Handelsblatt - 28.09.2019

(Axel Boer) #1
Irans Präsident
Ruhani (l.), Außen -
minister Sarif:
Die Perser stellen
Bedingungen
für ein Treffen mit
Trump.

AP

Mathias Brüggmann, Moritz Koch
Berlin

D


onald Trump beweist
beinahe täglich, dass
er zu allem fähig ist.
Und doch gelingt es
dem US-Präsidenten
immer wieder, die Welt zu überra-
schen. Am Montag etwa, als er von
der „enormen Einigkeit“ der zerstrit-
tenen G7-Staaten schwärmte – und
dann der iranischen Führung spon-
tan Gespräche über den Atomkon-
flikt anbot. Sogar eine US-Kreditlinie
stellte Trump der stark unter ameri-
kanischen Sanktionen leidenden Isla-
mischen Republik in Aussicht.
Ist eine Verständigung zwischen
Teheran und Washington möglich?
Könnten die Verhandlungen mit
Nordkorea ein Modell zur Deeskalati-
on der Spannungen am Persischen
Golf sein? So verlockend es angesichts
der vielen ungelösten Krisen in der
Welt ist, auf die Diplomatie zu hoffen:
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass
die Amerikaner und Iraner aus der
Konfrontationslogik herausfinden.
Trump hat in den vergangenen Mo-
naten mehrfach seine Gesprächsbe-
reitschaft bekundet – die Sanktionen
aber immer weiter verschärft. Für ei-
nen Kurswechsel spricht wenig.
Auch ein Nachgeben der Iraner
zeichnet sich nicht ab. Zwar reiste
Irans Außenminister Mohammed
Dschawad Sarif auf Einladung des
französischen Präsidenten Emmanuel
Macron zum G7-Gipfel nach Biarritz –
ein Zeichen dafür, dass das Land
nach Wegen aus der Isolation sucht.
Die Reaktion auf Trumps Avancen je-
doch fiel in Teheran zurückhaltend
bis kühl aus. „Wir sind daran interes-
siert, Probleme auf vernünftige Weise
zu lösen, aber wir sind nicht daran in-
teressiert, Fotos zu machen“, sagte
Irans Präsident Hassan Ruhani in ei-
ner Rede vor Beamten in Teheran.
Ruhani formulierte klare Bedingun-
gen für ein Treffen mit Trump: „Zu-
erst sollten die USA alle illegalen, un-
gerechten und unfairen Sanktionen
gegen Iran aufheben.“ Washington
müsse zu den Vereinbarungen des

2015 geschlossenen Atomabkommens
zurückkehren, das die USA im Mai
2018 einseitig aufgekündigt haben.
Die Fronten sind verhärtet, die
während der Atomverhandlungen
mühsam geknüpften Kontakte abge-
brochen. Wenn überhaupt, ist eine
Wiederannäherung an die Europäer
möglich, die der Iran zuletzt mit der
Kaperung eines britischen Tankers
im Persischen Golf verprellt hatte.
Nun aber könnten beide Seiten ins
Geschäft kommen. Die Handelsplatt-
form Instex, mit der Deutschland,
Frankreich und Großbritannien Teile
des Iranhandels und damit das Atom-
abkommen vor US-Sanktionen schüt-
zen wollen, macht endlich Fortschrit-
te. Sieben andere EU-Staaten wollen
mitmachen. Nach Informationen des
Handelsblatts haben zudem Norwe-
gen und Indien Interesse an Instex
bekundet. Russland würde die Han-
delsplattform ebenfalls gern nutzen,
doch auf einen Deal mit Moskau wol-
len sich die Europäer nicht einlassen


  • unter anderem, um die USA nicht
    noch weiter zu verärgern.


Fortschritt bei Instex


Als „erstes Start-up mit Risikokapital
in der Geschichte des Auswärtigen
Amts“ bezeichnet Miguel Berger,
Chef der Wirtschaftsabteilung des Au-
ßenministeriums, die Handelsplatt-
form. Ihr Start-up hat den Diploma-
ten zuletzt große Sorgen bereitet.

