berühren – die traditionelle Geste für Freund-
schaft und Wertschätzung.
Bei früheren Begegnungen über die Jahre hin-
weg habe ich dem Dalai Lama schon mal gedan-
kenlos die Hand geschüttelt oder ihn gar um-
armt, sehr zum Missfallen seiner Mitarbeiter.
Dieses Mal will ich es unbedingt richtig machen.
ALS ICH ZUR VERBEUGUNG vortrete, nimmt er
sofort augenzwinkernd meine rechte Hand und
schüttelt sie. Währenddessen zieht er mich
langsam zu sich heran, bis sich unsere Stirnen
berühren. Dann kichert er.
Der Dalai Lama verzichtet gern auf Formali-
täten. Obwohl er bei tibetischen Buddhisten als
heilig gilt, sagt er von sich: „Ich bin ein einfacher
Mönch.“ Besucher lässt er gern spüren: Es gibt
keinen Unterschied zwischen dir und mir, zwi-
schen Menschen überhaupt. Wenn jemand eine
Glatze hat, fasst er ihn etwa an den Kopf und
dann an den eigenen rasierten Schädel und lacht
fröhlich. Wenn jemand volles Haar hat, zeigt er
mit einer ähnlichen Geste scherzhaft: Du hast
mehr Haare als ich. Manchmal legt er die Hand
in die seines Gegenübers und sieht ihm neugie-
rig in die Augen. Auf seinem Gesicht breitet sich
dann ein seliges Lächeln aus. Der Dalai Lama
lächelt viel. Man kann dann kaum anders, als
zurückzulächeln.
Der Dalai Lama ist Mitte 80, und im Gespräch
erzählt er freimütig vom Umgang mit dem Alter.
Ebenso von seiner legendären Flucht aus Tibet
und von seinem Verhältnis zu den chinesischen
Behörden. Er spricht auch über die Aggressio-
nen unserer heutigen Zeit – und warum es für
die Menschheit trotzdem Hoffnung gibt.
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