National Geographic Germany - 08.2019

(WallPaper) #1

Sand schleudernd zum Stehen. Selbst im Sitzen


macht der Fahrer eine große, stattliche Figur.


Mit seinem ungezähmten Bart und einem Zahn-


stocher zwischen den Zähnen schaut er mit


einem strahlenden Lächeln auf das Gedränge.


Seine gute Laune scheint irgendwie unpassend.


Dann kichert er: „Reis mit Bohnen!“


Der Boss – wie ihn hier in Agadez alle nen-

nen – redet nicht vom Essen. Vielmehr meint er


die Zusammensetzung des Konvois. Da wäre der


Reis: die vielen Hundert nigrischen Passagiere,


Einheimische, die mit der allwöchentlichen


Karawane auf Arbeitssuche nach Libyen fahren.


Und dann wären da noch die anderen, die Boh-


nen – vielleicht sieben pro Fahrzeug –, die wo-


anders herkommen und woanders hinwollen


und aus völlig anderen Gründen mitfahren. Das
ist das Rezept des Bosses. Man könnte sagen, er
exportiert Bohnen. Viele Tausende seit seinem
Einstieg in das Geschäft 2001, das er trotz des
Verbots durch die nigrische Regierung im Jahr
2015 fortführt.
Der Strom der Flüchtenden ist bisher nicht
zum Stillstand gekommen. Die Instabilität West-
afrikas sorgt Tag für Tag dafür. Die Arbeit des
Bosses besteht darin, den Strom zu verwalten.
Er kontrolliert ein Netzwerk, das aus mindestens
hundert Fahrern und ebenso vielen Mittelsmän-
nern besteht. Die Lkw erhalten, bevor sie zum
Kontrollpunkt kommen, am Busbahnhof von
Agadez Genehmigungspapiere von einem Kom-
munalbeamten. (Weiter auf Seite 100)

NIGER 95
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