Süddeutsche Zeitung - 28.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1


D

erSommer2018dürftedenmeis-
tenMenscheninDeutschlandalsje-
neZeitinErinnerungbleiben,in
derdieKettedertrockenen,heißenTage
garnichtmehrabreißenwollte.EinWölk-
chenamHimmelhatteschonSeltenheits-
wert.NiezuvorseitBeginnderMessungen
waresinDeutschlandimSchnittsowarm.
ZugleichfielenvonAprilbisOktober
ProzentwenigerNiederschlägealsimlang-
jährigenMittel,dieBödentrocknetenaus,
dieErntenwareninmanchenGebietenka-
tastrophalschlecht.Unddochwardieses
trockeneJahrnochinganzandererHin-
sichtungewöhnlich:Esgabauchextrem
vieleheftigeRegenfälle.
SeitdemJahr2001erfasstderDeutsche
Wetterdienst(DWD)perdeutschlandwei-
temRadarStark-undDauerregen-Ereig-
nisse.DassindsolcheRegengüsse,beide-
nenmindestensetwa25LiterproQuadrat-
meterinnerhalbeinerStundebeziehungs-
weise35LiterinsechsStundenfallen,für
12,24,48und72Stundengibtesweitere
Schwellenwerte.DieAufzeichnungperRa-
daristnichtperfektpräzise;manchewit-
zeln,wermiteinemRadargerätRegenmes-
senwill,solltedasRegenwasserambesten
inderRadarschüsselsammeln.Aberesist
dieeinzigeMöglichkeit,flächendeckend
zumessen.ZuvorwurdenRegenmengen
nuranWetterstationenerfasst.DasMess-
netzistaberlängstnichtdichtgenug,um
dieoftsehrlokalbegrenztenEreignisseal-
lezuerwischen.

GemeinsammitdemGesamtverband
derDeutschenVersicherungswirtschaft
(GDV)hatderDWDnuneineAuswertung
derersten18JahredieserRadarmessun-
generstellt,diederSZvorliegt.Wiesich
dieDingeentwickeln,istvorallemwegen
desKlimawandelsinteressant.„Manrech-
netdamit,dassesineinerwärmerenAtmo-
sphäremehrundheftigereStarkregen-Er-
eignissegibt,weilsiemehrFeuchtigkeit
aufnehmenkann“,sagtKatharinaLeng-
feld,diebeimDWDfürdieDatenerhebung
zuständigwar.„AberbeieinemZeitraum
vonnur18JahrenkannmankeineTrend-
aussagentreffen,dasisteinfachzukurz.“
Dasheißtkeineswegs,dassStarkregen
nochnichtnachweisbarzugenommenhat.
SoberichteteetwaeinTeamumJascha
LehmannvonderUniversitätPotsdambe-
reitsvoreinigenJahrenimFachblattCli-
matic Change,dassesindenvergangenen
dreiJahrzehntenweltweitzwölfProzent
mehrneueNiederschlagsrekordegegeben
hat,alsmanineinemstabilenKlimaerwar-
tensollte.FürdenextremenRegenmit
schwerenÜberschwemmungenimDezem-
ber2015inNordenglandberechnetenFor-
scherumFriederikeOttovonderUniversi-
tätOxford,dassderKlimawandelihnum

rund60Prozentwahrscheinlicherge-
machthabendürfte.AberdassindEinzel-
ereignisse;ausderdeutschlandweitenFlä-
chenmessungkannmandieseTrends
nochnichtseriösherauslesen.Trotzdem
sinddieseDateninteressant,dennsiema-
chendeutlich,dassStarkregenimPrinzip
immerundüberallmöglichist.Meistens
tritterindenSommermonatenauf.Das
liegtdaran,dasssolcheextremenRegenfäl-
lenichteinfachsovomHimmeltröpfeln.

