Süddeutsche Zeitung - 24.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
von claus hulverscheidt

New York– Manchmalwäre man gerne da-
bei, wenn Jerome Powell eine jener Beleidi-
gungen entdeckt, die Donald Trump keine
1000 Meter Luftlinie entfernt in sein Han-
dy getippt hat. Zuckt der Chef der US-No-
tenbank Fed zusammen, wenn ihn der
Mann im Weißen Haus über den Kurzmit-
teilungsdienst Twitter als ahnungslosen
Deppen beschimpft? Oder rollt er nur mit
den Augen, während ihm zugleich ein paar
Unflätigkeiten über die Lippen kommen,
die sein Büro an Washingtons Constituti-
on Avenue besser nicht verlassen sollten?
So oder so: Kein Notenbankpräsident
der jüngeren Geschichte stand jemals so
unter Druck wie der amtierende. Powell
hat nicht nur mit einer Abkühlung der US-
Konjunktur zu tun, vielmehr muss er auch
mit einem Präsidenten klarkommen, der
ihn dazu zwingen will, den wirtschaftli-
chen Schaden zu beheben, den er, Trump,
mit seiner aggressiven Handelspolitik an-
gerichtet hat. Oder anders gesagt: Die Fed
soll verhindern, dass Trump die Wirt-
schaft ausgerechnet im für ihn so wichti-
gen Wahljahr 2020 zugrunde richtet.

Einblicke in sein tiefstes Seelenleben
ließ Powell anscheinend auch beim traditi-
onellen Jahrestreffen führender Notenban-
ker in Jackson Hole nicht zu, das er am Frei-
tag mit einer Rede eröffnen sollte. Laut Ma-
nuskript machte er jedoch deutlich, dass
die Zollattacken des Präsidenten auf Chi-
na und Europa maßgeblich zur schleppen-
den Industrieproduktion und den sinken-
den Investitionen der Unternehmen beige-
tragen hätten. Daneben gebe es weitere
konjunkturelle Problemfelder wie den EU-
Austritt Großbritanniens und die Unruhen
in Hongkong. Die Fed beziehe grundsätz-
lich alle diese Faktoren in ihre Überlegun-
gen ein, sie sei aber nicht in der Lage, die
durch den Handelsstreit entstandene Unsi-
cherheit unter Firmen und Verbrauchern
mit den Mitteln der Geldpolitik zu beseiti-
gen. Es sei vielmehr so, „dass es in jünge-
rer Zeit keinen Präzedenzfall gibt, der Hin-
weise darauf liefern würde, welche politi-
sche Reaktion in der jetzigen Situation an-
gemessen wäre“, so der Fed-Chef.

Powell steckt auch deshalb in der
Klemme, weil einerseits viele Indikatoren
anzeigen, dass der US-Aufschwung prinzi-
piell noch intakt ist, auf der anderen Seite
aber die Stimmungsbarometer Unwetter-
gefahr melden. Für den Fed-Chef ist das
ein Problem, denn er hat Bürgern und Bör-
sianern beim Amtsantritt versprochen,
dass sich die Notenbank bei ihren Zinsbe-
schlüssen weniger an theoretischen Model-
len als an aktuellen Konjunkturdaten ori-
entieren wird. Was aber, wenn sich die we-

sentlichen Daten so stark widersprechen,
dass es selbst in der Fed-Führung unter-
schiedliche Ansichten gibt, was zu tun ist?
Trumps Forderung nach einer weiteren
Zinssenkung um „mindestens einen Pro-
zentpunkt“ kann Powell auch deshalb
schon nicht nachgeben, weil auf den Präsi-
denten aller Erfahrung nach kein Verlass
ist: Trump braucht die Notenbank, um die
negativen Folgen seiner Handelspolitik
auf die Wirtschaft abzufedern. Wer aber
garantiert, dass er eine Leitzinssenkung

nicht nutzte, um den Druck auf Peking so-
gar noch zu erhöhen – und tags drauf den
nächsten Zinsschritt einzufordern?
Zudem setzte Powell die Unabhängig-
keit der Fed aufs Spiel – ein Konstrukt, von
dem Trump eh nichts hält, wie die frühere
Notenbankchefin Janet Yellen vergangene
Woche konstatierte. Powell selbst, ein
durch und durch höflicher und zurückhal-
tender Mensch, hat bereits durchblicken
lassen, dass er sich notfalls einem Konflikt
mit dem Präsidenten stellen würde. Auf

