Die Welt - 17.08.2019

(Axel Boer) #1

S


trahlender Sonnenschein
fffällt auf die grau verwitter-ällt auf die grau verwitter-
ten Grabsteine. Die Männer
unserer Gruppe tragen Kip-
pa oder eine andere Kopfbe-
deckung. „Eingeweiht wurde der jüdi-
sche Friedhof 1864. Die Juden durften
ihre Toten nur außerhalb der Stadt beer-
digen. Möglichst beschwerlich sollte der
WWWeg dorthin auch noch sein“, sagt Hart-eg dorthin auch noch sein“, sagt Hart-
mut Hosenfeld, ehemaliger Schulleiter
und Hobby-Historiker. „Aber jetzt
schauen Sie sich mal diese Aussicht an!“
Der Blick gleitet über die Grabmale hin-
weg auf die in einem Kalkriff-Tal gelege-
ne Hansestadt Attendorn im südlichen
Sauerland. Markant ragen der Kirch-
turm des Attendorner „Doms“ St. Jo-
hannes Baptist und das Minarett der
Moschee auf. Drei Religionen friedlich
vereint, so scheint es.

VON ALEXA CHRIST

Wir versammeln uns um den Grab-
stein von Julius Ursell. Er ist der Mann,
der uns an diesem Sonntag nach Atten-
dorn geführt hat. Ein Sauerländer durch
und durch, wie Tom Kleine betont. Ge-
meinsam mit Hartmut Hosenfeld enga-
giert er sich für die Initiative „Shalom
AAAttendorn 2018“. Der 80. Jahrestag derttendorn 2018“. Der 80. Jahrestag der
Reichspogromnacht sollte Anlass sein,
an das einstige jüdische Leben ihrer Hei-
matstadt zu erinnern. „Im Zuge dessen
kam ich auf die Idee, einen Wanderweg
zu Ehren von Julius Ursell und der jüdi-
schen Gemeinde Attendorns zu entwi-
ckeln“, erzählt Kleine, und seine Augen
leuchten dabei. Dass er viel Herzblut in
die Sache steckt, ist sofort klar – doch
wer war Julius Ursell?
1 882 wurde er als fünftes von sieben
Kindern des Fabrikantenehepaars Josef
und Minna Ursell geboren. Das Famili-
enunternehmen A.A. Ursell, in dem
auch Julius später arbeitete, stellte
Blechwaren her – alles Mögliche von Bi-
jouterien wie Broschen, Krawattenna-
deln, Federhaken, Kollierschließen und
Karabinern bis hin zu Eimern, Trans-
portflaschen oder Lagerstandgefäßen.
„Die Fabrik war damals der zweitgrößte
Arbeitgeber der Stadt. In der Spitze be-
schäftigte sie über 200 Arbeiter und An-

gestellte, woll“, bemerkt Kleine im ty-
pisch sauerländischen Duktus. „Schon
1 904 führte sie eine Krankenversiche-
rung für ihre Mitarbeiter ein. Die Ursells
waren wie eigentlich alle Attendorner
Juden sehr sozial eingestellt.“
Dass der neue Wanderweg zu Ehren
von Julius Ursell entstand, hängt mit
dessen Verbindung zum Sauerländi-
schen Gebirgsverein (SGV) zusammen.
„Julius war nicht nur Mitglied im Turn-
und im Schützenverein. Er war auch bis
zur Machtergreifung der Nazis 1933 als
Kassierer und als Wegewart des SGV für
die Auszeichnung der Wanderwege rund
um Attendorn verantwortlich“, erläu-
tert Tom Kleine. Da lag der Gedanke na-
he, auch den heutigen SGV bei der Kon-
zipierung des Julius-Ursell-Wegs mit ins
Boot zu holen. Claudia Schmitz, Vorsit-
zende des SGV Attendorn, erinnert sich:
„„„Tom rief mich an und fragte, ob wir unsTom rief mich an und fragte, ob wir uns
treffen könnten – er hätte etwas mit mir
zu besprechen. Am Abend saßen wir
dann in der Kneipe. Dort wurde der Juli-
us-Ursell-Weg geboren.“
Entstanden ist so ein circa zehn Kilo-
meter langer Rundweg, der über 13 Sta-
tionen durch die Innenstadt von Atten-
dorn und bis hinauf zur SGV-Hütte am
„Bigge-Blick“, der Aussichtsplattform
üüüber dem Biggesee, führt. Dank QR-Co-ber dem Biggesee, führt. Dank QR-Co-
des kann sich der Wanderer zu jeder Sta-
tion Informationen aufs Handy laden –
und erfährt so etwa, dass es im 20. Jahr-
hundert fünf jüdische Familien in Atten-
dorn gab: die Böheimers, Cohns, Sterns,
Ursells und Guthmanns. Alle, bis auf die
Familie Guthmann, die eine Metzgerei
betrieb, waren wohlhabende Kaufleute.
Ihre ehemaligen Warenhäuser prägen
noch heute das Bild der historischen In-
nenstadt. Das Kaufhaus Lenneberg et-
wa, in dem heute eine Rossmann-Filiale
untergebracht ist.
Nach dem Tod Theodor Lennebergs
1 920 wurde es von dessen Schwieger-
sohn Hermann Stern übernommen. Es
lag direkt gegenüber dem Kaufhaus
Cohn und galt als das führende Waren-
haus im südlichen Sauerland. Schon
1 900 brachte es einen 84-seitigen Pro-
duktkatalog heraus – ein absolutes No-
vvvum zur damaligen Zeit. „Auch eine ech-um zur damaligen Zeit. „Auch eine ech-
te Romeo-und-Julia-Geschichte können

