08.2019 reader's digest 147dachten wir, denn in den Wäldern
waren die Beeren reif – eine berau
schende Fressenszeit fürs Bärenvolk.
Aber auch nach einer Woche waren
sie noch nicht zurück. Inzwischen
kam der September ins Land und da
mit die Jagdsaison.
Für die Bären sind das Wochen
voller Gefahr. Wegen der Hitzewelle
war in diesem Herbst die Ausbeute
an Beeren und Haselnüssen magerer
als sonst. Damit waren die hungri
gen Bären leichte Beute für die Jäger.
Fast jeden Tag hörten wir Schüsse. In
diesem Jahr wurden allein in unse
rem Landkreis 270 Bären erlegt. Ein
schreckliches Gemetzel.
In genau dieser Zeit verlor sich
von unserer Bärenfamilie jede Spur.
Schließlich, nach zwei Wochen fast
unerträglicher Angst, stapfte Purzel
chen endlich die Treppe hoch und
präsentierte sich auf der Veranda –
mit ihren beiden Teddys, gesund und
unverletzt. An diesem Abend beka
men sie ein Festessen.
Inzwischen glaubte ich, Purzel
chen recht gut zu kennen. Sie hatte
ein freundliches Wesen und einen
starken Hang zur Zärtlichkeit, sie war
sensibel und eine liebevolle Mutter,
aber nicht besonders mutig. Glaubte
ich. Um so heftiger überraschte mich,
was sich eines Nachmittags im Garten
abspielte.
Die drei Bären trieben auf unse
rer Veranda ihre albernen Spiele. Da
wurde gepufft und geknufft, gerun
gen, gerangelt und Stehaufmännchenund nährte sie. Danach war es Zeit
für ein Nickerchen, entweder unterm
Fußboden des alten Schuppens oder
auf den Zweigen einer Fichte.
Wir freuten uns sehr, dass Pur
zelchen eine so wunderbare Mutter
geworden war. Denn oft hatten wir
befürchtet, dass ihre Zuneigung zu
Menschen sie fürs Zusammenleben
mit ihresgleichen verzogen hätte. Nun
sahen wir, wie selbstverständlich sie
mit ihren Kindern umging.
Tapfere Bärenmutter
Dieser Sommer bescherte uns viele
erheiternde Augenblicke, aber auch
Tage der Traurigkeit. An der fernen
Westküste sah Pattis krebskranker
Vater seinem Ende entgegen. Über
die erste Juliwoche flogen wir zu ihm.
Wir hatten einen Videofilm gedreht,
um ihm unsere Bärin, die er so sehr
aus der Feme liebte und mit Mandeln
verwöhnte, vorzuführen.
Nur wenige Wochen danach starb
er. Als die traurige Nachricht ein
traf, war ich nicht daheim, und Patti
musste zunächst allein damit fertig
werden. Sie ging zu Purzelchen auf
die Veranda. So fand ich Patti vor, als
ich heimkam, die Arme um den Hals
der Bärin geschlungen.
„Vater ist tot“, schluchzte sie. Pattis
Worte verloren sich in Purzelchens
Fell. Die Bärin, als ob sie die Trauer
mitempfände, lehnte ihren großen
Kopf gegen Pattis Wange.
Zwei oder drei Tage wird Purzel
mit ihren Kindern wohl wegbleiben,