könne verhaftet werden. Aus Protest gegen
diese ausweglose Situation haben laut Berich-
ten seit 2011 mehr als 150 Nonnen, Mönche und
andere Tibeter ein furchtbares Mittel ergriffen:
Sie verbrannten sich selbst.
HEUTE SAGT DER DALAI LAMA laut in Richtung
China: „Sie müssen die tibetische Kultur res-
pektieren.“ Die sei einzigartig. Er fügt hinzu:
Ausgerechnet chinesische Archäologen hätten
Belege dafür gefunden, dass das Hochland von
Tibet schon seit der Steinzeit von Menschen
besiedelt ist.
Der Dalai Lama weigert sich aber konsequent,
zu Gewalt aufzurufen. Er sieht aus der Ferne mit
an, was mit Tibet geschieht. Macht das nicht
wütend und verbittert? Der Dalai Lama entgeg-
net: Tibetische Mönche werden „in der Nalan-
da-Tradition erzogen. Wir ... werden realisti-
scher. Alle Menschen sind für uns Brüder und
Schwestern.“
Auf der Suche nach einer diplomatischen Lö-
sung hat der Dalai Lama unter anderem mehr-
fach an die Vereinten Nationen appelliert. 1987
stellte er der US-Regierung einen Friedensplan
vor, 1988 sprach er vor dem Europäischen Par-
lament. Im Namen des tibetischen Volkes traf
er sich zu Vier-Augen-Gesprächen mit politi-
schen Führern aus aller Welt, darunter US-Prä-
sidenten und Papst Johannes Paul II.
Eines seiner Friedensangebote an China war
der sogenannte „Mittelweg“: der Verzicht auf
den Traum von der Unabhängigkeit Tibets zu-
gunsten einer eingeschränkten Autonomie,
wobei die tibetische Kultur erhalten bliebe. 1989
wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.
Und doch ist Tibet bis heute nicht frei.
WAR DER MITTELWEG ein Fehler? Der könne ja
immer noch funktionieren, sagt der Dalai
Lama. Chinas aktueller Präsident Xi Jinping
habe beim Umgang mit der Korruption in sei-
nem Land Mut gezeigt, und er befürworte nach
70 Jahren Hardliner-Politik ein neues Denken.
„Wir werden sehen, nächstes Jahr, in zwei Jah-
ren. Ich glaube, es könnte sich etwas ändern.“
Der Dalai Lama hegt die Hoffnung, dass Xi ihm
eine Pilgerreise nach China erlauben könnte,
zum buddhistischen Heiligtum Wutai Shan.
Davon träume er seit über 60 Jahren.
Er habe zwar „ein kleines Zuhause verloren“,
aber „eine große Heimat gefunden“, sagt der
Dalai Lama über seine vielen Reisen über den
ganzen Erdball, bei denen er die alten Weishei-
ten der Tibeter verbreitet. Trotzdem sehnt er
sich nach der Welt, die er zurücklassen musste.
Er denkt aber auch, dass ohne seine Flucht, ohne
ihn selbst als international mobilen Mahner und
Erinnerer, heute nicht viel davon übrig wäre.
Wie lange der Dalai Lama noch in seiner Mis-
sion unterwegs sein kann, ist ungewiss. Der
Körper spielt nicht mehr mit. „Ich glaube, das
Gefühl der Müdigkeit wächst. Das ist verständ-
lich, wegen des Alters“, sagt er. Er fliege nicht
mehr so oft, „zu weit ... ziemlich schwierig“.
Wenn er läuft, tun ihm die Knie weh. Im letzten
Jahr wurden alle Nordamerikatermine abgesagt,
aber nach Europa sei er noch geflogen, weil der
Flug „vergleichsweise okay“ ist. Laut seinem
offiziellen Zeitplan sind für 2019 nur Termine in
der Nähe seines Exils in Indien vorgesehen.
Vor ein paar Jahren war er wegen Prostata-
krebs in Behandlung, aber jetzt bescheinigen
ihm die Ärzte beste Gesundheit. Er wirkt und
klingt jung für sein Alter. Seine Assistenten sind
aber darauf bedacht, sein Tagesprogramm zu
begrenzen. Audienzen mit Würdenträgern und
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