Der Tagesspiegel - 18.08.2019

(Axel Boer) #1
Zufällig traf ich einen alten Schul-
freund wieder. Spontan beschlossen
wir, ein Glas gemeinsam zu trinken.
Daraus wurden dann mehrere Glä-
ser. Als die Rechnung kam, machte
er keine Anstalten, zu bezahlen, also
habe ich sie übernommen. Hinterher
habe ich mich darüber geärgert,
denn er hatte ziemlich angegeben
mit seinen guten Investments und sei-
nen zur richtigen Zeit erworbenen
Immobilien. Ich habe ein gutes Ein-
kommen, aber keine Reichtümer.
— Dominik, großzügig

F


ür diese Situation gibt es viele
Sprichwörter, von denen Sie ei-
nige auch kennen dürften:
„Vom Sparen wird man reich“ oder
„Von nichts kommt nichts“. Ihr
Freundhat beimBezahlenNerven ge-
zeigt, wenn auch vielleicht nicht im
positivenSinne. Bei einemoffensicht-
lichen Einkommensgefälle macht es
inbestimmten Situation Sinn, die Re-
gel einzuhalten: Der Reichere be-
zahlt. Das träfe bei guten alten Freun-
den zum Beispiel dann zu, wenn ei-
ner studiert und der andere schon ei-
nen einträglichen Job hat, oder wenn
einer mit kleiner Rente auskommen
muss, der andere aber noch gut ver-
dient. Ob das so funktioniert oder
nicht, ist manchmal auch eine Frage
des Stolzes.
In Ihrem Fall ist die Sache weniger
offensichtlich. Es tut Ihnen ja nicht
weh, einige Drinks zu bezahlen. Sie
finden das nur ungerecht angesichts
des Einkommensgefälles. Lernen Sie
daraus für ähnliche Situationen. Ge-
rade bei einer ersten Wiederbegeg-
nung nach längerer Zeit spräche
nichts dagegen, dass man die Rech-
nung einfach aufteilt. Es ist, wenn
man sonst nicht viel miteinander zu
tun hat, nichts peinlich daran, dem
Kellner oder Barkeeper zu sagen: „Ge-
trennt, bitte“.
Dass in anderen Ländern grund-
sätzlich immer einer die ganze Rech-
nung für alle übernimmt, ist ein Ge-
rücht, das nicht wahrer wird, je hart-
näckiger es sich hält. Sie sollten die
Rechnung übernehmen, wenn die
Freude über das Wiedersehen so
groß ist, dass auch die Angeberei des
alten Schulfreundes sie nicht dämp-
fen kann. Davon auszugehen, dass je-
mand automatisch eine Rechnung
übernimmt, nur weil er mit seinen
Reichtümern protzt, kann sich als
naiv erweisen. Gerade bei Leuten,
die Klischees bedienen à la „Mein
Haus, meine Jacht...“ wäre ich ein
bisschen skeptisch. Würde aber im-
mer davonausgehen,dass sie sich we-
nigstens die eigenen Drinks leisten
können. Oder sich bei einer nächsten
Begegnung ganz locker revanchieren
können.

— Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit
der Post (Der Tagesspiegel, „Immer
wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder
mailen Sie diese an:
[email protected]