die Frage, ob er zurücktreten würde, wenn
ihn Trump dazu aufforderte, sagte Powell
jüngst: „Das würde ich natürlich nicht
tun.“ Wie groß die gegenseitige Aversion
mittlerweile ist, zeigte sich am Freitag,
nachdem Chinas Staatspräsident Xi Jin-
ping neue Zölle gegen die USA angekün-
digt und die Fed zu Trumps Ärger erneut
nicht mit einer Zinssenkung reagiert hat-
te. „Meine einzige Frage ist: Wer ist unser
größerer Feind?“, twitterte der Präsident.
„Jay Powell oder der Vorsitzende Xi?“

Ein Produkt, das nur eine Funktion hat,
ist entweder schlecht oder schlecht bewor-
ben. Zumindest ein 2-in-1 sollte schon
drin sein, wie beim Rollator, den man zum
Rollstuhl umklappen kann. Oder gleich
das 3-in-1-Make-up mit den nicht näher
definierten Eigenschaften „Match“, „Per-
fect“ und „Protect“, wobei „perfect“ eine
„Funktion“ ist, die man sich unbedingt
merken sollte, da sie bei absolut jedem
Produkt passt. Dass es 4-in-1-Sets von Le-
go gibt, birgt eine gewisse Ironie, da man
mit knapp 1000 Teilen und etwas Fanta-
sie sicher auch locker ein 23-in-1 daraus
machen könnte. Es folgen die 5-in-1-Pool-
tabletten, die nicht nur die erfrischend
redundanten Funktionen „Trübungsent-
fernung“ und „Klareffekt“ haben, son-
dern auch über eine gewisse „Algenverhü-
tung“ verfügen. So geht das weiter bis zur
Zahnpasta mit 8-facher Wirkung: „Karies-
schutz, Plaqueentfernung, Zahnschmelz-
schutz, Zahnhalskariesschutz, Reini-
gung, frischer Atem, weißere Zähne und
großartiger Geschmack“. Eine ganz nor-
male Zahnpasta eben.
Besonders beliebt sind die Alleskönner
im Outdoorbereich, wegen des Platzman-
gels im Rucksack. Da kann es schon mal
vorkommen, dass eine seltsame Produkt-
kreuzung aus Kompass und Pfeife über
einen „Aufbewahrungsbehälter“ verfügt,
der verdächtig nach zufälligem Hohlraum
aussieht. In dieser Logik, jegliche Zweck-
entfremdung zur neuen Funktion zu er-
klären, ließe sich prächtig weitermachen:
Das 200-in-1-Hemd ist Kleidungsstück,
Sonnenschutz, Tischdecke, Druckver-
band, Putzlappen... Nicht zu verwechseln
sind übrigens 2-in-1-Produkte und Dual-
Use-Güter. Das sind nämlich Waren, die
„sowohl zivil als auch militärisch verwen-
det werden können“, so der Zoll, und des-
halb in gewisse Länder nicht exportiert
werden dürfen. Etwa Dinge, die sich auch
vortrefflich für den Bau von Atombom-
ben eignen. Solche Produkte werden je-
doch eher selten mit ihrem Doppelnutzen
beworben. veronika wulf

Trump hat mit seinen
Zollattacken Firmen und
Verbraucher verunsichert

200 in 1


Produkte bekommen immer
mehr Funktionen
(... auf die Packung geschrieben)

Im Spagat


Fed-ChefJerome Powell muss beim traditionellen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole erklären, wie er mit einer Abkühlung der Konjunktur
umzugehen gedenkt – und mit einem US-Präsidenten im Kampfmodus. Aufgeben, das hat er bereits klargemacht, will er nicht

DEFGH Nr. 195, Samstag/Sonntag, 24./25. August 2019 HF2 WIRTSCHAFT 27


Fed-Chef Jerome Powell (rechts) und der Präsident der New Yorker Dependance während eines Spaziergangs in Jackson Hole. FOTO: ANN SAPHIR/REUTERS

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