Die Welt - 31.08.2019

(Martin Jones) #1
ndspiel um die Deutsche Meisterschaft 1939: Admira Wiens Torwart Buchberger (am Boden hinten) klärt vor dem angreifenden Schalker Ernst Kalwitzki (vorne). Schalke triumphierte am Ende aber mit 9:

PA/ DPA

/ SCHIRNER SPORTFOTO (2)

Ebene Versuche gestartet wurden, sepa-
rate Profiligen zu gründen (z. B. in Ber-
lin und Köln), knickte der DFB nach 30
Jahren ein: Auf seinem Bundestag am 16.
Oktober 1932 beschloss er trotz anhal-
tender Skrupel die Einführung des Pro-
fffitums, auf dem Bundestag im Mai 1933itums, auf dem Bundestag im Mai 1933
sollte die Reichsliga gegründet werden.
Die Machtergreifung der Nationalso-
zialisten im Januar 1933 machte dem
Plan einen Strich durch die Rechnung,
die Idee von Profifußballern passte
nicht in deren Weltbild. Dem DFB war
es recht und so galt weiter das Statut
von 1920, wonach „ein Spieler aus der
Teilnahme am Sport ... keinen Gewinn
an Geld oder Geldeswert“ ziehen dürfe.
Immerhin wurde der Spielbetrieb ge-
strafft, und es gab statt Dutzender Be-
zirksligen im ganzen Reich nun 16, spä-
ter 21 Gauligen als oberste Spielklassen.
Immer noch viel Mittelmaß: 183 Vereine
und 2500 Spieler durften sich vor der
Saison 1939/40 „erstklassig“ nennen.
Aber was bedeutete das schon?
Reichstrainer Sepp Herberger war mit
der Situation kreuzunglücklich und
machte sie mitverantwortlich für die

Enttäuschungen, die die Nationalmann-
schaft bei Olympia 1936 (Aus in der 2.
Runde) und der WM 1938 (Aus in der 1.
Runde) erleben musste. Weltmeister
1938 wurde erneut Italien und dessen
Trainer Vittorio Pozzo sagte mahnend
in einem Interview, aus dem der „Ki-
cker“ am 15. August 1939 zitierte: „Die
deutsche Kraft des Fußballs verzehrt
sich im schwelenden Feuer der Masse
und Mittelmäßigkeit, die italienische
wird immer neu entzündet an den sprü-
henden Funken des Kampfes der Elite.“

Das feurige Bild war Wasser auf die
Mühlen des Reichstrainers, der Fußball-
Fachamtsleiter Felix Linnemann (zuvor
Präsident des in der NS-Zeit aufgelös-
ten DFB) schon länger mit der Grün-
dung einer Reichsliga in den Ohren lag.
„Er konnte zuhören. Ließ mich zappeln.
Wenn man eine Sache mit guten Argu-
menten vertrat, mit Überzeugung plä-
dierte, zeigte er auch einmal ein ver-
stecktes Lächeln, das nichts Bestimm-
tes aussagte“, notierte Herberger nach
einem ergebnislosen Treffen mit sei-

nem Vorgesetzten in Stettin. Aber Her-
berger brauchte Ergebnisse und holte
sich Hilfe, er wusste die Medien zu in-
strumentalisieren für die große Sache.
Ohne dass sie ihn zitierten, erschienen
im letzten Friedenssommer mehrere
Artikel in seinem Sinne, unter anderem
im „Kicker“, dem „Fußball“, der „Berli-
ner Volkszeitung“ und der „BZ“, die am


