16 Weltwoche Nr. 35.
Bild: Pascal Mora (Keystone)
G
ebt den Kindern das Kommando
Sie berechnen nicht, was sie tun
Die Welt gehört in Kinderhände
Dem Trübsinn ein Ende
Wir werden in Grund und Boden gelacht
Kinder an die Macht
Herbert Grönemeyer, Kinder an die Macht, 1986
Schmale Schultern tragen eine schwere Last.
«Die Menschheit steht vor ihrer vielleicht
grössten Herausforderung. Mit der Klima
krise, der Umweltkrise und der Biodiversitäts
krise steuern wir auf eine äusserst ungewisse
Zukunft zu», warnen die jugendlichen Pro
motoren der KlimaCharta. Sie verstehen sich
als Teil des Klimastreiks, einer internationalen
Bewegung, die neuerdings auch hierzulande
für Furore sorgt. Im Vorfeld der eidgenössi
schen Wahlen vom Oktober erhöhen sie jetzt
den Druck. «Wir fordern, dass die Schweiz den
nationalen Klimanotstand ausruft», heisst es
in der Charta. Und die Politiker sollten sich
dringend dazu bekennen. Kämen sie den For
derungen «im aktuellen System» nicht nach,
brauche es einen «Systemwandel», so die
linksradikal angehauchte Rhetorik.
Am 20. September, einen Monat vor den
Wahlen, wird die Klimajugend schweizweit
demonstrieren. Es soll ein nationaler Super
anlass werden, laut und bunt, und er soll den
Politikern Feuer unter dem Hintern machen:
«Wir erwarten Taten statt nur Worte!», lautet
die selbstbewusste Ansage der Organisatoren.
Bei den Erwachsenen stösst die «Fridays for
Future»Bewegung, seit sie im Dezember 2018
in der Schweiz Fuss gefasst hat, auf fast unein
geschränkte Bewunderung – endlich wieder
eine Jugend, die sich für eine gute Sache ein
setzt, so der Tenor. Gesellschaft und Medien
zeigen sich geradezu begeistert ob der enga
gierten Kinder, ebenso die Politiker, welche die
Klimawelle schlicht für zu mächtig halten, um
nicht darauf zu surfen. Mütter und Väter
marschieren Seite an Seite mit dem Nach
wuchs, protestieren für höhere Benzinpreise
oder skandieren Parolen wie «System change
- not climate change». Eltern werden dem
klimabewegten Sohn zuliebe von Vielfliegern
zu Nachtzugfahrern oder mit Rücksicht auf
die klimabewegte Tochter von Biofleisch
essern zu Veganern.
Es scheint, als ob der GrönemeyerSong
«Kinder an die Macht» sanft die Hirne berie
selt hätte. Irgendwie greift die Vorstellung um
sich, es wäre alles besser, wenn Kinder und
Jugendliche die Welt regierten. Keine Kriege
Es wäre doch alles besser: Klimademo, 15. März 2019, Zürich.
Gesellschaft
Heilsbringer Kind
Von Katharina Fontana und Philipp Gut _ Die Klimajugend will nicht weniger als die Welt retten.
Eltern und Politiker applaudieren. Dabei schüren sie falsche Erwartungen – und verkennen die Grenzen,
die Kinder und Jugendliche vom Erwachsensein trennen.