wir hier erzählen“, beginnt Tom Kleine.
„Die Sterns und Cohns waren erbitterte
geschäftliche Konkurrenten. Regelmä-
ßig versuchten sie, sich mit Angeboten
und Preisnachlässen im Kampf um Kun-
den zu überbieten. Doch dann verliebte
sich der junge Alfred Cohn in Gertrude
Stern, seine spätere Frau.“
Der wirtschaftliche Streit zwischen
den Familien war damit Geschichte. Ein

Happy End für die Sterns aber gab es
nicht. Hermann Stern und seine zweite
Ehefrau Emilie gelten seit ihrer Depor-
tation nach Minsk als verschollen. Seine
Geschwister Emil und Betty – die letz-
ten verbliebenen Juden Attendorns –
wählten 1942, nachdem sie ihren Depor-
tationsbefehl nach Theresienstadt er-
halten hatten, den Freitod. Ihr damali-
ges Wohnhaus ist Station Nummer 5 des

Julius-Ursell-Wegs. Nicht weit entfernt
liegt die Fabrik der Ursells, in der heute
die Firma Muhr & Söhne Metallverpa-
ckungen herstellt. In Rufweite: das Ex-
Direktorenhaus, Station Nummer 6.
QQQuert man dann das Flüsschen Bigge,uert man dann das Flüsschen Bigge,
gelangt man zu dem von Julius Ursell
1 925 erbauten Wohnhaus der Familie,
das im Attendorner Volksmund „Villa
Zion“ genannt wurde. Es ist die Num-

mer 8 des Wegs. Wir gehen langsam wei-
ter. Vor der Ex-Villa der Familie Her-
mann Stern – Station Nummer 9 – ent-
decken wir ein aufgemaltes Hakenkreuz
auf der Straße. Tom Kleine fotografiert
es. „Das wird morgen, am Montag, so-
fffort der Polizei gemeldet und entfernt!“ort der Polizei gemeldet und entfernt!“
Schweigsam wandern wir hinauf zum
Bigge-Blick. Es geht zunächst am Fluss
entlang, dann durch lichten Wald. Ein
paar ordentliche Höhenmeter sind zu
bewältigen – 159 an der Zahl.
Julius Ursell starb 1936 auf einer Ge-
schäftsreise in Brüssel an den Folgen ei-
ner Blasennotoperation. Er hatte dort
versucht, einen Käufer für seine Fabrik
zu finden – die Nazis hatten ihn ausge-
blutet, indem es für jüdische Fabrikan-
ten einfach keine Rohstoffe mehr zu
kaufen gab. Seine Frau Martha starb im
KZ, genauso wie sein Bruder Karl, des-
sen Frau Paula und Tochter Hella, seine
Schwägerin Else und deren Söhne Gün-
ther und Herbert. Aber seine drei Kinder
schafften es, rechtzeitig in die USA zu
emigrieren. Und so erzählt Kleine zum
Schluss eine Mut machende Geschichte:
„Am 7. November 2018 haben wir auf
dem jüdischen Friedhof in Attendorn ei-
ne Gedenkstele mit den Namen aller un-
bestatteten und von den Nazis ermor-
deten jüdischen Mitbürgern aufge-
stellt. Dazu reisten 50 Nachfah-
ren der Ursell-Familie von vier
verschiedenen Kontinenten
an.“ Sie kamen aus den USA,
aus Kolumbien und Chile,
aus Israel, Australien und
England. Größtenteils begeg-
neten sie sich zum ersten Mal.
Tom Kleine führte sie über
den Julius-Ursell-Weg. Da
standen sie plötzlich vor dem
WWWohnhaus ihres Großvaters,ohnhaus ihres Großvaters,
Großonkels oder Urgroßvaters.
„„„Wir hatten alle Tränen in den Au-Wir hatten alle Tränen in den Au-
gen“, erinnert sich Kleine, „Der schöns-
te Moment aber war der, als die Ursell-
Familie sagte: Wir sind zurück in Atten-
dorn.“

TInformationen zur jüdischen
Geschichte Attendorns und zum
Julius-Ursell-Weg: http://www.juedisch-in-
attendorn.org

Gedenkstein für
die jüdischen
Attendorner Bürger

ALEXA CHRIST

SS

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Bigge-Bigge-Bigge-
talsperretalsperretalsperretalsperre

AttendornAttendornAttendornAttendornAttendorn

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Ursell-Weg BiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBiggeBigge

NRW

„„„Wir hatten alle Wir hatten alle


TTTränen in den Augen“ränen in den Augen“


Zehn Kilometer deutsche Geschichte: Das sauerländische Attendorn


gedenkt mit einem neuen Themenwanderweg seiner jüdischen Bürger


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17.08.19 Samstag, 17. August 2019DWBE-VP1


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DIE WELT SAMSTAG,17.AUGUST2019 REISEN 39


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