  1. August 1939 titelte: „Kommt die
    Reichsliga im Fußball?“
    Das Thema lag auf der Straße und
    weil es auch im Interesse der NS-Füh-


rung war, im Fußball Erfolge einzufah-
ren, stand die Reichsliga am 26. August
auf der Tagesordnung der Jahrestagung
der damals 18 Gaufachwarte in Bremen.
Im „Kicker“ stand vier Tage zuvor:
„Dass die Reichsliga kommt, erscheint
heute wohl so gut wie sicher. Es fragt
sich nur, wann sie kommt und in wel-
cher Form sie die neue Epoche des
deutschen Fußballs einleiten soll. Die
Reichsliga muss eines Tages kommen,
wenn die deutsche Fußballbewegung
nicht in der Mittelmäßigkeit ersticken
soll.“ Dass das Thema öffentlich ge-
worden war, behagte dem Reichs-
sportführer nicht, weshalb an die
gleichgeschaltete Presse am 24. Au-
gust aus dem Propagandaministerium
die Weisung erging: „Durch Indiskre-
tion sei das Thema Reichsliga in die
Presse gelangt ... Reichssportführer
bittet abzustoppen. Entscheidung fällt
in einigen Tagen.“
Aber es gab ein weit größeres Thema
in jenen Tagen: Die „polnische Frage“,
die die Nazis in ihrem Sinne lösen woll-
ten. Lebensraumerweiterung, die Be-
freiung von Danzig und die Korrektur
des Versailler Vertrags, jenes „Schand-
diktats“ (O-Ton Adolf Hitler) nach dem
verlorenen 1. Weltkrieg.
Spätestens nach dem alle Welt irritie-
renden Hitler-Stalin-Pakt am 24. August
flirrten neue Kriegsgerüchte durch Eu-
ropa, Deutschland und Polen machten
mobil. Der am Fußball bekanntlich völ-
lig uninteressierte Führer hatte den
Überfall auf den 26. August angesetzt –
der Tag, an dem die Reichsliga aus der
Taufe gehoben werden sollte.
Diskutiert wurde eine Einteilung zu-
nächst in drei oder vier Staffeln, wie es
Linnemann vorschwebte – weil auf-
grund der Größe des Reiches noch mit
erheblichen Reiseproblemen zu rech-
nen war. Schließlich mussten die Spie-

ler, die am einzig möglichen Spieltag
Sonntag kickten, montags wieder am
Arbeitsplatz sein können. Der Flugplan
der Lufthansa war 1939 keineswegs aus-
reichend ausgebaut für alle Eventualitä-
ten des Spielplans und Samstagabend-
spiele kamen mangels Flutlichter, die
erst nach 1950 in deutschen Stadien in-
stalliert wurden, nicht infrage. Und wie
sollten die Spieler bezahlt werden, um
noch „Amateure“ zu bleiben?
Über all das wurde am 26. August in
Bremen heftig diskutiert, während in
der Reichskanzlei der Krieg geplant
wurde. Herberger saß ebenfalls in Ber-
lin im „Russischen Hof“ an der Fried-
richstraße und bereitete die National-
mannschaft auf das Länderspiel in
Stockholm am Sonntag vor. „Das wur-
de dann wegen „drohender Kriegsge-
fahr“ schon am 25. August Hals über
Kopf abgesagt, und am nächsten Tag
erfuhr „der Chef“ vom nach Berlin ge-
eilten Verbandsjuristen Riebow, dass
„die Tagung in Bremen aus demselben
Grund wie unsere Reise ein Opfer der
politischen Entwicklungen war. Das
Thema Reichsliga sei mitten im
Schwunge gewesen, als die Tagung auf-
gelöst wurde“. Enttäuscht notierte
Herberger: „Und wieder gingen alle
Hoffnungen in die Brüche.“
Gleichsam fatal wie kurios: Da Eng-
land Deutschland erneut signalisiert
hatte, Polen beizustehen, verschob Hit-
ler den Überfall noch um fünf Tage. So-
mit hatte eine Falschmeldung die Grün-
dung der Reichsliga verhindert – für 26
Jahre. Dann kam sie endlich, unter dem
Namen Bundesliga. Herberger war zur
Einführung immer noch im Amt und
verschob seinen Rücktritt sogar noch
um ein Jahr, ehe er 1964 ausschied. Das
Glück kommt zu dem, der warten kön-
ne, heißt es. Auch wenn es ein kurzes
Glück war.

