Handelsblatt - 16.08.2019

(nextflipdebug2) #1
Florian Kolf Düsseldorf

A


ngesichts einer interna-
tionalen Klagewelle von
Aktionären sieht Louis
du Preez, Chef des ange-
schlagenen Handelskon-
zerns Steinhoff, sein Unternehmen in
einer bedrohlichen Situation. „Die aus-
stehenden Klagen sind eines der größ-
ten Risiken für die Zukunft des Unter-
nehmens“, sagte er im Gespräch mit
dem Handelsblatt. „Wir sind in intensi-
ven Gesprächen, um mit den Klägern
außergerichtliche Lösungen zu fin-
den“, erklärte er. Das sei „ein Schlüs-
sel für die weitere Entwicklung“.
Der südafrikanische Konzern mit
deutschen Wurzeln kämpft um sein
Überleben. Seit anderthalb Jahren
versucht der neue Vorstand, eine
Übersicht über die Bilanzen und
Strukturen zu bekommen und das
hochverschuldete Unternehmen zu
stabilisieren. Doch du Preez betont:
„Bevor wir keine Lösung für die
Rechtsstreitigkeiten gefunden haben,
werden wir niemanden dazu bringen
können, an unseren geschäftlichen
Erfolg in der Zukunft zu glauben.“
Die Bombe platzte am 6. Dezem-
ber 2017. Statt wie geplant die Bilanz
für das Geschäftsjahr 2016/17 zu prä-
sentieren, veröffentlichte das Unter-
nehmen eine knappe Ad-hoc-Mittei-
lung. Darin hieß es, dass Bilanzunre-
gelmäßigkeiten festgestellt wurden,
die einer weiteren Untersuchung be-
dürften. Außerdem gab das Unter-
nehmen den Rücktritt des Vorstands-
chefs Markus Jooste bekannt. Prak-

tisch über Nacht wurde aus einem
scheinbar gesunden Konzern ein
Pleitekandidat. Die Untersuchungen
förderten Bilanzmanipulationen in
Höhe von mehreren Milliarden Euro
zutage. Heute zeigt sich, dass das Un-
ternehmen trotz zahlreicher Notver-
käufe – darunter der Anteil an der
Möbelkette Poco – auf einem Schul-
denberg von 9,1 Milliarden Euro sitzt.
Zugleich macht es operativ deutli-
che Verluste. Im ersten Halbjahr 2019
meldete Steinhoff einen Fehlbetrag
von 571 Millionen Euro bei einem
Umsatz von 6,8 Milliarden Euro. „Die
Bilanzunregelmäßigkeiten hatten ei-
ne schwache Performance einiger

Geschäftsbereiche über Jahre ver-
deckt“, räumt Konzernchef du Preez
heute ein. Es brauche etwas Zeit, bis
sich das Geschäft auf operationaler
Ebene wieder normalisiert habe.
Der Aktienkurs des in Frankfurt
notierten Unternehmens hatte be-
reits im November 2017 wegen Spe-
kulationen über Unregelmäßigkeiten
deutlich nachgegeben. Doch nach
dem öffentlichen Eingeständnis des
Unternehmens Anfang Dezember
gab es kein Halten mehr: Hatte der
Kurs Mitte des Jahres noch bei rund
fünf Euro gelegen, stürzte er in der
Folge auf 30 Cent ab. Heute liegt er
bei gerade noch sieben Cent.

Das Unternehmen selbst hat eine
Untersuchung der Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaft PwC in Auftrag ge-
geben, die im Frühjahr dieses Jahres
fertig wurde. Den 3000 Seiten star-
ken Bericht hält das Unternehmen
unter Verschluss, aber so viel wurde
schon bekannt: Eine Gruppe von
Topmanagern hat im großen Stil
Scheingeschäfte getätigt, die die Bi-
lanz aufblähten. Offenbar wurden
Gewinne und Vermögensposten von
6,5 Milliarden Euro künstlich kreiert.
Parallel ermittelt auch die Staatsan-
waltschaft Oldenburg gegen mehrere
Ex-Manager. Das Brisante: Diese Un-
tersuchungen laufen schon seit
Herbst 2015. Trotzdem leugnete die
Firma lange Zeit die Unregelmäßig-
keiten. Erst als die Prüfer sich weiger-
ten, die Bilanzen zu testieren, ging sie
im Dezember 2017 in die Offensive.
Deshalb bringen sich nun, ange-
führt von bekannten Klägeranwälten,
die Aktionäre in Stellung, die sich
vom Unternehmen über die wahre fi-
nanzielle Situation getäuscht fühlen.
Sowohl in Deutschland wie in Südafri-
ka, wo die Aktie an der Börse notiert
ist, als auch in den Niederlanden, wo
die Holding aus steuerlichen Gründen
registriert ist, sind zahlreiche Klagen
auf den Weg gebracht worden.
Vor dem Oberlandesgericht Frank-
furt wird es jetzt ernst. In der vergan-
genen Woche hat das Gericht einen
Musterkläger bestimmt. Das Verfah-
ren soll am 18. Dezember beginnen.
Es ist als Musterverfahren nach dem

Möbelkonzern


Steinhoff kämpft ums Überleben


Der Bilanzskandal und Schulden in Milliardenhöhe werden für den Konzern zur existenziellen


Bedrohung. Der neue Vorstand räumt auf, doch eine Klagewelle von Anlegern gefährdet die Zukunft.


Steinhoff
Nettoergebnis in Mio. Euro

-4 036 -1 247 -617

HANDELSBLATT

2017 2018


  1. Hj.
    2019
    Geschäftjahr zum 30.9. • Quellen: Unternehmen, Bloomberg


Aktienkurs in Euro

0,07 €

7.12.2015 15.8.20 19

6

4

2



Steinhoff-Chef
Louis du Preez:
„Schwache
Performance einiger
Geschäftsbereiche
über Jahre verdeckt.“

Bloomberg

Steinhoff-Tochtterer
ConConforforamaa :
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Ian HANNING/REA/laif

Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 16./17./18. AUGUST 2019, NR. 157
22
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