Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1

10 Weltwoche Nr. 35.
Bild: Bildmontage der Weltwoche (Walter Bieri, Keystone)


D

ieses Ei haben sich die Bürgerlichen im
Kanton Zürich selber gelegt. Statt ihre
Verkehrspolitik in der vergangenen Legislatur
mit ihrer Mehrheit im Parlament elegant in
ihrem Sinne zu erledigen, setzten sie anderes
auf die politische Agenda. Doch bei den Kan-
tonsratswahlen vom Frühjahr wurde der Bür-
gerblock durch eine grüne Welle förmlich
weggespült. SVP, FDP und CVP verloren ihre
absolute Mehrheit. Und der verkehrspoliti-
sche Sprecher der Evangelischen wendet sich
neuerdings tadelnd an die «bürgerliche Rats-
seite», die damit verdutzt zur Kenntnis neh-
men muss, dass die EVP endgültig mit den
Linken politisiert.
Wenig Gutes für den Strassenverkehr erah-
nen liess schon die Übernahme der Baudirek-
tion durch den Grünen Martin Neukom. Kurz
danach rief eine jubelnde Mehrheit im Zür-
cher Kantonsrat den Klimanotstand aus. Reine
Symbolpolitik zwar, aber eben doch eine sym-
bolträchtige. Die Beamten der parlamentari-
schen Medienstelle versandten – ganz im Bann
der gegenwärtigen Linksherrschaft – eine
Mitteilung mit dem euphorischen Titel «Neue
Öko-Mehrheit entscheidet über Revision des
Strassengesetzes». Und im Untertitel stand
hoffnungsfroh: «Tempo 30 auf Kantonsstra-
ssen». Danach wurden jene parlamentari-
schen Vorstösse aufgezählt, die letzten Mon-
tag zur Abstimmung kamen. Dabei empfahlen
die Staatsdiener die linken Urheber der Presse
als Ansprechpartner mit Telefonnummer zur
Rücksprache, übergingen aber frech die bür-
gerlichen Initianten.

Autofahrer haften unbeschränkt
Wenn Zürich verschnupft ist, hustet die
Schweiz. Was heute im bevölkerungsreichsten
Kanton geschieht, kann morgen im ganzen
Land passieren. Die Wahlen vom 24. März hin-
terlassen erste markante Spuren. Eine Links-
mehrheit gibt der Zürcher Verkehrspolitik
einen ganz neuen Dreh. Das rot-grüne Lager
brachte seine parlamentarischen Initiativen ins
Trockene und liess die bürgerlichen Anliegen
im Regen stehen. Die Automobilisten und der
privatwirtschaftliche Nutzverkehr wurden im
Kantonsrat brutal überfahren. Neu soll der
öffentliche Verkehr bei Strassenbauprojekten
konsequent bevorzugt werden. Was heisst: freie
Fahrt für die Busse, Blockaden für Autos und
Lastwagen. Ein FDP-Sprecher sprach von einer
«Kriegserklärung» an das Auto. Nur vergass er
dabei, dass seine Parteifreunde im Ständerat

eben einer Erhöhung des Benzinpreises auf
schliesslich 12 Rappen pro Liter zugestimmt
haben. Was man natürlich ebenfalls als Kriegs-
erklärung ans Auto deuten könnte.
Während die Autolenker als Milchkühe der
Nation schon heute voll für den Strassenbau
aufkommen, sollen sie künftig für sämtliche
Schäden, die ihre Fahrzeuge anrichten, in
unbegrenztem Ausmass aufkommen. Eine
knappe Mehrheit im Zürcher Kantonsrat hiess
selbst diesen undefinierbaren Irrsinn gut. Da-
für scheiterte das bürgerliche Daueranliegen
grandios, den rot-grünen Städten Zürich und
Winterthur endlich die Befehlsgewalt über
ihre Staatsstrassen zu entziehen. Damit wäre
es verunmöglicht worden, dass sich die Städte
gewissermassen gegen den Verkehr verbarri-
kadieren, indem sie einfach Spuren abbauen.
Oder durch Einführung von Tempo-30-Zonen
auf Hauptstrassen die Automobilisten mög-
lichst verlangsamen und schikanieren, bis sie
entnervt zu Hause bleiben oder den öffentli-
chen Verkehr benutzen.
Den Bürgerlichen bleibt nichts übrig, als
die linke Verkehrswende mittels Referenden
und Volksabstimmungen zu bekämpfen.
Angesichts der 2013 gewonnenen Vignetten-
Abstimmung wegen ein paar Franken pro
Jahr scheint dies immerhin kein ganz aus-
sichtsloses Unterfangen.