ManbrauchtdafürmassiveQuell-oderGe-
witterwolkenmitgroßenWassermengen
undstarkenAufwinden,dasistnormaler-
weisenurinwarmerLuftmöglich.Übli-
cherweisegehtdieSaisonetwavonMaibis
September,amhäufigstenistStarkregen
imJuli.InderWolkewerdenWassertrop-
fenemporgewirbelt,gefrieren,sinkenwie-
derherab,wachsendabeiimmerweiteran
undfallenschließlichalsRegenzuBoden,
wennsieschwergenugsind.Dieenormen

Wassermengenkommendabeimeistnicht
durchdichtere,sonderndurchgrößere
Tropfenzustande–esschüttetdannbuch-
stäblichwieausEimern.„DasJahr
zeigt,dassesselbstinwarmen,trockenen
JahrensehrvielelokaleStarkregen-Ereig-
nissegebenkann“,sagtLengfeld.Tatsäch-
lichstecheninderZeitreiheviersehrunter-
schiedlicheJahreheraus:Besondersviele
Starkregen-Ereignissemiteinergroßen
insgesamtbetroffenenFlächegabesso-

wohlimElbhochwasser-Jahr2002als
auchimverregnetenSommer2014–aber
ebenauchimSommermärchen-Jahr
undsogarimDürresommer2018.Insge-
samtwarüberdenbetrachtetenZeitraum
fastjederOrtinDeutschlandeinmalbetrof-
fen,besondereHäufungengibtesnicht.
WiegroßderangerichteteSchadenist,
hängtallerdingssehrwohlvomjeweiligen
Ortab:ÜbereinerWieseistergeringerals
mitteninderStadt,undSenkenoderFlüs-

se,diedasWasserzusammenführen,stei-
gerndieGefahr.DaswaretwabeimFrüh-
jahrshochwasser2016derFall,alsdieFlu-
tenauszweiangeschwollenenBächenam
30.MaiinBraunsbachinBaden-Württem-
bergganzeHäuserzerstörtenundAutos
undBäumewegrissen.Dassdamalsauch
teilslokalextremeWassermengenpro
Stundegemessenwurden,istdemRadar
entgangen,dieseRekordewurdennichter-
fasst.DafürhatderDWDaufeinerenor-
menFlächevonfast8000Quadratkilome-
ternheftigenDauerregenüber18Stunden
gemessen,auchdiesistungewöhnlich.
WirdsoetwasinZukunfthäufigervor-
kommen?Dasistzumindestwahrschein-
lich.„Physikalischwürdemanvorallemer-
warten,dassdieeinzelnenEreignisseanIn-
tensitätzunehmen“,sagtderMeteorologe
undKlimaforscherPeterHoffmannvom
Potsdam-InstitutfürKlimafolgenfor-
schung.Dazupassendiezunehmenden
Niederschlagsrekorde.Aberauchabgese-
henvoneinzelnenEreignissenlassendie
Datenerahnen,wiekünftigeSommeraus-
sehenkönnten.„EinSommerwie
passtgutinsBild:GroßräumigHitzeund
Trockenheit,aberpunktuellheftigeNie-
derschlagsereignisse“,sagtHoffmann.
DasergibtfürihnSinn,weilineinerwär-
merenAtmosphärederSchwellenwertfür
Niederschlagsteige.InderwarmenLuft
kondensiertdieFeuchtigkeitnichtso
leicht.„EsbrauchtstarkeEreignissewie
Gewitter,umWolkenzubildenunddie
FeuchtigkeitausderAtmosphärezuho-
len“,sagtHoffmann.Künftigkönntesich
derNiederschlagalsoaufwenigerTageim
Jahrverteilen,sowie2018.

AberderKlimawandelbringtnichtnur
wärmereLuftmitsich.Erscheintauchden
Jetstreamzuverändern,denHöhenwind,
derrundumdenNordpolvonWestnach
OstwehtunddasWetterinmittlerenBrei-
tensteuert.DieserStromscheintsichzu
verlangsamen,erschlägthäufigerinWel-
lennachNordenundSüdenaus,dielänger
anOrtundStellestehenbleibenundWet-
terlagenfestklemmen.„HochsundTiefs
verharrentendenzielllängeraneinerStel-
le“,sagtHoffmann.„Zusammenmitden
thermodynamischenVeränderungen
könntedasdazuführen,dassderKontrast
zwischendenWetterlagenstärkerwird,so
dasssichheiße,trockeneWitterungspha-
senmitkühlen,nassenabwechseln.“Ei-
nenVorgeschmackaufeinesolcheSituati-
onliefertbereitsdasJahr2019.Aufeinen
kalten,nassenMaifolgtedieersteextreme
Rekord-HitzewelleimJuni.Dannwurdees
AnfangJuliwiederungewöhnlichkühl,bis
diezweite,nochungewöhnlichereHitze-
wellemitTemperaturendeutlichüber
Gradzuschlug.DerAugusthingegenver-
liefehernassundkühl.AufderZugspitze
fielschonwiederSchnee.

