Psychologie Heute - 09.2019

(coco) #1

TITEL


üben und schlicht wieder und wieder versuchen, sich
dabei zu konzentrieren. Denn dadurch erfährt man,
welche Beanspruchung man gut bewältigen kann,
erlebt Kontrolle über die Tätigkeit, und deren Ablauf
wird f lüssiger. Das zeigen etwa Arbeitsplatzstudien
von Thomas Rigotti, Professor für Arbeits-, Organi-
sations- und Wirtschaftspsychologie an der Univer-
sität Mainz. Er hatte erwartet, dass sich jüngere Kol-
legen besser fokussieren als ältere. Denn so wie vie-
le andere geistige Fähigkeiten, die unter das Konzept
„f luide Intelligenz“ fallen, ist die Konzentrationsfä-
higkeit im jungen Erwachsenenalter eigentlich am
höchsten. Dennoch stellte sich heraus, dass die älte-
ren Mitarbeiter nicht mehr Probleme hatten, mit
komplexen Anforderungen umzugehen. Laut Rigot-
ti liegt das an ihrer Erfahrung und der damit ver-
bundenen Expertise.
Zum Teil ist das Vermögen, sich zu fokussieren,
aber auch in unserer Persönlichkeit festgelegt. Ar-
beitspsychologe Rigotti sagt, die Konzentrationsfä-
higkeit stehe in Zusammenhang mit Intelligenz, Ge-
wissenhaftigkeit und emotionaler Stabilität, also Ei-
genschaften, die ab dem frühen Erwachsenenalter
relativ stabil sind. Ein Beispiel für eine große men-
tale Fähigkeit sei Steffi Graf, meint Darko Jekauc,
Professor für Sportpsychologie am Karlsruher Ins-
titut für Technologie. „Ihr Vater sah relativ früh, dass
sie womöglich nicht motorisch, aber mental den an-
deren Kindern überlegen war.“


Tageszeiteneffekte nutzen


Weitere Faktoren, die beeinf lussen, wie wir uns fo-
kussieren können, sind etwa Erkrankungen wie
ADHS, bei der Konzentrationsstörungen eines der
Leitsymptome sind, oder Depressionen, die ebenfalls
bisweilen die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Auch
die Art der Tätigkeit und damit die erforderliche In-
tensität der Konzentration oder die Tageszeit haben
einen Einf luss. Häufig heißt es, man könne sich rund


45 Minuten lang konzentrieren. Thomas Rigotti hin-
gegen spricht von 10 bis 30 Minuten, Erich Kasten,
Professor für Neuropsychologie an der Medical School
Hamburg, meint, die 90 Minuten einer Vorlesung
seien für viele machbar. Doch nicht nur am Stück,
sondern auch pro Tag ist die Konzentrationsfähigkeit
begrenzt, vier bis fünf Stunden ist eine Größenord-
nung, die oft genannt wird.
Wie die Dauer der Konzentration, so ist auch die
Anzahl der Tätigkeiten limitiert, denen man zur sel-
ben Zeit nachgehen kann. Mehrere komplexe Auf-
gaben kann kaum jemand gleichzeitig bewältigen


  • eine mittlerweile weitverbreitete Erkenntnis, die
    uns dazu gebracht hat, Multitasking möglichst zu
    umgehen. Doch was sich häufig nicht vermeiden lässt,
    sind unerwartete Unterbrechungen von außen: Kin-
    der, die weinen, eingehende E-Mails, der Kollege, der
    kurz vorbeischaut, um zu fragen, wann man seine
    Mittagspause plane.


Konzentration ist


wie ein Muskel:


zu einem großen


Teil trainierbar

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