Handelsblatt - 16.08.2019

(nextflipdebug2) #1

Duale Ausbildung


Abwärtstrend gestoppt


Die Zahl neuer Azubi-Verträge


bleibt auf hohem Niveau.


Doch jeder dritte Betrieb


kann nicht alle freien Plätze


besetzen, warnt der DIHK.


Frank Specht Berlin


V


on der konjunkturellen Ein-
trübung ist am Ausbildungs-
markt bisher nichts zu spü-
ren. Die Zahl der neu abgeschlosse-
nen Ausbildungsverträge werde sich
in diesem Jahr voraussichtlich auf
dem Niveau des Vorjahres bewegen,
sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer
des Deutschen Industrie- und Han-
delskammertags (DIHK), Achim
Dercks, am Donnerstag bei der Vor-
stellung der jüngsten Ausbildungs-
umfrage seiner Organisation. Damit
sei der langjährige Abwärtstrend in
der dualen Ausbildung vorerst ge-
stoppt.
Laut dem Bundesinstitut für Be-
rufsbildung (BIBB) wurden in
Deutschland bis Ende September
2018 knapp 517 000 neue betriebli-
che Ausbildungsverträge abgeschlos-
sen – 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Zahl der von den Unternehmen
angebotenen Ausbildungsplätze war
sogar um rund drei Prozent auf rund
574 000 gestiegen. Wenn die neuen
Ausbildungsverträge dieses Jahr etwa
auf dem Niveau des Vorjahres liegen,
sei dies „relativ gesehen ein Erfolg“,
weil die Zahl der Schulabgänger wei-
ter zurückgehe, sagte Dercks. Die Be-
triebe könnten immer häufiger auch
Abiturienten oder Studienabbrecher
für eine duale Ausbildung gewinnen.
Das erkläre das steigende Durch-
schnittsalter bei Ausbildungsbeginn.
Auch wenn die Konjunktur sich
eintrübt, bleibt der Fachkräftemangel
aber die größte Sorge der Unterneh-
men. Die Knappheit spiegelt sich
auch im Ausbildungsgeschehen: Wie
die DIHK-Umfrage ergab, konnten 32
Prozent der Betriebe im vergangenen
Jahr nicht alle angebotenen Ausbil-
dungsplätze besetzen. Der Wert ist
damit gegenüber dem Vorjahr nur
leicht um zwei Prozentpunkte gesun-
ken. Sorge bereiten muss, dass gera-
de in Berufen, wo Fachkräfte heute
schon knapp sind, das Ausbildungs-
interesse weiter unterdurchschnitt-
lich ist. So kamen nach BIBB-Daten
auf 100 Lehrstellen für Hörgeräte-
akustiker nur 85 Bewerber.


18 000 Unternehmen – also fast je-
der zehnte Betrieb – haben nach der
DIHK-Umfrage keine einzige Bewer-
bung erhalten. Die größten Schwie-
rigkeiten gab es dabei im Gastgewer-
be, im Transport- und Logistiksektor,
am Bau und in der Industrie. Das
Gastgewerbe habe aber schon viel ge-
tan, um das Image zu verbessern,
sagte Dercks. So bemühten sich viele
Unternehmen um besser planbare
Arbeitszeiten oder täten sich bei der
Integration von Geflüchteten hervor.
Auch am Bau hat sich die Ausbil-
dungssituation zuletzt verbessert.
Hier ist die Zahl der neu abgeschlos-
senen Verträge 2018 um rund fünf
Prozent angestiegen.

Zu wenige Berufsschulen
Dercks erwartet, dass der Ausbil-
dungsmarkt auch in den kommen-
den Jahren noch ein Azubi-Markt
bleiben wird. Das heißt, es sind die
Auszubildenden, die sich das passen-
de Unternehmen aussuchen können,
nicht umgekehrt. Denn derzeit gin-
gen jährlich rund 300 000 mehr Be-
schäftigte in den Ruhestand als Schü-
ler die Schule verlassen. Bis 2025
werde die Zahl voraussichtlich auf
500 000 ansteigen.
Das ist auch ein Grund, warum die
konjunkturelle Eintrübung sich bis-
her nicht bemerkbar macht. Viele
Unternehmen, die im vergangenen
Jahr keinen Auszubildenden gefun-
den hätten, seien vielleicht in diesem
Jahr erfolgreich, sagte Dercks. Und
wenn die Industrie verstärkt wieder
Insourcing betreibe, entstünden
auch neue Ausbildungsplätze, selbst
wenn Unternehmen Jobs abbauten.

Gründe* für die Nichtbesetzung
von Ausbildungsstellen 2018

10 %

4 %

69

30

1

16

%

%

%

%

Keine geeigneten Bewerbungen

Es lag gar keine Bewerbung vor

Auszubildender trat nicht an

Vertragsauflösung durch Azubi

Vertragsauflösung durch Betrieb

Sonstiges

Bewerbermangel


Konnten Sie alle angebotenen
Ausbildungsplätze besetzen?
Anteil der Nein-Antworten in %


32 %

HANDELSBLATT • Online-Befragung von 12 467 Unternehmen im Mai 2019


2008 2018
*Mehrfachnennungen möglich
Quelle: DIHK

35


30


25


20





Die Werbung für die duale Ausbil-
dung muss aus Sicht der Betriebe
noch weiter intensiviert werden. Bei
der Berufsorientierung, vor allem in

den Gymnasien, werde noch zu sel-
ten über die Vorzüge informiert. Sor-
ge bereitet den Unternehmen zudem
die zunehmende Ausdünnung des
Berufsschulnetzes. Ein Drittel der
vom DIHK befragten Unternehmen
gab an, dass der Weg zur nächst gele-
genen Berufsschule zu weit sei. Aus-
zubildende, die lange Fahrtwege in
Kauf nehmen müssten, würden aber
leicht abgeschreckt. Laut Dercks ist
die Zahl der Berufsschulklassen in
Deutschland in den zurückliegenden
20 Jahren um ein Fünftel gesunken.
Auch die Ausstattung der Berufs-
schulen lasse vielerorts zu wünschen
übrig. Der DIHK sieht einen Finanz-
bedarf von 2,5 Milliarden Euro, um
die für die digitale Arbeitswelt not-
wendige Modernisierung stemmen
zu können. Der DIHK empfiehlt, ver-
stärkt auch Webinare, Videokonfe-
renzen oder Blockunterricht zu nut-
zen, um den Mangel auszugleichen.

Koch-Auszubil-
dende:Viele
Stellen bleiben
unbesetzt.

imago/Westend


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Wirtschaft & Politik
WOCHENENDE 16./17./18. AUGUST 2019, NR. 157
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