Wie HITLERdie


ußball-Revolution stoppte


Nationaltrainer Herberger war


kreuzunglücklich, dass es in


Deutschland nur Amateurligen gab.


Weil auch die Nazis Erfolge im


Sport feiern wollten, sollte eine


Reichsliga gegründet werden. Der


Kriegsbeginn verhinderte das


KICKER

/

Der „Kicker“ vermeldete Anfang August 1939
die Einführung der Reichsliga als „so gut wie
sicher“. Reichstrainer Herberger (Mitte
hinten lachend), hier im Kreis seiner Na-
tionalspieler auf dem Reichssportfeld in Ber-
lin, sah sie als unabdingbar an, um mit der
Nationalelf wettbewerbsfähig sein zu können

Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1939: Admira Wiens Torwart Buchberger (am Boden hinten) klärt vor dem angreifenden Schalker Ernst Kalwitzki (vorne). Schalke triumphierte am Ende aber mit 9:

W


Fußball-Revolution stoppte


A


n diesem Wochenende vor
80 Jahren begann der Zwei-
te Weltkrieg mit dem Über-
fall Deutschlands in Polen
am 1. September 1939. Er
hat unermesslich viel Leid geschaffen
und die Landkarte Europas gravierend
verändert. Er nahm vom ersten Tag an
Einfluss auf alle Bereiche der Gesell-
schaft, natürlich auch im Sport, wo er
ebenfalls keineswegs segensreich wirk-
te. Der Spielbetrieb im Fußball wurde
zunächst für drei Monate ausgesetzt
und auch danach eingeschränkt, der
Wettbewerb durch die Rekrutierungs-
praxis teils massiv verzerrt.

VON UDO MURAS

So kam es selbst in den obersten
Klassen fortan regelmäßig zu zweistelli-
gen Ergebnissen, wie etwa im Januar
1943, als Germania Mudersbach aus dem
Moselland-Gau den von Personalpro-
blemen geplagten FV Engers 32:0 abfer-
tigte– in einem Erstligaspiel.
Kaum bekannt ist, dass der Krieg den
VVVorläufer der Bundesliga verhinderte.orläufer der Bundesliga verhinderte.
Denn in den letzten Tagen vor seinem
AAAusbruch sollte eigentlich eine „Reichsli-usbruch sollte eigentlich eine „Reichsli-
ga“ gegründet werden, die für eine stär-
kere Leistungsdichte sorgen sollte. Es
war schon der zweite Versuch und höchs-
te Zeit für die kommende Fußball-Nati-
on, die bei der WM 1934 mit dem dritten
Platz in die Weltelite aufgestiegen war.
WWWar Deutschland doch das einzige Landar Deutschland doch das einzige Land
in Europa ohne eine oberste Liga.
Das lag daran, dass eine solche Liga
ohne Profitum schwer zu denken war.
AAAber der DFB huldigte verbissen dember der DFB huldigte verbissen dem
Amateurgedanken und lehnte derartige
Bestrebungen ab. In den Nachbarlän-
dern Österreich, Ungarn oder Frank-
reich gab es diese Bedenken nicht, Vor-
reiter England hatte schon im 19. Jahr-
hundert damit begonnen. Weil die rigo-
rosen Amateurbestimmungen, die nurosen Amateurbestimmungen, die nur
mickrige Spesensätze erlaubten, aberickrige Spesensätze erlaubten, aber
durch verdeckte Handgeldzahlungen re-urch verdeckte Handgeldzahlungen re-
gelmäßig unterlaufen und auf regionalerelmäßig unterlaufen und auf regionaler

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31.08.19 Samstag, 31. August 2019DWBE-HP


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