Eigentlich hatte sich Katharina Blum für
den 29. September auf einen relativ ge-
mütlichen Berlin-Marathon eingestellt.
Sie selbst hatte die 42,195 Kilometer
schonunter fünf Stundengeschafft. Doch
die Medizinstudentin wollte mit ihrem
Vater Gerhard Blum gemeinsam laufen,
wie sie es schon 2017 getan hatte, als me-
dizinische Begleitung. Denn ihr Vater
war krank. Mit Mitte 40 versagte seine
Niere. Dabei hatte er Glück im Unglück,
schon nach einem halben Jahr bekam er
einSpenderorgan.Andere Patienten war-
ten Jahre, manche sogar Jahrzehnte, bis
eine passende Niere bereitsteht.
Gerhard BlumsLebenwar strenggetak-
tet zwischen Dialyse, seiner Arbeit sowie
seiner Liebe zum Sport. Und die schien
grenzenlos. Als er mit seiner Frau bei
Freunden zum Essen eingeladen war,
fuhr sie alleine mit dem Auto los – Ger-
hard Blum zog es vor, die 30 Kilometer
lieber zu laufen. Eine gute Gelegenheit
für ihn, sich fit zu halten und für den stra-
paziösen Marathon vorzubereiten. Er en-
gagierte sich im Berliner Radsportver-
band als Trainer und Funktionär, war be-
geisterter Läufer und Vater dreier Kin-
der. Seine älteste Tochter Franziska Ru-
dolph sagt über ihn, er war bescheiden,
humorvoll und konsequent positiv: „Er
wollte niemanden in seinem Umfeld mit
seiner Erkrankung runterziehen, das war
ihm immer sehr wichtig. Es konnte kom-
men, was wolle. Er blieb gelassen.“ Doch
am 8. Juni 2019 dieses Jahres ist Gerhard
Blum gestorben. Er wurde 65 Jahre alt.
Dabei war Blum körperlich, unter den
Gegebenheiten seiner Krankheit, gut in
Form. Er war fleißig, engagiert und ver-
mutlich fitter als manch deutlich Jünge-
rer. Als nach einigen Jahren auch die
Spenderniere zu schwächeln begann,
hätte es eigentlichdas Aus bedeutenmüs-
sen für seine sportlichen Aktivitäten.
Aber er hielt dagegen. Denn Gerhard

Blum war ein Kämpfer. Sein großes Ziel:
beim Berlin-Marathon wieder fit zu sein.
Für einen Dialyse-Patienten ist das ein
großes Risiko. Das Blut ist dünner, der
Stoffwechsel funktioniert anders. Seinen
Flüssigkeitshaushalt muss er sich gut ein-
teilen. Die Ärzte warnten ihn immer wie-
der, welcher Gefahr er sich aussetzte,
wenn er die lange Strecke laufen würde.
Aber Blum schaffte es. 2017 meisterte er
den Marathon. Sein erstes Ziel hatte er
erreicht, das zweite leider nicht: Er hätte
den Marathon gerne unter sechs Stunden

absolviert. Es reichte aber nur zu sechs
Stunden und vierzig Minuten. Eine Fuß-
verletzung ermöglichte ihm kein sicheres
Auftreten.
DerStolz überwogdennoch. Nichtnur,
dass er es sich selbst bewiesen hatte,
auchrannte erstellvertretend füralle Dia-
lyse-Patienten mit, die aufgrund ihrer Er-
krankung zu Hause geblieben waren. „Es
muss ja kein Marathonlauf sein, aber sich
einfach ein Ziel setzen, etwas für sich tun
–das ist extrem wichtig!“, sagte erdamals
dem rbb.

