Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1
LITERATUR

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Illustrationen: KAFI, Matthias Seifarth/FOCUS-Magazin

Wissenschaftler der Technischen Universi-
tät Graz haben festgestellt, dass jeder
Apfel mehr als 100 Millionen Bakterien ent-
hält. Apfelesser müssen sich aber, sagen
die Forscher, deshalb keine Sorgen machen.
Bakterien seien notwendig für unser
Leben. Was man schon daran sehe, dass
ein gesunder Mensch durchschnittlich mit
zehn Billionen Bakterien bevölkert sei.
Das klingt logisch, ist es aber nicht.
Genau genommen, spräche es näm-
lich dafür, nicht in den Apfel, sondern
in den Menschen zu beißen, der die
100 000-fach höhere Bakterienkonzent-
ration besitzt. Doch davon raten die Wis-
senschaftler ab. Andererseits könnte ein
Apfel durchaus zur Biowaffe werden.
Kurz, die Sache mit den Bakterien ist
kompliziert. Gut, dass Mikrobiologe Mar-

kus Egert zusammen mit Frank Thadeusz
ein Buch darüber geschrieben hat:
„Ein Keim kommt selten allein“ (Ullstein,
15 Euro).
So wie Egert es sieht, sind die Bakte-
rien den Menschen in allen Belangen
überlegen. Sie erblickten schon vor rund
4,3 Milliarden Jahren das Licht der
damals noch blutjungen Sonne und füll-
ten die zuvor giftige Erdatmosphäre
umgehend mit atembarem Sauerstoff.
Die Menschheit bringt es dagegen auf
bescheidene 200 000 Jahre und hat es
bislang nicht geschafft, die atembare
Atmosphäre vollständig mit giftigem CO 2
zu füllen. Bakterien können zudem alle 20
Minuten Sex haben, indem sie sich teilen.
Manche Menschen behaupten zwar,
ebenfalls alle 20 Minuten Sex haben zu
können, finden aber leider keinen, der
diese Erfahrung mit ihnen teilen will.
Forschern ist es überdies gelungen,
Bakterien, die vor 250 Millionen Jahren zu
Staub zerfallen waren, in einer Nährlö-
sung wieder zum Leben zu erwecken. Die
Frage, ob das nicht unkalkulierbare Risi-
ken mit sich brächte, blieb offen, da die
Wissenschaftler selbst bald zu Staub zer-
fielen.
Es gibt keinen Ort der Welt, an dem
Bakterien nicht leben können, von kilo-
metertiefen Gesteinsschichten bis zu
höchsten stratosphärischen Luftschich-
ten. Wogegen die Überlebenschancen des
Menschen schon drastisch sinken, sobald
ihm auf dem Bürgersteig ein E-Scooter
entgegenkommt.
Die engste Verbindung zwischen Bak-
terien und Menschen ist übrigens der
Küchenlappen. Bakterien lieben ihn. In
einem Kubikzentimeter Lappen sind oft
50 Milliarden von ihnen zu Hause. Und
der Mensch sorgt abwaschend dafür, sie
gewissenhaft über Geschirr und Besteck
zu verteilen.

Was hatte Eva im Sinn, als sie


Adam einen Apfel reichte?


FOCUS-Autor Uwe Wittstock
über Höchstleistungen, an denen
keiner teilhaben will, und
Erreger aus dem Lappen

Buch & Welt


Keimzelle der
Gesellschaft
Markus Egert und
Frank Thadeusz
spüren der Macht der
Mikroben nach

FOCUS 33/2019


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