich in
diese Richtung zu entwickeln. „Zurzeit
übernehmen die Banken diese Kosten für
einen Großteil der Privatkunden. Es wird
für Banken aber immer schwerer, bei
anhaltenden Negativzinsen die nachhalti-
ge Profitabilität im Kundengeschäft
sicherzustellen“, sagte Marija Kolak, Prä-
sidentin des Bundesverbands der Deut-
schen Volksbanken und Raiffeisenban-
ken (BVR) bei der Bilanzpressekonferenz
im Juli. In einer Umfrage der Bundes-
bank gab die Hälfte aller befragten Geld-
institute an, dass sie Negativzinsen prinzi-
piell als Möglichkeit betrachtet, um ihre
Kosten auszugleichen. Das Finanzportal
Biallo bekam derweil von bundesweit
170 Banken und Sparkassen Rückmel-
dung auf eine entsprechende Anfrage.
30 Geldhäuser gaben dabei an, sie wür-
den bereits ein sogenanntes Verwahrent-
gelt für Privatkunden erheben. Bei Fir-
men- und institutionellen Kunden waren
es sogar 111 Geldhäuser. Die Summe, ab
der die Gebühr erhoben wird, variiert zwi-
schen 100000 und zwei Millionen Euro.
Manchen Banken erheben die Gebühr
auch individuell. Betroffen sind meistens
Giro- und Tagesgeldkonten.
Privatkunden bleiben allerdings zahl-
reiche Alternativen, um dem Strafzins
auszuweichen. Der Wechsel des Girokon-
tos ist zum Beispiel leicht möglich, erfor-
dert aber etwas Zeit für die Suche nach ei-
ner guten Alternative. Denn die Inhaber
müssen stets in Betracht ziehen, welche
Kosten für die Verwaltung des Kontos
möglicherweise auf sie zukommen. Wer
sich viel im Ausland aufhält, sollte auch
prüfen, welche Gebühren anfallen, wenn
man dort am Automaten Bargeld abhebt.
Tagesgeldkonten lassen sich gleicherma-
ßen schnell und unkompliziert kündigen
und wechseln. Wichtig für den Verbrau-
cher ist, dass er die Entwicklung der dorti-
gen Zinsen im Auge behält. Denn theore-
tisch können sie sich auf einem Tages-
geldkonto täglich ändern. Weil die Bank
eine Mindestsumme festlegt, ab der sie
Negativzinsen erhebt, kann es auch eine

Alternative sein, das eigene Kapital auf
mehr als ein Konto bei mehreren Banken
zu verteilen, raten Verbraucherschützer.
Die Geldanlage auf einem Festgeldkonto
bietet sich dann an, wenn der Kunde si-
cher ist, dass er sein Geld für einen be-
stimmten Zeitraum X nicht benötigt. Die
Vorteile des Festgeldkontos sind die bei
Abschluss vereinbarten Bedingungen.
Die Banken können unabhängig von der
Höhe der Einlage kurzfristig keine Gebüh-
ren darauf erheben. Allerdings gilt auch
hier Achtsamkeit. Sollte der Vertrag über
die Dauer des Festgeldkontos automa-
tisch verlängert werden, kann die Bank
neue Bedingungen festlegen, Strafzins in-
klusive.
Wem all das zu viel Aufwand ist, der
kann einen Teil seines Vermögens auch
in Aktien, Anleihen, Fonds, Immobilien
oder Sachwerte anlegen. Verbraucher-
schützer empfehlen günstige börsenge-
handelte Fonds (Exchange Traded
Funds, ETF) mit einem breit gestreuten
Index. Wer sich damit nicht auskennt,
kann sich an Vermögensverwalter wen-
den oder im Internet an die digitalen
Angebote der Robo Advisor. Vollautomati-
siert werden dort Anlagestrategien entwi-
ckelt, die je nach Risikobereitschaft und
Vorlieben des Kunden gestaltet werden.
Doch auch hier gilt für den Kunden, sich
unbedingt über Testresultate von Ver-
braucherschutzstellen und Finanzdienst-
leistern über Schwächen und Stärken der
einzelnen Angebote zu informieren.
Gerade bei Aktien besteht in Deutsch-
land noch viel Potenzial. Der Anteil des
deutschen Gesamtkapitalvermögens,
das in Aktien investiert ist, beläuft sich
auf unter zehn Prozent. Die Vorsicht ist
das Resultat einer Sicherheitsmentalität,
die durch Nachrichten über dramatische
Wertverluste von Aktienkursen in Krisen-
zeiten noch gefestigt wird. Doch Analysen
zeigen, dass Aktien über einen Zeitraum
von mindestens zehn, besser 15 oder 20
Jahren eine sehr stabile Rendite abwer-
fen. Kurzfristige Gewinne sind zwar auch
möglich, aber ebenso starke Verluste,
wenn Anleger nur auf kurzfristige Investi-
tionen setzen. marcel grzanna

Geld auf die Bank bringen
und dafür bestraft werden, das
widerspricht der Logik

Bald ist Christine Lagarde
Chefin imFrankfurter
EZB–Turm (li.) und behält
die Inflation im Blick.
FOTO: BORIS ROESSLER / DPA

2,7


Billionen Euro


Ein Wechsel des Girokontos ist leicht,
die Suche aufwendig. FOTO: IMAGO/WESTEND61

Alternativen


wählen


Was Verbraucher gegen
Minuszinsen tun können

Auch das noch


Ein Endeder Nullzinsphase ist nicht in Sicht.


Im Gegenteil: Experten erwarten eine Verschärfung


der billigen Geldpolitik


28 SZ SPEZIAL – GELD ANLEGEN Samstag/Sonntag, 24./25.August 2019, Nr. 195 DEFGH


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