ErstdieDürre,danndieFlut


EineAuswertungvonNiederschlagsdatenzeigt,wiehäufigOrtevonStarkregengetroffenwerden.


SelbstintrockenenJahrenkönnenWolkenbrüchemassiveSchädenanrichten


DasseineÜberschwemmungauchpoliti-
schenSchadenanrichtenkann,ließsich
beimElbhochwasser2002verfolgen.An
wenigenTagenfielMitteAugustsovielRe-
genwiesonstineinemhalbenJahr,dieEl-
beerreichtemit9,40Meterihrenhöchsten
jegemessenenPegelstand.MittenimBun-
destagswahlkampfpräsentiertesichder
amtierendeKanzlerGerhardSchröder
dannalsempathischerMacherinGummi-
stiefeln–währendHerausfordererEd-
mundStoibersichweigerte,ausderKata-
stropheKapitalzuschlagen.Sogerietdas
HochwasserfürdenCSU-Kandidaten
selbstzumDesaster.Vonihmbliebdas
Bildhängen,dasserlieberanderNordsee
urlaubte,währendSchröderHilfspakete
schnürte.DieWahlgewannSchrödermit
einigenTausendStimmenVorsprung.

DochauchinmeteorologischerHin-
sichtistdieBilanzderFlutgravierend.Im
Erzgebirgefieleninnerhalbvon24Stun-
denörtlich350LiterRegenproQuadratme-
terundmachtensoausElbzuflüssenwie
derMuldeoderMüglitzreißendeStröme.
KurzdaraufließendiesedieElbeselbstan-
schwellen,zeitweiseführtesie14Malso
vielWasserwieinruhigenZeiten.InSach-
senstarben21Menschen,esgabmehrals
100Verletzte.EntlangderElbebrachen
Dämme,alleineinSachsenwurden
WohngebäudeundStraßenaufeinerLän-
gevon800Kilometernbeschädigt.Insge-
samtverursachtedieÜberschwemmung
inDeutschlandeinenSchadenvon11,4Mil-
liardenEuro,derhöchstejeregistriertema-
terielleSchadeneinesFlusshochwassers
inMitteleuropa. 

Quintia,RenateundSusannehießendie
Damen,dievom28.Julibiszum8.August
2014Münsterheimsuchten,undeswar
ehereinerandalierendeHordealsein
Kaffeekränzchen.DiedreiTiefsbrachten
unteranderemStarkregen,wieerlautden
DWD-Datennuretwaalle52Jahreeinmal
vorkommt.BesondersgroßwarderScha-
den,weilsichdieRegenfällegenauaufdie
RegionMünsterkonzentrierten.Dort
brachteQuintiaaneinerStationbinnen
wenigerStunden260LiterRegenpro
Quadratmetermitsich.Zunächsthatte
mananeineFehlmessunggeglaubt,zumal
nichtweitentferntnur20Litergemessen
wordenwaren.AberdieMessungwarkor-
rekt,unddieFolgendramatisch.Straßen
wurdenüberschwemmt,Unterführungen
geflutet,einMannertrank.

AmEndewarlautdemGefahrenatlas
desGesamtverbandsderDeutschenVersi-
cherungswirtschaft(GDV)mehralsjedes
fünftegegenElementarschädenversicher-
teHausbetroffen,miteinermittleren
Schadenssummevon15000Euro.Insge-
samtbeliefsichderversicherteSchaden
auf240MillionenEuro.DamitsindQuin-
tia,RenateundSusannediezweitteuerste
Starkregen-SeriedervergangenenJahre.
AnersterStellestehenElviraundFriederi-
ke,dieEndeMaiundAnfangJuni
mehrereOrteinBaden-Württemberg,Bay-
ernundRheinland-Pfalzverwüstethatten,
miteinemGesamtschadenvon800Millio-
nenEuro.StarkregenkannnichtnurKel-
lervollaufenlassen:WenndasFundament
unterspültwird,kannsichdasGebäude
senken,Mauernkönnenreißen. 

