Der Stern - 08.08.2019

(Ann) #1

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US-Forscher der Johns Hopkins University glauben, den
ersten Erreger identifiziert zu haben, der erst durch den
Klimawandel gefährlich wurde. Der Hefepilz „Candida
auris“ hat sich – wie genetische Analysen zeigen – auf min-
destens drei Kontinenten so entwickelt, dass er nicht mehr
nur auf der kühleren Haut, sondern auch im Darm, in
Wunden, Atemwegen und im Blut gedeihen kann. Dazu
wurden einige Stämme gegen alle verfügbaren Medika-
mente resistent. Bei bereits geschwächten Patienten kann
eine Infektion darum tödlich sein, auch wenn die Fallzah-
len noch gering sind.

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Die Experten sind sich einig, dass der Klimawandel enor-
me medizinische Folgen mit sich bringt. Denn neben den
direkten Auswirkungen von Hitzewellen, Stürmen, Dür-
ren und Fluten beeinflussen solche Wetterphänomene auch
die Lebenszyklen von Krankheitserregern. Insbesondere
betrifft das Mikroben, die durch Mücken oder kontami-
niertes Wasser übertragen werden.

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Günstigere Lebensbedingungen erlauben es den Erregern,
sich genetisch schneller zu verändern und so neuen Le-
bensräumen anzupassen. Das Beispiel Candida auris zeigt
das zumindest schon theoretisch. Doch auch die Erreger der
Malaria, des Dengue- und des West-Nil-Fiebers, dazu die von
Durchfallinfektionen werden mit der Erwärmung in Gegen-
den vordringen, die bislang verschont waren.

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Das ist alles keine Theorie mehr. Bereits seit etwa 1950
wird ein Voranschreiten der Malaria in Hochlandregio-
nen Ostafrikas beobachtet, in denen es für die Anopheles-
Mücke als Überträger zuvor zu kühl war. Und tropische
Mücken, die Dengue- oder West-Nil-Viren weitertragen,
wurden inzwischen auch schon in Deutschland gesichtet.

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Wieder aber werden die ärmeren, medizinisch unterver-
sorgten Teile der Welt die größte Last zu tragen haben.
Vor allem Kleinkinder leiden beispielsweise unter infek-
tiösen Durchfallerkrankungen. Und die werden mit jedem
Grad Erwärmung um acht Prozent zunehmen, so eine
Analyse der Emory University in Atlanta.

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Natürlich lässt sich die befürchtete zusätzliche Verbrei-
tung solcher Infektionskrankheiten am wirkungsvolls-
ten verhindern, indem die globale Erwärmung begrenzt
wird. Zusätzlich aber fordern Infektionsmediziner eine
intensivere Erforschung von Erregern, die „neglected
diseases“ auslösen, wie sie in der Fachsprache heißen –
vernachlässigte Krankheiten. Bislang schienen die Bewoh-
ner in den gemäßigten Zonen vor ihnen sicher. Doch der
Klimawandel könnte das bald ändern. 2 Frank Ochmann

Mit der globalen Erwärmung wächst regional


wie weltweit die Gefahr durch schon bekannte,


aber auch durch neuartige Infektionen


KRANKHEITSERREGER


IM KLIMAWANDEL?


8.8.2019 89

WAS WISSEN WIR EIGENTLICH ÜBER ...

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