National Geographic Germany - 09.2019

(Ann) #1
Er war besser als seine Altersgenossen und bald auch besser als sein Men-
tor. Da Vincis frühestes bekanntes unabhängiges Werk, die Federzeich-
nung der „Arnolandschaft“ stammt aus dem Jahr 1473. Da war er 21. Bald
erhielt er in Florenz erste Aufträge: ein Altargemälde für eine Kapelle im
Palazzo della Signoria und das Gemälde „Anbetung der Könige aus dem

Morgenland“ für eine Gruppe von Augustinermönchen.
Über da Vincis Leben weiß man nicht viel. Er war sehr wahrscheinlich
homosexuell – sein ganzes Leben lang waren Männer seine engsten Be-
gleiter. Zweimal wurde er wegen Sodomie angezeigt, doch beide Anklagen
wurden fallen gelassen. Da Vinci liebte Tiere. Auf dem Markt kaufte er
Vögel und ließ sie frei. Er war Linkshänder, gut aussehend, trug rosafar-
bene Tuniken und wurde bewundert für seine Singstimme, seine Groß-
zügigkeit und seine Weltläufigkeit.
Während seiner gesamten 46-jährigen beruflichen Laufbahn, die er
weitgehend in Florenz und Mailand verbrachte, eignete er sich geradezu
besessen Wissen an. Er lernte Latein, sammelte Gedichte, las Euklid und
Archimedes. Wo andere sich an das Offensichtliche hielten, erforschte er
eingehend die kleinsten Details, sprang von einer Disziplin zur anderen,
immer auf der Suche nach der Verbindung dazwischen. Er skizzierte Blu-
men und Flugmaschinen, entwarf Kriegsgerät für seinen Mäzen Herzog
Ludovico Sforza, fertigte Schmuck aus Pfauenfedern für Kostüme und
erarbeitete einen Plan zur Umleitung des Arno zwischen Florenz und Pisa.

Da Vinci dokumentierte
die Naturphänomene
nicht nur in seinen
Notizbüchern, er führte
auch Experimente
durch, um die Mecha-
nismen dahinter zu
verstehen. Besonders
fasziniert war er von
den Eigenschaften des
Wassers. Auf diesem
Blatt zeichnete er, wie
Wasser reagiert, wenn
es ein Hindernis stört
(o.) und wie es Strudel
bildet (u.).
FOTO: ROYAL COLLECTION
TRUST/© HER MAJESTY
QUEEN ELIZABETH II 2018


LEONARDO DA VINCI

Der


Wissen-


schaftler


DA VINCIS TRAUM
Mangels Technik
konnte da Vinci die
gemeinsamen Eigen-
schaften von Luft und
Wasser nie beweisen.
Hier zeigt Gary Settles
(Penn State University),
wie Schlierenfotografie
Turbulenzen in der Luft
sichtbar macht.

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