Der Tagesspiegel - 31.08.2019

(Sean Pound) #1

Es ist angerichtet!


Diese Woche verneigen wir uns


vor einem Berliner Original, das


mit 70 noch gute Figur macht


ZIEMLICH RUHIGist es um das neueCellin der
Uhlandstraße geworden, seit der russische
ObermacherEvgeny Vikentiev(Foto) seinen
Aktivitätsschwerpunkt verlegt und jegliche
PR-Anstrengungen eingestellt hat – im uferlo-
sen kulinarischen Schnack der Stadt spielt es
keine Rolle mehr. Ist er womöglich weg? Ja:
Vikentiev und KüchenchefSimon Dienemann
haben das Haus verlassen, neuer Küchenchef
ist der international erfahreneLiam Faggotter.
Ob das etwas für das schon häufiger nachjus-
tierte Küchenkonzept bedeutet, wird sich erst
nochzeigen. SommelierPascal Kunert,der be-
kannteste „Cell“-Mann, hält die Stellung.


***

EHER UNRUHIG geht es dagegen im neuen
Suhrkamp-Haus in Mitte zu, das vom Verlag
ja gerade bezogen wurde. Geistige Nahrung
dürfte genügend vorhanden sein, beim Essen
dagegen hängt es noch ein wenig. Der Verlag
ist aberbeiLode van ZuylenundStijn Remifün-
dig geworden, die ihr Kreuzberger Lode
& Stijnwohl ganz erfolgreich betreiben, und
hat sich einen Ableger bestellt. Wenn es mal
losgeht, wohl noch in diesem Jahr, wird es
aber ein schlichtes Bistro mit Gerichten à la
carte sein, kein Nur-Menü-Restaurant wie in
Kreuzberg. Das übrigens umgebaut wurde
und nun mit SommelierOle Ortmannauch ein
wenig in die Höhe schaut, wo die Auszeich-
nungen hängen.


***

ECHTE UNRUHEhat unsere Mitteilung ausge-
löst, der zufolgeTomasz Trabskinicht mehr
Küchenchef im „1687“ in Mitte sei. Denn nun
heißt es,er sei prinzipiellnoch da,abergegen-
wärtig führe der von uns genanntePatrick
Schettlingdie Geschäfte am Herd.


***

GROßE UNRUHEbeherrschte lange Zeitdas Le-
ben vonStefan Hermann(Foto), dem Dresde-
ner Spitzenkoch. Die finanziellen Turbulen-
zen seiner Unternehmen sind nun wohlausge-
standen, aber der Pachtvertrag für sein be-
sterntes RestaurantBean & Belugaläuft aus,
jedenfalls: Es wird nur noch für Veranstaltun-
gen genutzt. Das „Hirsch 32“ soll aber weiter
bodenständige süddeutsche Küche anbieten,
während Hermann nach einem neuen Stand-
ort sucht. Seinen Sterne-Ehrgeiz befriedigt er
ohnehin schon indirekt in der Radebeuler
Villa Sorgenfrei,derenBetreiber erist; imRes-
taurantAtelier SanssoucikochtMarcel Kube.
Auch das Feinkostgeschäft, in dem Hermann
überwiegend eigene Produktlinien verkauft,
soll weitergeführt werden. Alles in allem wird
er in Dresden weiter wichtig bleiben.


P


atent ist Patent, da kann man
nichts machen. Dieses hier

stammt von 1949 und beschei-


nigt der Berlinerin Hertha Heu-


wer die Erfindung der Currywurst – das


ist ziemlich genau 70 Jahre her. Zwar be-


hauptet der kundige Schriftsteller Uwe


Timm, er habe diese Wurst schon 1947


in Hamburg gegessen, zwar hat Herbert


Grönemeyer die einzige ernst zu nehmende Hymne letzt-


lich der Ruhrpott-Currywuaß gewidmet. Aber: Nur Zah-


len zählen, und diese 70 spricht für Berlin. Ist ja auch viel


schöner, sich vorzustellen, dass der Imbiss-Klassiker und


Kantinen-Feger durch Geistesblitz an der Ecke Kantstraße


entstandenist und nichtdurch irgendeineglobalekulinari-


sche Evolution.


Nicht ganz so alt wie das Patent, aber auch schon Nähe


Rentenalter ist in Berlin die Streitfrage, wie eine anstän-


dige Currywurst denn auszusehen habe, knusprig mit
Darm oder diskret ohne, mit eher tomatenmarkiger oder

ketchupsüßlicher Soße. Einig ist man sich weltweit allein


darüber, dass das Modell „Autobahnraststätte“ mit suppig


warmer Soße und Brühwurst eher ein Verbrechen als ein


Nahrungsmittel darstellt. Dann aber scheiden sich die


Wege, lustigerweise auch in Ost und West, denn Konnop-


kes legendäre Currywurst hatte keinen
Darm.Dasgilt aber auchfürdasnicht we-

niger legendäre Pendant von Krasselt im


radikal westlichen Steglitz, unddamitver-


lassen wir diese Kampfzone mit einem


eindeutigenErgebnis: Soll doch jederma-


chen und essen, was er will, solange die


Wurst in Fett gebraten und nicht in Was-


ser erhitzt wird.


Klar, dass sich auch gute Köche immer wieder an dem


Klassiker versuchen. Meist scheitert das daran, dass die


Wurst zu gut ist und der Ketchup zu selbst gebaut, denn


der Wow-Effekt ergibt sich ja genau dadurch, dass die


Soße die Wurst karumms niedermacht, als wäre die schie-


rer Tofu, Konsistenz ohne eigenen Willen.


Kristof Mulack, Kücheninfluencer im gerade gestarteten


„Lausebengel“, folgt der Krasselt’schen Tradition (Foto):


kein Darm, viel Tomate. Aber die Lausebengels zitieren


nicht, sie modernisieren Berliner Klassiker mit Pfiff: die
Fischstäbchen hausgemacht, der Kebab mit Kassler, die

Soljanka kalt und vegetarisch. Und die Currywurst? Die


kommtvomFleischerBenser.DieSoße istmit gelberThai-


curry-Paste angespitzt, darüber liegt Kartoffelstroh und


werwill, bestelltmexikanisch inspiriertescharfeZwiebeln


dazu. Da kann man nicht meckern. Bernd Matthies


TischGESPRÄCH


Die Currywurst ist einer der


Berliner Klassiker, die in der


SpeisekneipeLAUSEBENGEL
(Grimmstr. 21, Kreuzberg)

ziemlich ausgefeilt und mit


guten Produkten aufgepeppt


wird. Dazu gibt es frisch


gezapftes Craft-Bier


GUT ESSEN, TRINKEN & KOCHEN IN BERLIN


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70 Jahre mit/ohne Darm


MEHR GENUSS


promo/ Cell, promo/ Michael Schmidt, promo/ http://www.augustaleigh.com

SONNABEND, 31. AUGUST 2019
GENUSS.TAGESSPIEGEL.DE

Was ist mit dem „Cell“ los, was


tut sich im Suhrkamp-Haus?


Bernd Matthies berichtet über


den Stand der Dinge und wirft


auch noch einen Blick nach


Dresden, wo Stefan Hermann


einen Schlussstrich zieht


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