Der Tagesspiegel - 31.08.2019

(Sean Pound) #1

DIE KUNST


Miron Zownir,65, zog in den siebziger Jahren von Karlsruhe nach Berlin. Seine Streifzüge
mit der Kamera, die ihn vor allem durch Kreuzberg führten, setzte er danach in London und ab
1980 in New York fort. Zownir arbeitete als Türsteher, drehte Kurzfilme und 2003 – da war er
zurück in Berlin – eine Dokumentation über den Schauspieler und Straßenmusiker Bruno S.,
den ein Film von Werner Herzog bekannt gemacht hatte. 2016 waren Zownirs Bilder in einer
großen Ausstellung der Hamburger Deichtorhallen zu sehen, 2018 im Rahmen des Europäi-
schen Monats der Fotografie auch in Berlin. Fotobücher wie „Radical Eye“ (1997) bündeln
sein Werk. Am 6.9. wird seine jüngste Schau „City Landscapes“ in der Kölner Galerie Bene
Taschen(Moltkestr. 81)eröffnet, die Aufnahmen sind bis Mitte Oktober zu sehen. cmx

Lebenszeichen.Miron Zownir schaut nicht weg, wenn sich andere Menschen vor ihm entblößen. Das können Selbstdar-


steller sein wie jener Berliner Punk auf der Aufnahme von 1980, aber auch weit exhibitionistischere Akteure. Entblößung


findet jedoch ebenso statt, wenn Zownir Betrunkene und Obdachlose überall auf der Welt fotografiert: Sie sind ähnlich


nackt, dabei schutzloser. Zugleich manifestiert sich in ihrer Situation der Zustand einer Gesellschaft. So war es 1995,


als der Fotograf eigentlich im Auftrag eines Verlags die neue Moskauer Oberschicht porträtieren sollte – und schon am


Bahnhof über die Verlierer des entfesselten Kapitals stolperte. Ignoranz ist keine Alternative für Zownir, den seit der


Kindheit die „Neugier auf das Absonderliche“ umtreibt. Der aber auch nicht einfach mit der Kamera draufhält, sondern


die Motive in der Tradition künstlerischer Street Photography wie Diane Arbus oder Josef Koudelka mit individuellen


Blick und einem Gespür für Kompositionen selbst in den härtesten Momenten festhält. Radikal und ästhetisch.


DER KÜNSTLER


SONNABEND, 31. AUGUST 2019|WWW.TAGESSPIEGEL.DE

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Foto: Nico Anfuso

MEHR BERLIN


Schau mich an.
Er suche nicht nach
Extremen, sagt Miron
Zownir. Aber er geht
seit Langem dorthin,
wo es Grenzgänger
hinzieht. Sein Archiv
reicht von den Berliner
Punks der 80er Jahre
bis zu Außenseitern
der Gegenwart.
Foto: Miron Zownir
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