08.2019 reader's digest 139keineswegs Waisenkinder waren. Im
mer im Juni ihres zweiten Lebens
jahres werden Bärenkinder ins Leben
entlassen, die Mutter sucht sich dann
einen neuen Partner. Vermutlich wa
ren unsere Bären erst vor kurzem frei
gesetzt worden. Die Jungtiere schlos
sen bald Freundschaft und traten von
da an stets gemeinsam auf.
So weit hätte ich es nicht kom
men lassen dürfen! Aber bevor ich
das rechte Wort für meine Bedenken
fand, hatte Patti den Neuankömmling
schon getauft. Sie nannte ihn Skinny.
Alles blieb, wie es war. Fast.Junge Liebe
Als der August kam, waren Purzel und
Skinny unzertrennlich. Sie gewannen
zusehends Gewicht und Umfang und
wurden zu kuscheligen Pelzkugeln –
dank der unzähligen Schüsseln mit
Sonnenblumenkernen, mit denen
meine Frau sie ver wöhnte.
Die Mengen, die sie ver schlingen
konnten, waren allerdings erstaunlich.
Die Sonnenblumenkerne kauften wir
nunmehr in 20KiloSäcken, und ge
legentlich fürchtete ich ernsthaft um
unsere Haushaltskasse.
„Findest du nicht“, fragte ich Patti,
„dass unsere Hausfreunde sich etwas
überfressen?“
„Das ist nichts als Vorsorge für den
Winterschlaf“, meinte meine Frau.
Die Wahrheit kam zwei Abende
später ans schwache Licht der Däm
merung. Wir sahen Purzel und Skinny
am Rand unseres Grundstückes. Dortlocken. Denn erstens erschrak sie im
mer, wenn ich meinen Wagen startete.
Zweitens hatten wir uns auch sehr an
eine Rehfamilie gewöhnt, die gern
auf unserem Rasen herumtollte; aber
wenn das Bärenkind sich dort breit
machte, verschwand sie jedesmal.
Unsere Strategie war simpel. Son
nenblumenkerne waren gleich nach
Honig Purzelchens Lieblingsfutter.
Wir brauchten also nur die Schüssel
zu verschieben. Der Plan ging auf: Wo
immer wir das Futter hinstellten, ließ
Purzelchen sich nieder.
Eine Holzveranda verläuft rund um
unser Haus. Durch Glasschiebetüren
gelangt man vorn ins Wohnzimmer
oder über eine Treppe auf die rück
wärtige Wiese. Wir stellten also die
Futter schüssel auf die oberste Trep
penstufe. So konnte uns Purzelchen
Gesell schaft leisten, wenn wir uns
draußen zum Essen hinsetzten.
Eines Tages wurde unsere Veranda
zum Schauplatz ebenso dramatischer
wie herzergreifender Ereignisse. Vom
Wohnzimmer aus blickte Patti nach
draußen und sprang entsetzt auf.
„Oh mein Gott!“, rief sie. Und dann
sah auch ich es: Der zerrupfteste,
verhärmteste Bär der Welt kam auf
uns zu.
Als Patti die Verandatür öffnete,
flüchtete er wie in Panik. Er floh über
die Veranda und die Trep pe hinab
und prallte mit Purzelchen zusam
men. Wir begriffen: Dieser Bär war
ein Fremder. Denn erst mit der Zeit
lernten wir, dass unsere Jungbären