In diesem Jahr wird der Berlin-Mara-
thon ohne ihn stattfinden. Auch wenn
seine Tochter Franziska Rudolph sagt,
dass sie sich schon seit Jahren darauf ein-
gestellt hatten, ziehe einem so ein Ereig-
nis trotzdem erst mal den Boden unter
den Füßen weg. Die Sportbegeisterung
des Vaters hat sich in der Familie aber
weitervererbt. Gerhard Blums Startplatz
übernimmt sein Sohn Juri Blum. Katha-
rina Blum, die wieder als medizinische
Betreuerin mitgelaufen wäre, startet
ebenfalls – obwohl sie gerade erst im Feb-
ruar Mutter geworden ist. Franziska Ru-
dolphsTeilnahme war lange unsicher, die
Vergabe der begehrtenStartplätzewar be-
reits im November des vergangenen Jah-
res beendet. „Viele Läufer haben mich an-
geschrieben und meinten, dass sie ihren
Startplatz gerne an mich abtreten wür-
den, aber der SCC ist da leider sehr
streng“, sagt sie. Es klappte dennoch.
Antenne Brandenburg hatte noch ei-
nen Platz zur Verfügung, Franziska Blum
kann also ebenfalls an den Start gehen.
Alle drei Geschwister werden nun am
29.September zusammen laufen. Sowohl
für sich als auch ihren Vater. Es wird ein
Lauf der Solidarität. Nicht nur für ihren
Vater, sondern auch für alleanderen Men-
schen, die durch körperliche Gebrechen
nichtmehrselbst mitlaufenkönnen. Fran-
ziska Rudolph ist vierfache Mutter, arbei-
tet als Chemieingenieurin und studiert
nebenher. Ihr ist es auch wichtig, ande-
ren berufstätigen Müttern zu zeigen, dass
es sich lohnt, die Strapazen auf sich zu
nehmen. Und soistsie sicher:WürdeGer-
hard Blum sehen, wie seine Kinder ver-
eint für ihn die 42,195 Kilometer auf sich
nehmen – er wäre stolz auf sie.

70 129 Kilogramm
So viel wiegen alle Medaillen, die seit
1974 beim Berlin-Marathon ausgegeben
wurden (inklusive derer für dieses Jahr)

MARATHONWarm-up


So kann’s gehen


Wer bezahlt


die Rechnung?
Heute will Joshua Böhm sich entdecken
lassen. Zwei Stunden lang steht der junge
Mannmit buntemHutamSonnabend vor
der Tür der Agentur „Filmgesichter“ in
Moabit, um seinen Anmeldebogen abzu-
geben. Dann geht alles ganz schnell: Je-
mand knipst ein Porträt und nimmt sei-
nen Bogen. In drei Wochen weiß er, ob er
mit dabei ist. Extra aus Neuruppin ist er
heute zum Casting angereist, er war als
Erster da. Mittlerweile zieht sich eine
mehrere Hundert Meter lange Schlange
die Thomasiusstraße entlang: Rentner
mit Hunden, Teenager, die Einverständ-
niszettel ihrer Eltern wedeln. Eltern, die
ihre Kinder kämmen.
Sie alle wollen Komparsen in mindes-
tens einer von zwei Großproduktionen
sein – einer Serie für Netflix und einem
amerikanischenKinofilm.Biszum21. Au-
gust sucht die Agentur 5000 Menschen.
Davon sollen 2500 „russischstämmige
oder osteuropäische“ Männer sein, 500
FrauenundMännermit„süd-,mittelame-
rikanischen und südeuropäischen Wur-
zeln“,800vonihnenErwachseneundKin-
der mit „arabischem/türkischem/nord-
afrikanischem/persischemErscheinungs-
bild“. Dazu 500 Männer und Frauen mit
„afrikanischer/afroamerikanischer/asiati-
scher Herkunft“ und Hunderte „mit-
tel-/nordeuropäische“Männermitmilitä-
rischerErfahrung.
Besonders gewünscht sind bei den ak-
tuellen Produktionen auch Menschen
mit „Business-Look“. Von denen gebe es
immer zu wenig, sagt Agentur-Inhaberin
Johanna Ragwitz. „Film ist immer auch
Klischee“, sagt sie. Ausgewählt werden
die Komparsen nach Bildern. Deswegen
müssen sie während der Castings auch
nichtsingen oder tanzen. Aufdem Anmel-
dezettel können sie noch verschiedenste
andere Angaben machen: neben Namen,
Wohnort und Geburtsjahr zum Beispiel
auch, ob sie einen Smoking oder eine
Spiegelreflexkamera besitzen. Die Kame-
ras werden manchmal benötigt, um Foto-
grafenmeuten und Blitzlichtgewitter dar-
zustellen.
Ein solches Massencasting komme
schon mal vor, sei aber für deutsche
Filme eher unüblich, sagt Ragwitz. Vor
allem caste die Agentur, wenn von einer
Gruppe gewünschten Aussehens zu we-
nige Menschen in der Kartei seien. Deut-
sche Produktionen drehen üblicherweise
mit ein paar Hundert Komparsen – wobei
es auch Ausnahmen gebe wie „Babylon
Berlin“. Für die Serie seien mehrere Tau-
send zum Einsatz gekommen.
Die beiden neuen Produktionen wer-
den in Berlin und Brandenburg gedreht.
So wie viele andere Serien und Filme:
Laut Umwelt- und Verkehrsverwaltung
meldeten Filmteams im vergangenen
Jahr 2144-mal Dreharbeiten an, für die
Straßen gesperrt oder Schilder ange-
bracht werden mussten. 2017 waren es
sogar 2642 Dreharbeiten im öffentlichen
Raum. Dabei müsse es sich laut Verwal-
tung allerdings nicht jedes Mal um ver-

