Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1

14 Weltwoche Nr. 35.
Bilder: Urs Flüeler, Alessandro Della Valle, Melanie Duchene, Lukas Lehmann (alle Keystone), Annette Boutellier (Lunax); Bild Nachruf: Str (Photo-


Pascale Baeriswyl, Fahnenflüchtige, verlässt
ihren Posten als Staatssekretärin des Eidgenös-
sischen Departements des Äusseren (EDA) auf
Ende Jahr. Ab Frühjahr wird sie Leiterin der
Schweizer Uno-Mission in New York. Also
doch. Die Weltwoche hatte im Zuge von Recher-
chen zum umstrittenen Exportverbot für Pila-
tus-Flugzeuge geschrieben, Baeriswyl habe in
dieser Sache persönlich Druck gemacht, weil sie
nach Aussage von Insidern kurz vor dem Ab-
gang stehe und dringend Erfolge vorweisen
wolle. Vorsteher Ignazio Cassis (FDP) und die
linke Spitzendiplomatin hätten das Heu nicht
auf derselben Bühne. Das EDA dementierte die
Meldung umgehend in einer ausserordentli-
chen Medienmitteilung. Jetzt ist der Grund für
die untypische Reaktion aus Bern klar: Das EDA
verneinte, weil die Nachricht stimmte. (gut)


Hans-Ulrich Bigler, Politfuchs, wundert sich
über die plötzliche Angst mancher Wirtschafts-
verbände vor einem parlamentarischen Gegen-
vorschlag zur Konzernverantwortungsinitiati-
ve. Das Parlament ist dabei, einen Gegenentwurf
auszuarbeiten, der den Initianten weit entge-
genkommt. FDP-Nationalrat Bigler, Direktor
des Schweizerischen Gewerbeverbandes, macht
nun die Vertreter der Grossunternehmen dafür
verantwortlich. «Economiesuisse und Swisshol-
dings haben sich im Nationalrat für den Gegen-
vorschlag starkgemacht», sagt er gegenüber der
Weltwoche. Zwar hätten sie ihre Meinung inzwi-
schen geändert, aber den parlamentarischen Ge-
genvorschlag gäbe es ohne sie nicht. (hmo)


Kathy Riklin, Kreuzkriegerin, liest Matteo
Salvini die Leviten. Auf Twitter kommentiert
sie ein Foto, auf dem zu erkennen ist, dass der
italienische Innenminister an seiner Halskette
ein Kreuz trägt: «Das Kreuz und religiöse
Symbole haben in der Politik nichts zu su-
chen.» Allerdings vertritt Kathy Riklin als
CVP-Nationalrätin ausgerechnet jene Partei,
die das Christliche sogar im Namen führt. Ob
sich die CVP mittlerweile vom Christentum
distanziere, fragte die Weltwoche Parteichef
Gerhard Pfister. Dieser wollte Riklins Äusse-
rung nicht kommentieren. (fsc)


Claudio Zanetti, Romantiker, stellt philoso-
phische Betrachtungen über die Begriffe von
Recht und Gerechtigkeit an. In einem Essay
kritisiert der Zürcher SVP-Nationalrat den


Personenkontrolle


Baeriswyl, Cassis, Bigler,


Riklin, Salvini, Pfister,


Zanetti, Stolkin, Berg,


Rougy, Mundt, Hurter,


Munz, Käslin


«Drang der Linken, Gerechtigkeit zu schaffen,
ja zum Preis neuer Ungerechtigkeit zu erzwin-
gen». Die «linke Terminologie» der Gerech-
tigkeit sei «ebenso gefährlich wie verfäng-
lich». Zanettis Text erschien am vergangenen
Freitag im Zürcher Boten, der Parteizeitung der
kantonalzürcherischen SVP. Am gleichen Tag
lancierte die Partei ein Volksbegehren unter
dem Titel «Gerechtigkeitsinitiative». (fsc)

Philip Stolkin, schlechter Verlierer, scheitert
vor Bundesgericht. Der Anwalt hatte letztes Jahr
zusammen mit der Schriftstellerin Sibylle Berg
und dem SP-Politiker Dimitri Rougy das Refe-
rendum gegen den Einsatz von Versicherungs-
detektiven ergriffen. Nachdem die Stimmbür-
ger das Gesetz an der Urne mit grossem Mehr
angenommen hatten, verlangte Stolkin beim
Bundesgericht, die Abstimmung sei aufzu-
heben: Das Bundesamt für Sozialversicherun-
gen und die Suva hätten vor der Abstimmung
Fake News verbreitet. Die Lausanner Richter
sehen das anders und halten die Informationen
insgesamt für einigermassen sachlich, wie sie
diese Woche mitteilten. Damit entkräftet das

Bundesgericht Befürchtungen, es werde – nach-
dem es im Frühling den Urnengang über die
CVP-Initiative gegen die Heiratsstrafe wegen be-
hördlicher Falschinformation annulliert hatte –
nun reihenweise Volksentscheide aufheben. (fon)

Michael Mundt, Geburtstagskind, engagiert
sich im bisher eher schläfrigen Schaffhauser
Nationalratswahlkampf. Als Zweiter auf der
SVP-Liste nach Nationalrat Thomas Hurter
versucht er, SP-Frau Martina Munz den zwei-
ten Nationalratssitz des Kantons abzujagen.
Dieser Versuch erhielt jetzt unverhofften
Schwung. Anlässlich Mundts Geburtstag am


  1. August wurde der Bahnhof Schaffhausen
    mit grellleuchtenden Grossplakaten vollge-
    pflastert, auf denen der Jubilar mit Papierhut
    und Partytröte abgebildet ist. Mundt selbst
    wurde von der Aktion überrumpelt, jedoch ge-
    ben die Plakate einen Hinweis auf die Urheber-
    schaft: «Herzliche Gratulation von den steuer-
    geflüchteten Heimweh-Schaffhausern». Insider
    vermuten als Auftraggeber der Plakatkampag-
    ne den in der Finanzindustrie tätigen Fabian
    Käslin, wohnhaft in Rüschlikon. (fsc)


Hartnäckig: Kläger Stolkin.

Erfolgsdruck: Staatssekretätin Baeriswyl.

Gerechtigkeitssinn: SVP-Nationalrat Zanetti. Flexibel: FDP-Nationalrat Bigler.

Symbolpolitik: CVP-Nationalrätin Riklin.
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