SchonderganzeFrühlingwarverregnet,
dieBödenmitWasservollgesogen,dieFlüs-
seangeschwollen.AlsEndeMaidanndas
ausgedehnteAdriatiefFrederikDeutsch-
landerreichte,wardieKatastrophevorpro-
grammiert.Zwischen30.Maiund2.Juni
2013fieleninDeutschlandrund22,75Billi-
onenLiterNiederschlag.AnRhein,Main
undNeckarmusstederSchiffsverkehrein-
gestelltwerden.InBayernfieleninnerhalb
vonwenigenTagenmehrals400Literpro
Quadratmeter;normalsindinDeutsch-
land700LiterproQuadratmeterineinem
Jahr.InPassauerreichtederPegelderDo-
nau12,90Meter,sohochstandderFlusszu-
letztim16.Jahrhundert.AuchinSachsen,
Thüringen,BrandenburgundSachsen-An-
haltklettertendiePegelaufHöchstmar-
ken.WasdieIntensitätderRegenfällean-

geht,wieauchdiefolgendeÜberschwem-
mung,giltdieNaturkatastrophealsJahr-
hundertereignis.55LandkreiseriefenKa-
tastrophenalarmaus,dieBundeswehrwar
mitmehrals19000SoldatenimEinsatz.
DieFeuerwehrenrücktenmitmehrals
75000HelfernzumgrößtenFeuerwehrein-
satzinderGeschichtederBundesrepublik
aus.
BesondersgravierendwardieLagein
Bayern.ImLandkreisDeggendorfbrachen
am4.JunizweiDämme,dreiOrtsteilewur-
denüberschwemmt,Tausendemusstenih-
reHäuserverlassen.BetroffeneHausbesit-
zerinDeggendorfkostetedieFlutnachAn-
gabenderGDVimSchnitt180900Euro.
DasmachtdasJunihochwasserfürdieVer-
sichererzumEreignismitdemteuersten
Durchschnittsschadenüberhaupt. 

WetterWieStarkregen,ÜberschwemmungenundKlimawandelzusammenhängen


KanzlerinGummistiefeln


DasElbhochwasserbestimmte2002denWahlkampf


StarkregeninSerie


2014suchtendreiTiefsinFolgeMünsterheim


DammbruchanderDonau


2013verheertenschwereRegenfälledenSüden


DerKlimawandelscheintden
Jetstreamzuverändern,
HochsundTiefsverharrenlänger

ExtremeNiederschläge
sindimPrinzipimmer
undüberallmöglich

2002 2006 2014 2018

2002kamdernasseElbhochwasser-Sommer.
AuffälligdiegroßflächigenRegenfälleam18.Juli
inNiedersachsenundam13.AugustinSachsen.

ImSommermärchen-Jahr2006waren
JuniundJulisehrheißundtrocken.
TrotzdemgabesvielStarkregen.

DerGewittersommer2014warvöllig
verregnet,brachteabernurähnlichviel
Starkregenwie2006.

DerDürresommer2018brachte
mitAbstanddiemeisten
Starkregenfälle.

250

125

375

625

0

500

750

875

2001 2005 20102015’

proJahrinDeutschland,
abWiederkehrzeit10Jahre

SZ-Grafik:JulianHosse,ChristianEndt;Quellen:DWD,GDV

ZahlderStarkregenereignisse
WiederkehrzeitundRadiusallerStarkregenfälle
von2001bis2018inDeutschland

KleineFläche,großeWirkung


Elbhochwasser
2002

TiefCathleen
2010

Julihochwasser
2017

25

0

50

75

100

0502575100125150

Wiederkehrzeit

inJahren

RadiusinKilometern

Starkregen in Deutschland


StarkregenfälleinausgewähltenJahren,derDurchmesserentsprichtmaßstabsgetreuderbetroffenenFläche.
DieWiederkehrzeitgibtdiemittlereZeitspannean,indereinEreignisvonmindestensdieserStärkeamjeweiligenOrteinmalauftritt.Beispiel:EinUnwettermitWiederkehrzeitzehnJahre
istimMitteleinmalinzehnJahrenzuerwarten. 10-28Jahre 28-46Jahre 46-64Jahre 64-82Jahre 82-100Jahre

Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember

SommeristStarkregenzeit
Unwetter-AuftretenimJahresverlaufinDeutschland
DurchmesserentsprichtIntensität;jedunkler,destomehrEreignisse
2001’04’06’08’10’12’14’162018’

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