Erst trat im Sommer Per Fischer zu-
rück, der frühere Commerzbanker,
der die Handelsplattform aufgebaut
hatte. Dann musste sein designierter
Nachfolger Bernd Erbel auf den Lei-
tungsposten verzichten, weil er sich
von einem antisemitischen Ver-
schwörungstheoretiker interviewen
ließ. Bisher hat Instex kein einziges
Geschäft abgewickelt.
Nun aber wurde ein neuer Chef ge-
funden. Er soll am Donnerstag vorge-
stellt werden, hieß es aus Wirtschafts-
kreisen, und Instex endlich die Arbeit
aufnehmen. Es gibt mehrere interes-
sierte Unternehmen. Die ersten Ge-
schäfte mit Iran werden derzeit von
den Wirtschaftsprüfern untersucht,
die Instex angestellt hat. Wie das Han-
delsblatt erfuhr, handelt es sich dabei
um Lieferungen von medizinischen
Geräten und Krebsmedikamenten –
humanitäre Güter also, die eigentlich
ohnehin von den US-Sanktionen aus-
genommen sind, aber dennoch der-
zeit nicht ausgeliefert werden können,
weil Banken die Finanzierung verwei-
gern. Nach und nach wollen die Euro-
päer das Handelsvolumen erweitern
und letztlich auch Güter transferie-
ren, die nicht unter die humanitären
Ausnahmen der Amerikaner fallen.
Ob das den Iraner reicht, ist zwei-
felhaft. Sie wollen vor allem ihren Öl-
handel retten – der Rohstoffexport ist
ihre wichtigste Devisenquelle. Die
Europäer aber schrecken vor Ölge-

schäften zurück. Auch das aus Rück-
sicht auf die Amerikaner. Irans Au-
ßenminister Sarif betonte nach sei-
nen Treffen in Biarritz, bei den
Gesprächen sei „auch über Europas
Zusagen geredet worden“. Die Ab-
hängigkeit Europas von den USA kri-
tisierte er scharf: „Leider benötigen
die Europäer einige Genehmigungen
zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen,
was unserer Meinung nach keine gu-
te Voraussetzung für die Zukunft der
internationalen Beziehungen ist.“
Zumindest aber besteht nach dem
G7-Treffen die Hoffnung, dass sich
die Lage am Golf nicht noch weiter
verschlechtert. Irans Börsen reagier-
ten erleichtert: Am Montag und
Dienstag stieg der Tedpix-Index der
Teheraner Börse deutlich, auch der
Kurs der Landeswährung Rial legte
gegenüber Dollar und Euro zu. Der
Rial hatte seit Trumps Ausstieg aus
dem Atomabkommen über die Hälfte
seines Wertes eingebüßt.
Teheran hatte zuletzt seine Uran-
Anreicherung wieder über das im
Nukleardeal vereinbarte Maß hinaus
erhöht – und dies mit dem Ölembar-
go der USA gerechtfertigt. Irans Öl-
ausfuhren sind von 2,5 Millionen Bar-
rel ( je 159 Liter) täglich auf unter
100 000 Fass gefallen. Größter Ab-
nehmer von iranischem Öl ist China.
Mit der von den USA unter Sanktio-
nen gestellten Bank of Kunlun hat
China ein Zahlungsinstrument, das
anders als Instex schon im Einsatz
ist. Die Bank ist eine Tochter des chi-
nesischen Ölriesen CNPC und hat
nach Angaben des Internetdiensts
TankerTrackers, der Routen von
Schiffen per Satellit und GPS-Signa-
len verfolgt, Dutzende vollgeladene
Supertanker vom Iran an Chinas Küs-
ten geholt.
Es ist kein Zufall, dass Sarif nach
dem G7-Treffen Richtung China wei-
terreiste. Peking und Teheran wollen
ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit
vertiefen. Beide Länder stellten sich
„dem US-Unilateralismus und -Wirt-
schaftsterrorismus entgegen“, sagte
Sarif in Peking.


Leitartikel Seite 12



Iran-Konflikt


Auf die Euphorie


folgt Ernüchterung


Washington und Teheran fallen nach den


Versöhnungssignalen von Biarritz in die alte


Konfrontationslogik zurück.


Wir sind daran


interessiert,


Probleme auf


vernünftige


Weise zu lösen,


aber wir sind


nicht daran


interessiert,


Fotos zu


machen.


Hassan Ruhani
Präsident des Irans

Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165

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