schiedene Produktionen handeln, man-
che Teams drehen mehrfach draußen.
Und das an verschiedensten Orten in der
Region. Die neue Amazon-Serie „Wir
KindervomBahnhof Zoo“von Philipp Ka-
delbach soll auch in West-Berlin gedreht
werden. Filme wie „Inglourious Bas-
terds“ oder „Der Pianist“ entstanden un-
ter anderem in der Außenkulisse „Berli-
ner Straße“ im Filmpark Babelsberg. Und
der Kreuzberger Chamissokiez ist eine
beliebte Szenerie für Historienfilme.
Auch die beiden Produktionen, für die
„Filmgesichter“ gerade castet, sollen in
Berlin und Brandenburg gedreht werden.

Worum es geht, wer sie produziert und
wiedie Titel lauten,will die Agentur aber
noch nicht verraten. Auch in der
Schlange weiß das keiner so genau. Die
Fortsetzung von „4 Blocks“, rät ein jun-
ger Mann. Hinweise könnte der Casting-
aufruf geben: Gesucht werden auch 500
männliche Schachspieler zwischen 18
und 50 Jahren. Spielorte sollen unter an-
derem die ehemalige Sowjetunion, die
USA, Mittelamerika, der Nahe Osten und
das heutige Russland sein.
Bei der Netflix-Produktion könnte es
sich um die geplante Mini-Serie „The
Queen’s Gambit“ handeln, die auf einem
Roman von Walter Tevis von 1983 be-
ruht.Daringehtesumeineamerikanische
Waise,diewährenddesKaltenKriegesihr
Schachtalent entdeckt und sich mit russi-
schenSpielernmisst. Anima Müller

An diesem Sonntag startet der
Marathon-Blogdes Tagesspiegels.
Den finden Sie online unter
tagesspiegel.de/berlin-marathon

500 Schachspieler gesucht


Ungewöhnliches Casting für große Filmproduktion.


Jährlich gibt es mehr als 2000 Dreharbeiten in Berlin


Immer wieder sonntags
fragen Sie
Elisabeth Binder

Foto: Getty Images/carlosalvarez

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Sportliche Familie.Franziska Rudolph, Juri Blum, Katharina Blum und Gerhard Blum nach einem ihrer gemeinsamen Läufe. Foto: privat

42


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12 DER TAGESSPIEGEL BERLIN NR. 23 918 / SONNTAG, 18. AUGUST 2019


Tage

Und Action.
Unter den vielen Fil-
men, die in Berlin ge-
dreht werden, ist auch
die ZDF-Serie „Der Kri-
minalist“. Hier ein Bild
von den Arbeiten an
der dritten Staffel.
Foto: Kitty Kleist-Heinrich

Von Paul Gäbler

Lauf der Solidarität


In 42 Tagen ist es so weit – wir starten heute den Tagesspiegel-Countdown.


Drei Geschwister nehmen am Berlin-Marathon im Gedenken an ihren Vater teil


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