Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1
SPORT

Fotos: Frank Hau, dpa (2)

FOCUS 33/2019 113

Kultstatus. Damit kannst du ein bisschen
angeben.“ Doppel-Ironman-Sieger Patrick
Lange lobt die charakterlichen Qualitäten
der „Eisenmänner“. „In der Berufswelt
kannst du damit zeigen: Ich bin ein leis-
tungsfähiger Typ, ich schrecke vor keiner
noch so großen Aufgabe zurück“, sagt der
32-jährige Darmstädter. Er glaubt, Triath-
lon entwickelt die Persönlichkeit und ver-
ändert die Seele. Triathlon macht Sieger!
Der typische deutsche Triathlet ist
männlich (70 Prozent) und im Schnitt
38 Jahre alt. Er ist berufstätig (80 Prozent
sind vollbeschäftigt) und sehr gut gebil-
det (drei Viertel haben Abitur oder stu-
diert). Nach Angaben der Deutschen Tri-
athlon-Union gelten Dreikämpfer zudem
als diszipliniert, leistungsorientiert und
geben Jahr für Jahr rund 2500 Euro für
ihren Sport aus. Zu einem ähnlichen Fazit
kommt eine Studie der Uni Regensburg
unter Langdistanz-Athleten. Diese zeich-
nen sich demnach durch eine stark leis-
tungsorientierte Persönlichkeit, Disziplin,
Willensstärke, Zielstrebigkeit und Orga-
nisationstalent aus.
„Ausdauer, Geld, Schmerzresistenz,
Strukturiertheit und dazu gute Trainings-
möglichkeiten – Triathlon ist ein sehr deut-
scher Sport“, findet Markus Kriege. Der
Essener Architekt war schon Europameis-
ter in seiner Altersklasse, nahm sechsmal
am Ironman auf Hawaii teil und erreichte
dort als bestes Resultat Platz fünf. „Deut-
sche bringen einfach sehr gute Voraus-
setzungen für den Triathlon mit.“
Der 53-Jährige sieht eigentlich eher wie
ein Surfer aus. Groß, schlank, nacken-
langes blondes Haar, gesunde Bräune,

schneeweiße Zähne. An sei-
nem Körper kein Gramm Fett.
Er sagt, Triathlon ist sein Leben.
Die Ehefrau, eine Ökotropho-
login, hat seine Ernährung
auf Hanfproteine umgestellt.
Die schmalen Lippen zeugen
davon, dass Markus Kriege eine
Menge Schmerzen aushalten
kann. In der Woche schwimmt
er 12, radelt 300 und läuft bis
zu 80 Kilometer. Vereinskol-
legin Steffi Borchers kommt
auf 10 Kilometer Schwimmen,
350 Radfahren und 15 Laufen.
Mit drei bis fünf Stunden Trai-
ning pro Woche lässt sich ein
Jedermann-Triathlon gut bewäl-
tigen. Langdistanzler trainieren mindes-
tens zehn Stunden pro Woche. Profi-Tri-
athleten kommen auf deutlich über 25 Stun-
den pro Woche, oft sogar über 30. Hawaii-
Starter schinden sich etwa 15 bis 25 Stun-
den; ihr Aufwand variiert über das Jahr. Je
mehr Talent jemand hat und je besser die
Technik des Bewegungsablaufs ist, desto
weniger Umfang ist nötig. Triathlon bildet
den Körper rundum athletisch aus. Vom
guten Körpergefühl profitieren Triathleten
auch im Alltag.
Wer wie Steffi Borchers und Markus
Kriege den Sport semiprofessionell be-
treibt, muss im Privatleben deutliche Ab-
striche machen. Familie und Freunde
passen kaum noch ins Zeitbudget. Zumal
sich Triathleten oft schon ein Jahr vor
einem großen Langdistanz-Wettkampf
isolieren und sämtliche Familienfei-
ern und Kneipenbesuche absagen. Der

Exzess bleibt dem Sport vor-
behalten.
„Ich habe wenig Zeit und bin
froh, dass mein Partner Golf
spielt“, sagt Steffi Borchers. „Der
Partner eines Triathleten muss
schon viel Verständnis auf-
bringen.“ Markus Kriege greift
sich ein paar Nüsschen aus
der Schale und meint: „Unser
Sport ist Bestätigung und auch
Selbsttherapie. Wenn ich län-
ger keinen Sport gemacht habe,
steigt in mir der innere Druck.“
Klingt, als wäre es auch für alle
anderen Menschen in seinem
Umfeld besser, dass Kriege sei-
ner Leidenschaft nachgeht.
Triathlon ist viel mehr als ein Ausdau-
ersport, der die Freizeit füllt. Viele spät-
berufene Dreikämpfer haben das Gefühl,
dass in ihrem Leben noch etwas fehlt, dass
mehr Feuer und Rausch hermüsse und sie
sich selbst mehr spüren wollen. Triath-
lon passt perfekt in diese Lücke. Das hat
auch etwas mit Sinnstiftung zu tun. In den
verschiedenen Altersklassen haben die
Athleten oft erst mit 30 oder 40 Lebens-
jahren begonnen. Weil Triathlon so extrem
ist, schüttet der Körper im Ziel besonders
viele Endorphine aus. „Das Hoch fühle ich
noch eine ganze Woche“, sagt Top-Triath-
letin Lindemann. Die Essenerin Borchers
bestätigt: „Das Glücksgefühl hält sehr,
sehr lange an.“
In der deutschen Mittel- und Ober-
schicht ist der Triathlon mehr noch Iden-
tität als Aktivität. In diesen Kreisen kann
man schon lange nicht mehr mit einem

Triathlon ist sexy, abwechslungsreich, elitär und findet in den schönsten Regionen statt


Härter als Eisen Mit 7:52:39 Stunden stellte Patrick Lange 2018 einen Fabelrekord beim Ironman auf Hawaii auf. Er schwamm 3,86 Kilometer in 50:37 Minuten,


Euro
gibt ein Triathlet
hierzulande im
Jahr für seine
Ausrüstung aus.
Damit gehört
Deutschland zu
den Kernmärkten
für Produkte rund
um den Triathlon

2500


fuhr 180,2 Kilometer in 4:16:05 Stunden mit dem Rad und lief abschließend einen Marathon in 2:41:32 Stunden
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