Der Spiegel - 24.08.2019

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war da Gegenverkehr. Ich weiß nicht, wie
es gekommen ist.«
In Köln am Max-Planck-Institut für Bio-
logie des Alterns beschäftigen sich Forscher
mit der Frage, was eigentlich beim Men-
schen im Körper passiert, wenn er alt wird.
Mit Mitte 20 beginnt es, das Altern. Es
macht sich in allen Organsystemen bemerk-
bar durch Körperzellen, die sich verändern.
Ab 40 Jahren schrumpft das Gehirn.
Ab 40 merkt man, dass das Sehen
schlechter wird, ab 50 oder 60 das Hören.
Ab 65, sagt der Molekularbiologe vom In-
stitut, baue der Körper keine Muskelmasse
mehr auf. Die altersbedingte Weitsichtig-
keit nimmt weiter zu, die Gedächtnisfunk-
tionen nehmen ab. Ab 70, sagt der Biolo-
ge, gehe es »rapide bergab«. Das periphere
Sehen verschlechtere sich dramatisch, das
Sichtfeld sei mit 80 Jahren um 20, 30 Pro-
zent verringert. Ab 90 ist rund ein Drittel
der Menschen dement.
Ein 90-Jähriger besitzt 97 000 Kilometer
Myelinfasern in seinem Körper. Myelin um-
gibt Nervenfasern und erhöht ihre elektri-
sche Leitgeschwindigkeit. 97 000 Kilometer
sind 45 Prozent weniger als 176 000 Kilo-
meter, die ein 20-Jähriger an Myelin im Kör-
per hat. In komplexen Situationen macht
das alte Menschen langsamer.
Zwei Millionen Menschen über 75 Jahre
haben in Deutschland eine Fahrerlaubnis.
Die Zahl steigt. Menschen über 75 sind bei
versehentlichen Geisterfahrten die größte
Gruppe. Eine Studie der Versicherungswirt-
schaft zeigt, dass vor allem der Schulter-
blick mit zunehmendem Alter selten wird.
Leistungstests? Seien Sache des Ver-
kehrsministers, hat Polizeihauptkommissar
Bartelt in Detmold gesagt. Warum also gibt
es in Deutschland diese Fahrprüfungen
nicht? Wäre ein Gespräch darüber möglich?
Das Ministerium antwortet per Mail.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
habe sich »bereits mehrfach dazu geäußert –
etwa wie folgt: ›Unsere Statistiken zeigen:
Ältere Menschen bauen deutlich weniger
Unfälle als andere Autofahrer. Ob jemand
sicher Auto fährt, hängt nicht vom Geburts-
datum ab.‹« Eine Statistik hängt an, aus der
hervorgeht, dass nicht Senioren ab 65 die
häufigsten Hauptverursacher bei Unfällen
sind, sondern junge Leute von 18 bis 25.
Aber was ist mit denen ab 75 Jahren?
Siegfried Brockmann leitet die Unfall-
forschung der Versicherer und wartet in
seinem Büro an der Wilhelmstraße in Ber-
lin darauf, diese Frage zu beantworten. Er
hat das schon oft getan.
Er sagt, ab 75 seien 74,3 Prozent der
Autofahrer Hauptverursacher von Unfäl-
len mit Personenschaden, drei von vier
trügen die Hauptschuld.
»Wenn ein 85-Jähriger in ein Auto steigt,
bringt er ein höheres Risiko mit, für sich
und andere, als jemand aus der Hochrisiko -
gruppe der jungen Fahrer«, sagt Brock-

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Playmobilfiguren im Spielzimmer: Sein Bruder spielt Unfall

Gedenkort im Hausflur: Conway-Jugendfahrrad, Modell AC 200, Name Charly

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