Handelsblatt - 28.09.2019

(Axel Boer) #1

Haushaltsüberschuss


45 Milliarden Euro plus in sechs Monaten


D


er deutsche Staat steuert
2019 trotz aufziehender Re-
zession erneut auf einen
kräftigen Haushaltsüberschuss zu.
Bund, Länder, Kommunen und Sozi-
alversicherung nahmen im ersten
Halbjahr 45,3 Milliarden Euro mehr
ein, als sie ausgaben. Steuer- und Bei-
tragsaufkommen legten wegen der
noch robusten Binnenkonjunktur zu,
und die Zinskosten sanken deutlich.

Das Plus fällt zwar geringer aus als
das im Vorjahreszeitraum, da waren
es fast 52 Milliarden Euro. Dennoch
ist der Überschuss gleichwohl der
zweithöchste seit der Wiedervereini-
gung, wie aus den Daten des Statisti-
schen Bundesamtes hervorgeht.
Damit wächst der Druck auf die Re-
gierung, Steuern zu senken und im
Kampf gegen die Konjunkturflaute
mehr zu investieren. „Wann, wenn

nicht jetzt, wären Entlastungen mög-
lich und sinnvoll?“, twitterte FDP-
Chef Christian Lindner. Das Bundesfi-
nanzministerium sprach von „erfreu-
lichen Zahlen“. Gleichwohl handele
es sich „um eine Momentaufnahme,
die die sich abzeichnende Eintrü-
bung der Konjunktur noch nicht ab-
bildet“. Deshalb sei die Aussagekraft
dieses hohen Überschusses „sehr be-
grenzt“. Martin Greive

Mobilnetz


Regierung


verschleppt


5G-Ausbau


Moritz Koch Berlin


S


eit Jahren verspricht die Bun-
desregierung, den Aufbau neu-
er, superschneller Mobilfunk-

netze (5G) voranzutreiben. Doch ge-


nau dabei bleibt es bisher weitgehend:


einem Versprechen. Das geht aus ei-


ner Antwort der Bundesregierung auf


eine Frage der FDP nach Fortschritten


bei der 5G-Einführung hervor, die


dem Handelsblatt vorliegt. Statt kon-


krete Beschlüsse aufzulisten, weicht


die Regierung aus: „Die Beschleuni-


gung von Genehmigungsverfahren


und Entscheidungsprozessen ist Teil


der Gesamtstrategie zum Mobilfunk-


ausbau.“ Entsprechende Maßnahmen


erforderten „Handeln auf Ebene von


Bund, Ländern und Kommunen“. In


dem knappen Schreiben heißt es wei-


ter: Eine Arbeitsgruppe erstelle „Bro-


schüren, in denen Best-Practice-Bei-


spiele und konkrete Maßnahmen zur


Optimierung aufgezeigt werden“.


Gesamtstrategie fehlt


Kurz: Infoblättchen werden vorbe-


reitet, aber die angekündigte „Ge-


samtstrategie“ lässt weiter auf sich


warten. FDP-Fraktionsvize Frank Sit-


ta kritisiert das scharf: „Verkehrsmi-


nister Andreas Scheuer will offen-


sichtlich davon ablenken, dass im


Bereich der Genehmigungsverfah-


ren seit 2017 nichts passiert ist.“ Die


Große Koalition habe im Bereich di-


gitale Infrastruktur „komplett ver-


sagt“. Eigentlich hatte die Bundesre-


gierung schon 2017 in ihrer 5G-Stra-


tegie versprochen, „ein bundesweit


einheitliches, schlankes Genehmi-


gungsverfahren“ zu etablieren.


An Ideen mangelt es nicht, auch


nicht im Bundesverkehrsministeri-


um. Scheuer rief vergangene Woche


Länder und Kommunen dazu auf, et-


wa Laternenmasten als Standorte für


Sender aufzurüsten: „Die Mitnutzung


vorhandener Infrastruktur wie Am-


peln, Straßenlaternen oder Gebäude


ist für einen schnellen 5G-Ausbau un-


erlässlich“, sagte der CSU-Politiker


„Focus Online“. Sein Haus schaffe


derzeit die Rahmenbedingungen da-


für. Der Vorstoß, Verkehrsinfrastruk-


tur für Mobilfunk zu nutzen, sei an


sich begrüßungswert, räumt FDP-


Parlamentarier Sitta ein. Nur: „Bisher


sind alle großen Ankündigungen der


Bundesregierung zur Vereinfachung


der Genehmigungsverfahren in


Schall und Rauch aufgegangen.“ Ge-


nehmigungsverfahren für Mobilfunk-


masten müssten endlich „konse-


quent entbürokratisiert“ werden.


5G erlaubt wesentlich schnellere


Datenübertragungen. Der neue Mobil-


funkstandard soll eine zentrale Rolle


bei der Vernetzung von Fabriken spie-


len. Auch das autonome Fahren soll


über 5G-Netze gesteuert werden.


Deutschland kann „stark von einer


frühzeitigen Einführung der 5G-Tech-


nik profitieren“, schreibt die Regie-


rung. Doch innerhalb der föderalen


Struktur der Bundesrepublik ist ra-


sches Handeln schwierig. Andernorts


geht’s schneller: In Teilen Südkoreas


etwa können Handy nutzer schon im


5G-Netz surfen. Die FDP fordert, die


öffentliche Infrastruktur schnell zu-


gänglich zu machen. „Die Bundesre-


gierung darf die Verantwortung für


die miserable Netzabdeckung nicht


länger abschieben“, sagt Sitta.


      





 


   
  





Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165

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