Verkehr


Totalangriff aufs Auto


Von Christoph Mörgeli _ Im Kanton Zürich macht
die Linke dem Individualverkehr den Garaus.
Ob das gutgeht?

Wenn Zürich verschnupft ist, hustet die Schweiz.

Entweder ist es eine Produktion, mit der die
Monty-Python-Truppe ein Comeback feiern
möchte, oder ein Experiment, was alles von
einer Gesellschaft goutiert wird, die sich von
jeder Rationalität verabschiedet hat. Die nur
noch durch den Gedanken an den eigenen
Untergang erregt wird und ein verhaltens-
gestörtes Mädchen wie eine Heilige verehrt, die
über Wasser wandeln kann.
Eine durch und durch infantile Gesellschaft
geht vor einem infantilen Wesen in die Knie. Es
ist der vorläufige Höhepunkt einer Infantilität,
die sowohl in der Politik wie in der Kultur prä-
gend geworden ist. Erwachsene Menschen nen-
nen ihre Kanzlerin «Mutti», Kinder, die noch
mit ihren Teddybären kuscheln, protestieren


dagegen, dass man ihnen die Zukunft raubt,
und die sogenannten Erwachsenen können vor
Begeisterung kaum noch stehen. Eine Prophe-
zeiung von Herbert Grönemeyer wird endlich
wahr: «Die Armeen aus Gummibärchen / die
Panzer aus Marzipan / Kriege werden aufgeges-
sen / einfacher Plan / kindlich genial.. .»


Greta goes to Hollywood


Die Begeisterung für die Jungen und Mädchen,
die sich auf einmal «politisch engagieren», ist
reine Heuchelei. Kein Mensch, der seine Sinne
beisammenhat, würde sich von einem Sech-
zehnjährigen, dem die Eltern zu Weihnachten
einen Anatomie-Atlas geschenkt haben, den
Blinddarm rausnehmen lassen. Kein Mensch,
der für sich und seine Familie ein Haus bauen
will, würde einen sechzehnjährigen Architek-
ten anheuern, der bis jetzt nur Sandburgen ge-
baut hat. Und kein Mensch, der einen Hedge
Fund von einem Bausparvertrag unterscheiden
kann, würde einem Sechzehnjährigen sein Ver-
mögen anvertrauen. Aber wenn es um das Kli-
ma und die Welt, in der wir leben, geht, mutie-
ren lärmende Kinder plötzlich zu geschätzten
Propheten eines bevorstehenden Untergangs.
Schnell noch einen neuen Audi gekauft und
eine Reise auf die Malediven gebucht. Morgen
könnte es schon zu spät sein. Und gegen die
Flugscham hilft eine kleine Spende an Green-
peace oder die Umwelthilfe. Der Greta-Hype
wird noch eine Weile weitergehen. Er wird erst
vorbei sein, wenn ein Film namens «Greta» in
die Kinos kommt, der alle Stationen ihres
Lebens dokumentiert. Wenn alles gutgeht,
wird die Klimakatastrophe kurz nach der
Premiere eintreten. Wenn nicht, sollte Gretas
Eltern wegen Missbrauchs von Abhängigen der
Prozess gemacht werden.


Kein Mensch würde einen


Architekten anheuern, der bis


jetzt nur Sandburgen gebaut hat.


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